
© Lydia Heuser
Straßen.NRW kümmert sich um die 200 Jahre alte Baumallee in Lembeck
Baum-Serie
Schrammen und Kollisionen mit Autos - Straßenbäume halten einiges aus. Oliver Schade ist Baumkontrolleur bei Straßen.NRW. So schützt er die Baumallee an der Landesstraße 608.
Von mächtigen Bäumen umsäumte Landstraßen sind der Traum eines jeden Cabriolet-Fahrers. Die Wulfener Straße in Richtung Lembeck ist so eine Straße. Rund 200 Jahre alte Eichen und Buchen spenden hier Schatten, sie spannen ihr Blätterdach über die gesamte Straße. So schön die Baumallee auch aussieht, die Bäume müssen einiges aushalten. Nicht bloß Trockenheit und Sonne machen ihnen zu schaffen, sondern auch der Verkehr.
Manch ein Baum steht mit entblößtem Stamm da, wie bei einer Wunde klafft das helle Holz aus der Rinde. Anfahrtsschäden oder Schrammen durch Lkw haben die zentimeterdicke Rinde aufgerissen. Vor allem die Bäume am Beginn der Landstraße von Richtung Wulfen aus kommend sind durch Lkw und Traktoren gefährdet. Hier ist die Straße besonders schmal, es gibt keinen Mittelstreifen. Um die Bäume und die Verkehrsteilnehmer zu schützen, gibt es dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h.
Trotzdem kommt es immer mal wieder zu Kollisionen, Lkw schrammen an Stämmen entlang oder Autos fahren frontal gegen einen Baum. Oliver Schulte von Straßen.NRW versorgt in solchen Fällen die Baum-Verletzungen.
Folienverband gegen Verletzungen am Stamm
Er ist seit 13 Jahren Baumkontrolleur und kümmert sich um Straßenbäume an Land- und Bundesstraßen sowie Autobahnen zwischen Essen-Kettwig und Haltern am See, gut 20.000 Bäume betreut er. „Wenn ein Baum vital ist, versucht er sich selbst gegen Eindringlinge zu wehren“, erklärt Schulte. Aber seine Schützlinge sind, wie alle Bäume derzeit, gestresst. Die vergangenen Jahre haben ihnen zugesetzt.
Verwundete Bäume bekommen einen Folienverband, ähnlich dem Material, das Landwirte zum Umwickeln von Heuballen nutzen. Oliver Schulte sprüht die Stelle mit Wasser ein, bevor er die Wunde für ein- bis anderthalb Jahre verschließt. In der Zeit wird der Baum versuchen, eine neue Rinde zu bilden. Außerdem ist er so vor Eindringlingen - wie Insekten und Pilzsporen - geschützt.
So will der Baumkontrolleur den Erhalt einer 200 Jahre alten Eiche sicherstellen
Der Stamm der Eiche gegenüber von Schloss Lembeck zeugt auch von einem „schweren Anfahrtsschaden“, der aber schon längere Zeit zurückliegt. Trotzdem muss der Baumkontrolleur Maßnahmen einleiten, um die Eiche zu erhalten, schon allein wegen des Artenschutzes. Ameisen haben sich eingenistet. Engerlinge und Hirschkäfer vermutet Schulte ebenfalls in und um den Baum. Trameten-Pilze wachsen am blank liegenden Kernholz der Eiche. „Die sind für den Baum aber nicht gefährlich.“ Hunderte von Tiere beherberge solch eine alte Eiche.
„Straßen.NRW ist nach dem Naturschutzgesetz verpflichtet, die Baumallee zu erhalten“, erklärt eine Sprecherin, „weil es sich um eine geschützte Baumallee handelt.“
Die Krone soll „arttypisch“ beschnitten werden, um die Windlast zu mindern. „Wir lassen nicht bloß ein paar Pinne stehen“, versichert Oliver Schulte. Schließlich obliegt Straßen.NRW die Verkehrssicherungspflicht. Schon aus diesem Grund müssen ein paar tote Äste aus der Krone entfernt werden, damit sie nicht unkontrolliert auf die Straße krachen.
Jung-Bäume bekommen drei Jahre lang Extra-Pflege
Seit April hat die alte Eiche neue Nachbarn. Stiel- und Traubeneichen sowie Rotbuchen wurden in je elf Metern Abstand zueinander gepflanzt. Im Laufe der Jahre mussten ein paar der Riesen gefällt werden, jetzt ist die Allee wieder aufgefüllt. 125 neue Jungbäume stehen nun entlang der L 608. 139.000 Euro kostet die Maßnahme inklusive der dreijährigen Pflege.
Mindestens alle 14 Tage werden die Bäumchen gewässert, gut 100 Liter werden in den Gießring, der in großem Abstand zum Stamm in die Erde eingelassen ist, gepumpt. Ein Unkrautfließ verhindert, dass unerwünschte Pflanzen mittrinken.
Um die jungen Eichen vor der Sonneneinstrahlung zu schützen, sind ihre Stämme in eine Bambusmatte gekleidet, der Dreibock hält den Jungbaum zusätzlich aufrecht, damit starker Wind ihm nichts anhaben kann.
„In den Baumschulen standen die Bäume schön nah beieinander. Hier am neuen Standort müssen die das viele Licht erstmal verpacken“, so Oliver Schulte. Drei Jahre bleiben Matte und Dreibock am Baum, dann sollte er angewachsen sein und keine Hilfe mehr benötigen.

Diese junge Eiche wird drei Jahre lang beim Anwachsen unterstützt. Der Drei-Bock gibt Stabilität und die Bambusmatte schützt den Stamm vor der Sonneneinstrahlung. © Lydia Heuser
Helfer aus der Natur gegen den Eichenprozessionsspinner
Der allseits bekannte Eichenprozessionsspinner bewohnt auch die Eichen an der L 608. Straßen.NRW setzt nun verstärkt auf die Unterstützung gefiederter Helfer. Dafür bringen Kollegen von Schulte Nistkästen an. „Wir wollen Meisen herlocken, die die Larven des Eichenprozessionsspinners, zumindest in den ersten zwei Stadien, frisst“, erklärt der Baumkontrolleur. Orangefarbene Markierungen hat Oliver Schulte auf die ausgewählten Bäume gesprüht.

Dieser Nistkasten wurde nicht von Straßen.NRW aufgehangen, erfüllt aber trotzdem den Zweck, dass sich Vögel einnisten, die den Eichenprozessionsspinner fressen. © Lydia Heuser
Blaue Markierungen indes bedeuten, dass der entsprechende Baum demnächst Äste lassen muss.
Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land, fürs Studium ins Rheinland gezogen und schließlich das Ruhrgebiet lieben gelernt. Meine ersten journalistischen Schritte ging ich beim Remscheider General-Anzeiger als junge Studentin. Meine Wahlheimat Ruhrgebiet habe ich als freie Mitarbeiterin der WAZ schätzen gelernt. Das Ruhrgebiet erkunde ich am liebsten mit dem Rennrad oder als Reporterin.
