Nikola Bondur (r.) ist gebürtiger Ukrainer. Die Lage in seiner Heimat wühlt ihn sehr auf.

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Nikola Bondur (93) blutet das Herz: „Würde mein Land sofort verteidigen“

rnUkraine-Konflikt

Der Dorstener Nikola Bondur (93) verfolgt den Krieg in seiner Heimat Ukraine entsetzt. Er sagt über Wladimir Putin: „Ich möchte noch erleben, wie er auf der Anklagebank sitzt.“

Dorsten

, 24.02.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Dorstener Victor Gillich hat im Leben schon viel gesehen und erlitten. Er hat deutsche Wurzeln, ist in Kasachstan aufgewachsen und viel in Russland herumgekommen. Mit Kindern aus der Ukraine hat er als Schulleiter im hohen Norden Russlands zu tun gehabt. Sein Verständnis für die Menschen in der Ukraine ist grenzenlos. „Sie sind von den Russen immer unterdrückt worden“, sagt er.

Umso mehr fühlt er mit Nikola Bondur mit, dem 93-jährigen, ehemaligen Orchesterdirigenten aus Kiew. Der Dorstener ist verzweifelt, seitdem Putins Armee in seine Heimat Ukraine einmarschiert ist und sich daran macht, das Land zu unterwerfen: „Wenn ich jünger wäre, würde ich die Grenze sofort gegen die Russen verteidigen“, sagt der 93-Jährige.

Victor Gillich und Nikola Bondur (r.) sind entsetzt über den Krieg in der Ukraine.

Victor Gillich und Nikola Bondur (r.) sind entsetzt über den Krieg in der Ukraine. © Claudia Engel

Seine beiden Söhne Oleg (63) und Igor (57) sowie sein 21-jähriger Enkelsohn leben mit ihren Familienangehörigen weiterhin in Kiew. „Sie sind nicht panisch, sondern sehr gefasst. Aber sie haben mir am Telefon erzählt, dass der Flughafen von Kiew und militärische Stützpunkte vor der Stadt unter Beschuss sind und am Himmel Kampfflugzeuge kreisen.“

Die Lage in Kiew ist hochdramatisch

Die Lage in der Ukraine ist hochdramatisch und ändert sich von Minute zu Minute. Bondur fürchtet, dass sein Land keine Chance hat, den Russen etwas entgegenzusetzen. „Sie werden kämpfen, ja. Aber Putin will die Macht. Ich würde gerne noch erleben, dass er sich dafür auf der Anklagebank verantworten muss.“ Präsident Putin verabscheut er. „Die Ukraine sieht Putin seit jeher als ihren schlimmsten Feind an.“

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Der Konflikt zwischen den Ukrainern und Russen sei viel älteren Datums, ergänzt Victor Gillich im gemeinsamen Gespräch. Als er im Norden Russlands in der Stadt Nojabrsk Kinder unterrichtete, seien die Menschen aus der Ukraine, die dort lebten, von den Russen klein gehalten worden. „Die Kinder durften in der Schule nicht Ukrainisch lernen, sie mussten Russisch sprechen.“ Diese Unterdrückung der Sprache und der Kultur der Menschen aus der Ukraine habe Putin übernommen: „Er will, dass die Ukrainer untertan sind“, sagt Victor Gillich.

Von Wladimir Putin hält Gillich gar nichts. „Der Mann ist größenwahnsinnig. Er will Zar werden und das alte Russland wieder auferstehen lassen.“ Victor Gillich sorgt sich um seinen alten Freund, den er noch aus der Stadt Nojabrsk kennt. „Petro ist gebürtiger Ukrainer und lebt in Kiew. Wir haben vorgestern miteinander telefoniert, weil er Geburtstag hatte. Er ist 74 geworden. Ich habe ihm im Scherz gesagt: „Wenn die Lage sich bei Euch zuspitzt, kommst Du zu mir nach Dorsten. Ich habe zwei Zimmer für Dich in meiner Wohnung frei.“

Einen Krieg hielten alle für ausgeschlossen

Jetzt ist Victor Gillich das Scherzen vergangen. Er hat einen dicken Kloß im Hals. Denn dass aus dem Ukraine-Konflikt sehr wahrscheinlich ein Krieg erwächst, „habe ich nicht erwartet“. Niemals habe er angenommen, dass der Konflikt sich ausweiten würde, nachdem russische „Platzhalter“ im Osten der Ukraine Putin doch schon in die Karten gespielt hätten, damit der seine Truppen dorthin in Bewegung setzen konnte, um seinen Anspruch auf das Territorium bei Donezk und Lugansk durchzusetzen. „Ich dachte ehrlich, das war‘s.“

Victor Gillich zeigt auf seiner Landkarte, wo er in Russland unterrichtet hat. Und schildert anschaulich, wie sehr die Ukrainer unter den Sowjets gelitten haben.

Victor Gillich zeigt auf seiner Landkarte, wo er in Russland unterrichtet hat. Und schildert anschaulich, wie sehr die Ukrainer unter den Sowjets gelitten haben. © Claudia Engel

Gillich zeigt auf der Weltkarte, die er in einem Zimmer aufbewahrt, wie die Territorien in Russland und an den Grenzen Russlands aufgeteilt sind. Wegen Putins Machtansprüchen befürchtet Nikola Bondur, dass die Ukraine für ihn nur den Anfang macht: „Die Lage ist sehr, sehr brenzlig.“

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