
© Lydia Heuser
Neuer „Katastrophen-Förster“ muss Mammutaufgaben bewältigen
Baum-Serie
Ein neuer Förster betreut den Waldbesitz der Forstbetriebsgemeinschaft. Um den Borkenkäfer zu stoppen, rät er zu radikalen Maßnahmen. Wie kann man den Wald fit für die Zukunft machen?
Lennart Besten ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt, um einmal im Bild zu bleiben. Denn der Forstwissenschaftler ist seit dem 1. August der neue Regionalförster im Dorstener Bezirk. Gebürtig stammt er aus Klein Reken.
Als Regionalförster ist er beauftragt, den Zusammenschluss von derzeit über 100 örtlichen Waldbesitzern, der Forstbetriebsgemeinschaft Dorsten, bei der Bewirtschaftung und Pflege ihrer insgesamt über 1200 Hektar Waldfläche zu beraten.
„Katastrophen-Förster“ im Raum Hagen
Vorher war Besten ein Jahr im Raum Hagen als „Katastrophen-Förster“ im Einsatz, wie er sich selbst bezeichnet. Denn dort, an der Schwelle zum Sauerland, hat der Borkenkäfer richtig zugeschlagen. Mit seiner hohen Fichtendichte bietet die Region eine große Angriffsfläche - Kupferstecher und Buchdrucker haben sich unter die Rinde gebohrt, dort ihre Eier abgelegt und so den Bäumen die Wasser- und Nährstoffversorgung gekappt. Die Folge: Ganze Berghänge, die einst saftig grün wirkten, sind nun braun von abgestorbenen Fichten.

So sieht es unter der Rinde einer befallenen Fichte aus: Borkenkäfer haben sich eingenistet und ihre Kinderstube errichtet. © Lydia Heuser
Besten muss sich jeden Baum einzeln anschauen, um beurteilen zu können, ob der Borkenkäfer sich eingenistet hat. Die charakteristischen Bohrlöcher in der Rinde sieht er auf Anhieb. Ein Käferpaar frisst einen breiten Gang zwischen Rinde und Holz, in den die Brut gelegt wird. Gut 30 Larven fressen sich dann längs des Ganges durch die Rinde. Bis zu drei Generationen können Borkenkäfer jährlich ausbilden.
Manchmal sind radikale Lösungen die einzige Möglichkeit
Wenngleich auf den gut 1200 Hektar weniger Fichten stehen (etwa 7 Prozent), hat Besten auch im neuen Wirkungskreis allerhand zu tun. „Es steht viel an. Als Einstieg finde ich das aber gut.“
Besten berät die Waldbesitzer lediglich. Und auch hier muss er angesichts des Schädlingsbefalls manchmal radikale Lösungen empfehlen.
Wenn Spaziergänger jetzt Waldarbeiter sähen, die ganze Flächen roden, sei das nicht das gewöhnliche Vorgehen, sondern Katastrophen-bedingt nötig. „Wir ernten nicht zum Spaß“, stellt Besten klar.
Lästerthema NAdelholz
- Der Begriff Monokultur ist aktuell in aller Munde. Die Waldbauern seien selbst schuld, dass sie nun solch hohe Verluste verschmerzen müssen. Hätten sie nicht bloß ausschließlich Fichten angepflanzt, wäre das nicht passiert, heißt es oft.
- Doch ganz so einfach ist es nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es viele zerstörte Flächen, durch Kampfhandlungen und Bombenabwürfe der Alliierten wurde Wald zerstört. Hinzu kamen die „Reparationshiebe“, die Siegermächte nahmen sich Holz als Entschädigungsgut. Außerdem wurde Bauholz zum Wiederaufbau benötigt.
- Aufgeforstet wurde mit schnellwachsenden Bäumen und günstigem Saatgut. In der hiesigen Region war das vor allem die Kiefer. Die ist anspruchslos und mag sandige Böden. Etwa 35 Prozent der Bäume der Forstbetriebsgemeinschaft sind Kiefern. Zu Bergbau-Zeiten wurde das Holz genutzt, um Stollen abzustützen.
Am Rande der Hohen Mark beispielsweise kämpft sich dieser Tage ein sogenannter Harvester durch mehrere kleine Parzellen befallener Fichten. Lennart Besten hat die befahrbaren Gassen gekennzeichnet, auf denen sich das Gefährt bewegen darf. Mit einer Art Riesenzange schnappt sich der vordere Arm des Geräts die Stämme, die sofort wie Zahnstocher abknicken. Waagerecht im Zangengriff wird die Fichte von links nach rechts entastet und in die gewünschte Länge geschnitten. Später holt eine Rückemaschine die Stämme aus den Wald und legt sie zum Abtransport bereit.

Die Fichtenstämme liegen zum Abtransport bereit am Straßenrand. © Lydia Heuser
Ein Lkw bringt die Ernte zum Sägewerk. Da der Markt überschwemmt ist, wird das Holz „mit einem riesigen logistischen Aufwand“ nach China exportiert. „Das ist momentan das einzige schwarze Loch, wo man endlos Fichte reinstopfen kann“, so der Revierförster. „Eigentlich sollte das Holz in der Region verarbeitet werden“, findet er. China sei nur der Notnagel.
Wie geht es nach der Ernte weiter?
Normalerweise würden Förster „nach und nach durchforsten“, also hier und da mal ein paar Bäume rausnehmen, damit Lichtkegel entstehen, die dann mit jungen Bäumen bepflanzt werden.
Jetzt also die Radikalkur: In den kommenden Jahren wird Besten die Waldbauern vermehrt hinsichtlich der Wiederaufforstung beraten. Denn Wald muss Wald bleiben und darf nicht in Acker oder ähnliches umgewandelt werden. „Es kommt immer darauf an, was derjenige will. Möchte er eine wirtschaftliche Ausrichtung oder eher ein schönes Waldbild? Beziehungsweise wieder Nadelholz oder einen resistenten Mischwald?“, erklärt der Experte.
Generationenaufgabe: Wald der Zukunft
Die EU, Bund und Länder haben aufgrund der starken „Kalamitäten“, das sind die Schäden durch Sturm, Klima und Schädlinge, Fördermittel auf den Weg gebracht. Damit schaffen sie Anreize, Wälder so aufzuforsten, dass sie hoffentlich den prognostizierten Veränderungen trotzen. Reine Nadelwälder werden beispielsweise gar nicht finanziell unterstützt.
Lennart Besten spricht von einer „Generationenaufgabe“, wenn er vom Wald der Zukunft redet. „Eine Fichte ist schnellwüchsig, in 80 bis 90 Jahren ist die erntereif. Eine Eiche braucht ihre 200 Jahre. Deshalb sage ich auch den Waldbesitzern, dass die Enkel die Ernte übernehmen werden.“
Grundsätzlich rät er dazu, das Risiko zu streuen und verschiedene Baumsorten anzupflanzen. Denn Schädlinge befallen nicht bloß Fichten und nicht jeder Baum mag jeden Standort. Hier in der Hohen Mark Eschen anzupflanzen, sei beispielsweise nicht Erfolg versprechend, da die sandige Auflage nichts für diesen Baum ist.
Zunächst aber setzt Besten auf die natürliche Verjüngung. Manchmal sei es gut, eine Fläche zwei, drei Jahre sich selbst zu überlassen und zu sehen, was sich selbst sät. Die amerikanische Traubenkirsche sei allerdings nicht so gern gesehen.

Die amerikanische Traubenkirsche verbreitet sich schnell und ist für die Holzwirtschaft nicht verwendbar. © Lydia Heuser
Der Förster spricht von einer „invasiven Art“, die sich unkontrolliert verbreite und im Gegensatz zu ihrem Ursprungsgebiet so verkrüppelt wachse, dass man sie noch nicht mal zu Holz verarbeiten könne. „Selbst als Brennholz taugt sie nicht, weil das Holz unangenehm riecht.“
Geboren und aufgewachsen im Bergischen Land, fürs Studium ins Rheinland gezogen und schließlich das Ruhrgebiet lieben gelernt. Meine ersten journalistischen Schritte ging ich beim Remscheider General-Anzeiger als junge Studentin. Meine Wahlheimat Ruhrgebiet habe ich als freie Mitarbeiterin der WAZ schätzen gelernt. Das Ruhrgebiet erkunde ich am liebsten mit dem Rennrad oder als Reporterin.
