Mitten im Spielzimmer steht Tagesmutter Miriam Wolfrath. Tische, Stühle, Spielzeug und Wickelfläche: Alles muss nachmittags nach dem Besuch der Kinder desinfiziert werden.

© Bastian Becker

Dorstener Tagesmutter vermisst Spaß, Solidarität und Wertschätzung

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Hygienevorschriften statt gemeinsamem Basteln: Eine Dorstener Tagesmutter berichtet über ihren Alltag in Corona-Zeiten. Außerdem fordert sie klarere Regeln und mehr Solidarität.

Dorsten

, 13.01.2021, 14:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Eigentlich bereitet Miriam Wolfrath ihr Beruf viel Freude. Doch die momentane Corona-Situation und die damit verbundenen Auflagen machen es der Tagesmutter aus Holsterhausen nicht leicht. „Der hygienische Aspekt steht im Vordergrund und für die pädagogische Arbeit in Form von Angeboten und Aktionen bleibt leider weniger Zeit. Der Spaß und die Leichtigkeit fehlen momentan“, fasst die 44-Jährige zusammen.

Fünf Kinder im Alter zwischen null und drei Jahren betreut Miriam Wolfrath in ihrem Haus. Aktuell ist alles genau getaktet. Die Kinder kommen jeweils mit einer Viertelstunde Abstand, die Eltern müssen vor der Tür bleiben. Dann waschen sich die Kinder unter Aufsicht von Miriam Wolfrath die Hände.

Hygienemaßnahmen kosten viel Zeit

Das gemeinsame Frühstück läuft auch anders. Sonst teilen die Kinder ihre mitgebrachten Speisen. Jetzt achtet Miriam Wolfrath genau darauf, dass jeder nur seine eigene Mahlzeit isst. Nach dem Essen stehen gleich wieder die nächsten Hygienemaßnahmen auf dem Plan: Eine Flächenreinigung des Tisches und der nächste Besuch am Waschbecken. „Kinder essen ja nicht immer unbedingt mit Messer und Gabel, nehmen die Finger in den Mund und werden somit nach dem Essen wieder die Hände waschen“, weiß die Tagesmutter.

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Zeit, die für gemeinsame Aktionen verloren geht. „Man schafft viel weniger als sonst. Vor Weihnachten bin ich diesmal gar nicht auf die Idee gekommen, Plätzchen zu backen. Nur kleinere Angebote finden statt“, stöhnt Miriam Wolfrath.

Kritik an unklaren Regelungen

Sie erzählt, dass sie zu Beginn der Pandemie skeptisch war, ob sie die Kinder wie gewohnt in ihr privates Umfeld lassen soll. „Das ist schon ein Risiko, das wir eingehen, uns fehlt jeglicher Schutz während der Arbeit“, ist sich Miriam Wolfrath bewusst.

Grundsätzlich vermisst sie gerade im Vergleich mit Kindergärten klare Vorgaben aus der Politik. „Wir wollen nicht wie Heldinnen beklatscht, sondern gehört und gesehen werden“, wünscht sich die 44-Jährige. Im Moment werde die Kindertagespflege sich selbst überlassen.

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Daher habe sich zu Beginn der Pandemie im März vergangenen Jahres in Nordrhein-Westfalen das Netzwerk Kindertagespflege gegründet. Miriam Wolfrath ist hier Sprecherin für die Kindertagespflegekräfte aus Dorsten. „Es müssen klare Regeln wie zum Beispiel in Kitas für die Betreuung der Kinder in der Pandemie geschaffen werden. Appelle helfen nicht weiter“, fordert sie.

Mehr Solidarität seitens der Eltern gewünscht

Die Eltern der Kinder, die sie betreut, seien verständnisvoll. Man könne mit ihnen sprechen. Einige Kolleginnen berichten aber von anderen Zuständen. „Viele Kolleginnen müssen Kinder betreuen, wo die Eltern nicht so solidarisch sind und eher die eigenen Interessen in den Vordergrund stellen“, erzählt Miriam Wolfrath. Eine Umfrage des Netzwerks Kindertagespflege an mehr als 2000 Standorten in NRW habe ergeben, dass kurz vor Weihnachten noch über 70 Prozent der Kinder weiterhin von ihren Tagesmüttern betreut wurden. Die Begründungen, die genannt würden, warum die Kinder betreut werden sollen, seien der Situation oft nicht angemessen.

Risiko für Gesundheit, finanzielle Schwierigkeiten möglich

In ihrer Gruppe seien vier Kinder mit Erkältungssymptomen erkrankt, nicht eines davon sei auf Corona getestet worden. Ein Kind habe vom Arzt, obwohl es noch hustete, das Okay gekriegt, wieder zu kommen. Die Diskussionen ermüden Miriam Wolfrath. „Wenn Kindertagespflegepersonen bestimmte Symptome haben, sollten sie auch nicht betreuen. Leider ist es aber so, dass 27 Prozent aller Kindertagespflegepersonen in NRW keine Kranktage bezahlt bekommen und somit im Krankheitsfall auch in finanzielle Schwierigkeiten geraten können“, erläutert sie. Kindergärtnerinnen würden dagegen nach Tarifverträgen bezahlt.

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Wenn die Kinder abgeholt wurden, muss Miriam Wolfrath noch mal etwa eine Stunde alles reinigen: Spielzeug, Tische, Fenster. Sie hofft, dass nach der Corona-Zeit wieder mehr Zeit dafür bleibt, was sie am liebsten tut: Quatsch mit den Kindern zu machen. „Wir toben, hören laut Musik, basteln. Kinder lernen am meisten von Kindern“, so Miriam Wolfrath.

Noch bleibt dafür wenig Zeit.