Klavier-Studium zwischen Luftalarmen Ukrainische Pianistin (19) spielt in Dorsten

Studium zwischen Luftalarmen: Ukrainische Pianistin (19) spielt in Dorsten
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Manchmal passiert es einmal in der Woche, manchmal jeden Tag: Es gibt Luftalarm in Kiew. Für Oleksandra Makarova bedeutet das: Sie muss sofort ihr Musikstudium an der Musikakademie Tschaikowski in der ukrainischen Hauptstadt unterbrechen und schnellstmöglich den Luftschutztraum an der Universität aufsuchen.

Oleksandra Makarova studiert Klavier und Percussion. Der Kriegsausbruch vor über einem Jahr, der russische Überfall auf ihr Heimatland, traf sie unvermittelt. „Zunächst war es gar nicht mehr möglich, in Kiew zu studieren“, sagt sie. Sicherer war sie in ihrer Heimatstadt Mukatschewo im Südwesten der Ukraine.

Von hier aus konnte sie zwar Online-Seminare belegen, aber es fehlte der persönliche Kontakt, sowohl zu ihren Professoren als auch zu ihren Kommilitonen. Was sie ebenfalls bedrückt: Viele ihrer männlichen Mit-Studierenden spielen heute keine Instrumente, sondern tragen eine Waffe. „Ich kenne viele, die heute Soldaten sind und mache mit Sorgen um sie“, sagt Oleksandra Makarova.

Zum dritten Mal in Deutschland

Der aktuelle Aufenthalt in Deutschland bedeutet für die 19-jährige Pianistin auch ein Durchatmen, ein Stück Normalität in schwierigen Zeiten. Zum dritten Mal ist sie in Deutschland, zum allerersten Mal spielt sie aber in Dorsten: Am Freitag (27.10.) spielt sie um 19.30 Uhr im Jüdischen Museum unter anderem Werke von Bach und Schumann, von Debussy, Ravel und Rachmaninow.

Oleksandra Makarova hat bereits im Alter vom fünf Jahren mit dem Klavierspielen begonnen. „Ich komme zwar nicht aus einer Musikerfamilie, aber meine Mutter hat früh mein Talent erkannt und immer gefördert“, sagt sie. Der Weg über die Musikschule führte sie schließlich zum Musikstudium nach Kiew.

Die ukrainische Pianistin Oleksandra Makarova spielt am 27.10.  im Jüdischen Museum.
Die ukrainische Pianistin Oleksandra Makarova spielt am 27.10. im Jüdischen Museum. © Jürgen Wolter

„Man muss sich die Ausbildung in den ukrainischen Musikschulen allerdings anders vorstellen als bei uns“, sagt ihr Mentor Volker Zwetztschke. Der Intendant des Europäischen Klassikfestivals hat Oleksandra Makarova zu der kleinen Konzertreise mit fünf Konzerten eingeladen. „In der Ukraine werden die Talente sehr gefördert, aber auch gefordert.“

Träume für die Zukunft

„I love it - ich liebe es“, sagt Oleksandra Makarova über das Klavierspielen. Die Musik bedeutet ihr viel, ist ihre große Leidenschaft. Ihre Seele brauche die Musik, sagt sie. Sie erlaube ihr Träume und Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln, in den schwierigen Kriegszeiten ganz besonders. Und ihr Berufsziel hat sie klar vor Augen: Sie möchte Konzertpianistin werden.

Im nächsten Jahr will sie ihr Bachelorstudium abschließen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, würde sie ihr Masterstudium gern in Österreich oder Deutschland fortsetzen, auch nach Belgien hat sie inzwischen gute Kontakte. Dorthin reist sie nach den Konzerten in Deutschland.

Der erste Kontakt war durch Volker Zwetzschke entstanden, der in der Vergangenheit selbst mehrfach als Pianist in der Ukraine aufgetreten ist. Im Frühjahr 2022 lud er mehrere Absolventen der Musikhochschule Kiew nach Marl ein, wo sie ein Konzert spielten. „Ich wollte ihnen in den ersten Kriegswochen eine Verschnaufpause verschaffen“, sagt er. Oleksandra Makarova war dann im Advent 2022 ein zweites Mal zu Gast.

Die ukrainische Pianistin Oleksandra Makarova und Volker Zwetzschke spielen zu Beginn des Konzerts vierhändig an einem Flügel.
Die ukrainische Pianistin Oleksandra Makarova und Volker Zwetzschke spielen zu Beginn des Konzerts vierhändig an einem Flügel. © Jürgen Wolter

Konzerte im Ausland zu spielen, das bedeutet für sie auch, neue Eindrücke zu sammeln. „Ich lerne neue Städte kennen, neue Menschen, ich sammle Konzertpraxis, was in meiner Heimat zurzeit so gut wie gar nicht möglich ist“, sagt sie.

Dass das Konzert in Dorsten mit dem Spielort Jüdisches Museum zurzeit wegen der Entwicklung im Nahen Osten an einem besonders sensiblen Ort stattfindet, war bei der Planung der Konzertreihe noch nicht absehbar. „Ich gehe aber davon aus, dass die Polizei das Gebäude im Blick hat und das Konzert ohne Probleme stattfinden kann“, sagt Volker Zwetzschke.

Was sich Oleksandra Makarova für die Zukunft am meisten wünscht, liegt auf der Hand: „Peace - Frieden für die Ukraine, mit allen Regionen, die zu unserem Heimatland gehören“, sagt sie.

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