Er war ein echtes Original, auf den Straßen in Dorsten und Umgebung unübersehbar - und vor allem unüberhörbar. Denn wenn Paul Lücke mit seinen LKW-Oldtimer-Schätzchen unterwegs war, hupte er jedes Mal, wenn er ein bekanntes Gesicht erblickte. „Und er hatte viel zu hupen, denn er kannte viele Leute“, sagt seine Tochter Manuela Warder (53). „Und es vergeht kein Tag, an dem wir nicht darauf angesprochen werden, wie bestürzt nicht nur seine Kunden von seinem Tod sind.“
Ein halbes Jahr ist es inzwischen her, dass der Dorstener Paul Lücke im Alter von 75 Jahren verstarb. Ein kantiger Typ mit festgelegten Meinungen und „mit einem wahnsinnigen Repertoire von derben Sprüchen“, sagt die Tochter. „Und er war ein Tausendsassa“, betont Sohn Michael Lücke (49). Denn der Vater war Kohlenhändler, Schrottentsorger, Fahrzeugverwerter. Und vor allem ein Liebhaber alter Lastwagen, mit denen er all die Jahre beruflich unterwegs war - und die immer für viel Aufmerksamkeit sorgten. Auch wenn er mal nicht lautstark die Hupe betätigte.
In der Garage auf dem Betriebshof am Repeler Weg 75 steht noch immer ein Opel Blitz, Baujahr 42, „sein ganzer Stolz“. Mehr als 20 Jahre lang ist er den Wagen samt seinem Container-Aufsatz gefahren. Daneben der blaue Mercedes von 1986 und der lilafarbene Scania von 1976, beide Laster als Kranwagen ausgestattet, beide bis zuletzt im Einsatz. „Die Kunden haben immer ihren Spaß gehabt, wenn er damit vorfuhr“, so Manuela Warder.
Paul Lücke war keiner der Metallhändler, die mit nerviger Musik durch die Wohngebiete ziehen. Seine Tochter, die häufig im Betrieb mit anpackte, sagt: „Er hat immer nur auf Bestellung gearbeitet.“ Für Privathaushalte, vor allem aber für gewerbliche Kunden. Wenn die Firmen ihre Container mit Schrott voll hatten, kaufte Paul Lücke die Sachen an - und veräußerte sie dann bei Großhändlern.
Suden, Baumann, Vortmann, XPO hießen unter anderem seine großen Stammkunden, auch Gerüstbau Lange, Büncker, Vestbautechnik, Schloss Beck, Metallbau Niewerth und andere nahmen seine Dienste in Anspruch. „Einige fragten uns, warum wir Kinder den Laden nicht einfach übernehmen“, so Michael Lücke, der hauptberuflich als Fahrer bei den Sand- und Kiesbetrieben „Boer“ arbeitet. Gefragt und erst nach reiflicher Überlegung getan: „Wir hatten Angst, was auf uns zukommt.“ Doch inzwischen heißt die Firma „M.M.-Lücke-Entsorgung“.

Ansässig weiterhin an der Bahnstrecke im äußersten südöstlichen Zipfel der Feldmark, wo zuvor der Güterverladebahnhof für das damalige Fremdarbeiterlager Tönsholt und später die Gärtnerei Döring angesiedelt war. Bevor sich Paul und Inge Lücke im Jahre 1970 nach ihrem Wegzug aus Gelsenkirchen hier mit Haus und Betriebshof selbstständig machten.
Nebenan wohnt auch Sohn Michael, großer Fan von US-Cars und des amerikanischen Lifestyles. Er hat die Leidenschaft für das „Schrauben“ an alten Autos von seinem Vater geerbt. Ein Chevrolet Blazer K 5 steht auf dem Hof, dazu ein mächtiger Ford, in der Garage ein US-Militär-Jeep aus dem Zweiten Weltkrieg. Seine Schwester Manuela wohnt zwar in Gelsenkirchen-Buer, ist und war aber jeden Tag in Dorsten. „Die A 52 ist die wichtigste Straße für mich“, sagt sie.
„Ich habe bei meinem Vater schon damals häufig mitgeholfen, ich habe kein Problem damit, mir die Hände schmutzig zu machen“, so die 53-Jährige, die mit ihrer Mutter übrigens auch literarische Ruhrpott-Geschichten „Mitten aus`m Leben“ veröffentlicht hat.

Für die beiden Geschwister ist es inzwischen ein echtes Herzensanliegen, das Vermächtnis des Vaters weiterzuführen. „Wir wollen Papa im Geiste weiter durch Dorsten fahren lassen“, betonen sie. Und deshalb besuchen sie die Kunden stilecht mit dem fast 40 Jahre alten blauen Mercedes-Laster. „Und wenn wir am Friedhof vorbeikommen, wo sein Grab ist, vergessen wir das Hupen nicht.“
Herzinfarkt im Lieblingslaster
Den noch zehn Jahre älteren zehn Scania nebenan rühren sie aber nicht an. „Denn das ist das Lieblingsfahrzeug unseres Vaters, das ist uns heilig“, erklären sie: „Er sagte immer, in dem möchte er irgendwann mal sterben.“ Und tatsächlich erlitt der 75-Jährige im November 2022 im Führerhaus dieses Lasters einen tödlichen Herzinfarkt - während er für einen Kunden nach dem Beladen die Abrechnung fertigmachte.
Drogen, Schulden, Mord: Der Absturz des „Todespflegers“ aus Dorsten
Neues Geschäftsfeld nach Krebserkrankung: Peter Finke (62) hat wieder „Dampf auf dem Kessel“
Leerstand in Top-Lage von Dorsten bald Vergangenheit: Marktplatz bekommt weitere Gastronomie