Nach Streit um Baumfällungen in Dorsten Nachbarn kritisieren Pläne für Wohnquartier

Nach strittiger Baumfällaktion: Nachbarn kritisieren Neubaupläne
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Irritation, Bedauern und Entsetzen bei der Politik, deutliche Kritik auch seitens der Stadt und vor allem große Empörung unter vielen Anwohnern - ziemlich harsch fielen vor gut einem Jahr die öffentlichen Reaktionen auf eine radikale Baumfällaktion auf einem Grundstück in Dorsten aus.

Dort hatte der Grundstückseigentümer (der Dorstener Bauunternehmer Hendrik Hütter) zwischen Krusenpad und Antoniusstraße in Holsterhausen für ein geplantes Neubau-Projekt mehrere große alte Eichen und weitere Bäume abholzen lassen.

Zwar nicht illegal - aber wohlwissend, dass die Politik nur Tage später einen Bebauungsplan samt Veränderungssperre beschließen wollte (und dieses auch tat), mit der ein Teil dieser Bäume geschützt werden sollte.

13 Monate danach wird sich die Politik nun erneut mit dem Areal beschäftigen. Auf seiner Sitzung am Dienstag (19.9.) um 17 Uhr im großen Sitzungssaal des Rathauses sollen die Mitglieder des Umwelt- und Planungsausschusses über ein „Planungskonzept“ entscheiden, auf dessen Grundlage ein detaillierter Bebauungsentwurf erarbeitet werden soll.

„Schauen auf Riesenwand“

Die bislang dafür vorgelegten Entwürfe stoßen bei den Anwohnern rund um das Gelände, auf dem derzeit noch ein 250 Jahre altes Wohnhaus und ein ebenfalls für den Abriss vorgesehenes weiteres Hofgebäude stehen, aber auf Ablehnung. „Es werden 12 bis 13 Meter hohe Baukörper entstehen, die direkten Nachbarn schauen dann auf eine Riesenwand“, betonte Heinrich Mussmann, der nur einen Steinwurf weit entfernt am Krusenweg wohnt, vor ein paar Tagen bei einer Anliegerversammlung.

Blick auf das Gelände mit den beiden alten Bäumen aus der Vogelperspektive
Wenn die beiden alten Gebäude auf dem Grundstück zwischen Antoniusstraße (oben) und Krusenpad (unten) abgerissen sind, sollen es laut Planentwurf mit Mehrfamilienhäusern mit über 20 Wohneinheiten bebaut werden. © Guido Bludau

Gemeinsam mit Klaus Brokemper als weiterem Anwohner hatte sich der Steuerberater in den vergangenen Wochen und Monaten mit den Plänen des Bauherren „HR Living“ (ein Hütter-Tochterunternehmen) beschäftigt. „Dankenswerter hat uns Friedhelm Fragemann als Ausschuss-Vorsitzender dabei sehr unterstützt“, sagt er. Dabei seien ihnen mehrere Plan-Varianten mit jeweils zwei Geschossen plus Satteldach („ähnlich wie bei den jüngsten Hütter-Neubauten an der Schollbrockstraße in Hervest“) vorgestellt worden.

Zunächst eine „massive Bebauung“ mit vier Gebäuden mit zusammen 24 Wohnungen zu je 70 Quadratmetern und 24 Parkplätzen. Inzwischen aber gibt es eine weitere, etwas aufgelockerte Option, die der Politik am Dienstag auch vorgestellt wird: drei Baukörper mit zusammen 21 Wohnungen, vier oberirdischen Stellplätzen oben und unten eine Tiefgarage mit 24 Wohneinheiten.

Planentwurf
So sehen die Pläne für das Grundstück aus. © Stadt Dorsten

Das letztere Konzept des Lembecker Architekturbüros Risthaus beinhaltet auch eine von der Verwaltung und der städtebaulichen Ratskommission geforderte Wiederbepflanzung des abgeräumten Grundstücks. Zudem hatte die Politik vorab gefordert, dass sich die vorgesehene Bebauung „harmonisch“ in die Nachbarbebauung einfügen solle.

Dass die vorgelegten Pläne dies tun werden, stellen die Anwohner aber in Abrede. „Das Bauvorhaben hat sich an die eingeschossigen Bungalows am Krusenweg und Krusenpad zu orientieren, denn die derzeitig geplante zweieinhalbgeschossige Bauweise ist unter möglicher Anwendung des Paragraphen 34 nicht zu rechtfertigen“, so Klaus Brokemper.

Hintergrund seines Einwandes ist, dass die Politik auch noch über das künftige Bauplanungs-Verfahren abstimmen wird - entweder über einen Bebauungsplan (dessen Beschluss im Vorjahr bekanntlich gefasst worden war) oder doch über eine sogenannte „Innenbereichsgenehmigung“ nach $ 34 des Baugesetzbuches, die lediglich einen städtebaulichen Vertrag mit dem Eigentümer vorsieht.

Die Anwohner befürchten, dass die Erschließung des Grundstücks zu schmal sei.
Die Anwohner befürchten, dass die Erschließung des Grundstücks zu schmal sei. © Michael Klein

Nach Angaben der Stadt hatte der Investor darum gebeten, auf einen Bebauungsplan zu verzichten, er sei „zu zeit- und kostenintensiv“ und würde deshalb die Pläne gefährden.

Im Gegenzug sei er bereit, die Mehrkosten bei der „Tiefgaragen-Variante“ zu tragen. Allerdings, und das gibt die Stadtverwaltung zu bedenken, sieht der städtebauliche Vertrag keine Bürgerbeteiligung vor.

Angesichts der umstrittenen Baumfällung-Vorgeschichte und der „emotional nachvollziehbaren Erwartungshaltung der Nachbarschaft“ schlägt die Stadt nun vor, dass die Bürger auch im Falle des § 34 sich in der gleichen Qualität und zwar auf einer Bürgerversammlung zu Wort melden können sollen. Der Investor sei damit einverstanden, so die Stadt.

Nachbarn waren entsetzt, als sie die Fällaktion vor einem Jahr bemerkten.
Nachbarn waren entsetzt, als sie die Fällaktion vor einem Jahr bemerkten. © Michael Klein

Heinrich Mussmann, Klaus Brokemper und zahlreiche weitere Anwohner wollen darüber hinaus aber bereits bei der Einwohnerfragestunde in der Ausschuss-Sitzung am Dienstag (19.9.) ihr Positionspapier vortragen. „Wir wollen damit bei der Politik zumindest Verständnis für unsere Bedenken wecken“, so Heinrich Mussmann.

„Erhöhter Parkdruck“

Und zu denen gehört auch, dass die Anwohner erhöhten „Parkdruck“ in ihren Wohngebieten befürchten („pro Wohneinheit sollten deshalb auf dem Grundstück zwei Stellplätze vorgesehen werden“). Zudem fordern sie neues „prägendes Grün“ auf dem Grundstück.

Und sie sind der Meinung, dass die Erschließung der neuen Wohnanlage nicht gesichert sei: Die geplante Zufahrt sei kaum mehr als fünf Meter breit, was zu Problemen beim Anlieger- und Zulieferverkehr führen könnte.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18. September 2023.

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