Gabriella Berthe, ärztliche Leiterin der Tagesklinik im Schloss Lembeck, hat schon in vielen Krankenhäusern gearbeitet. Jetzt darf sie in einem Schloss ihren Beruf ausüben. „Das ist schon ein Quantensprung. Was für eine Erholung“, sagt sie. Holger Mengelberg, der die Pflegedienstleitung übernimmt, stimmt zu und erhofft sich ebenso positive Effekte für die Patienten, die ab November in der Tagesklinik behandelt werden.
„Menschen verbinden mit einem Schloss ganz unterschiedliche Dinge. Eine Festung, die Sicherheit vermittelt. Ein Raum, in dem man sich auch mal ausprobieren kann. Prinz oder Prinzessin sein kann. Das kann man therapeutisch gut nutzen. Außerdem ist das Schloss sehr außerhalb gelegen. Eine Gegend, in der man zur Ruhe kommen kann“, sagt Mengelberg.

Die abgelegene Lage empfindet Geschäftsführer Timo Welling (39) nicht als Nachteil. Der Bedarf nach Tageskliniken sei „viel größer als das vorhandene Angebot“. Allein im Kreis Recklinghausen mit mehr als 600.000 Einwohnern sei man nur einer von fünf Klinikträgern, die tagesklinische Versorgung anbieten. Die Tagesklinik in Lembeck sei eine Ergänzung zum stationären und ambulanten Angebot. Vorteil für Patienten: Sie können abends wieder nach Hause fahren - und entgehen damit möglicherweise einer Stigmatisierung, die es leider immer noch gebe, so Welling.

„Multimediale Beschallung“
In der Pandemie hätten die seelischen Belastungen stark zugenommen, sagt Welling. Ebenso sei die „multimediale Beschallung“ angestiegen. Die größte Gruppe an Patienten erwartet er bei depressiven Burnout-Patienten. Etwa „Führungskräfte, die immer nur auf der linken Spur Vollgas gegeben haben“.

Untergebracht ist die Tagesklinik im Bereich des ehemaligen Hotels. Am letzten Oktoberwochenende konnten rund 150 Ärzte und Therapeuten die Tagesklinik besichtigen, die sich ausschließlich an Privatpatienten und Selbstzahler richtet. Depression, Panikattacken, Angst-, Zwangs-, Schlaf- und Persönlichkeitsstörungen werden dort behandelt. Auch Burnout, wenngleich Gabriella Berthe den Begriff nicht mag, „weil er keine Diagnose ist“.

Eine Diagnose durch einen Arzt und ein Vorgespräch in der Tagesklinik stehen am Anfang der Behandlung. Sechs bis acht Wochen dauert diese - abgestimmt mit dem Patienten. Der Tag startet morgens mit einem gemeinsamen Frühstück, ab 9 Uhr beginnt die Therapie mit einer Morgenrunde mit den multiprofessionellen Therapeuten. Einzeltherapien stehen dann an. Gesprächstherapie, Bewegungstherapie, Wellnessanwendungen, Aromatherapie, Massagen, Klangschalen, Akkupunktur, Achtsamkeitsübungen und mehr.
Niederschwellige Angebote
Auch das Ausdrücken von Gefühlen über Kunst und Musik ist möglich. „95 Prozent der Dinge, die wir tun, tun wir unbewusst“, sagt Gabriella Mertens, weshalb Kunst und Musik Dinge ausdrücken könnten, „die nicht verbalisiert werden können“. Keiner werde aber dazu verpflichtet - es seien niederschwellige Angebote zum Ausprobieren.

In Gruppentherapie wird Psychogeneseverständnis aufgebaut, über Medikamente aufgeklärt oder gezeigt, welche Einschränkungen die Erkrankungen mit sich bringen. Auch das Erkennen von Frühwarnsymptomen und eigenen Grenzen wird geschult.
Spaziergänge im Schlosspark
Es besteht aber auch die Möglichkeit, sich in Ruheräume zurückzuziehen, Spaziergänge im Schlosspark zu unternehmen. Nordic Walking in der Umgebung ist in der therapiefreien Zeit möglich. Welling: „Wir werden auch E-Bikes anschaffen.“
Auf 700 Quadratmetern ist die Tagesklinik aktuell untergebracht, die maximal 20 Patienten gleichzeitig aufnehmen kann. Eine moderate Erweiterung sei in Absprache mit der gräflichen Familie noch möglich, sagt Welling, aber die Exklusivität der Klinik solle erhalten bleiben. Da die Klinik jetzt startet, gebe es einen großen Vorteil: „Wir haben keine Warteliste über sechs Monate.“
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