Unterwegs im Naturschutzgebiet 715 kg Müll und Schrott - „Man schämt sich schon als Anwohner“

715 Kg Müll und Schrott im Naturschutzgebiet: „Man schämt sich schon"
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Dreckige Gesichter gucken auf verschlammte Hosen und auf der Zunge liegt der bittere Geschmack von Erde – beim Treffen mit der Initiative „Müllfrei Dorsten" wird bereits nach wenigen Minuten deutlich, dass der Tag mit einer gründlichen, langen Dusche enden muss.

„Ein echtes Outdoor-Workout"

Neben dreckiger Kleidung machen sich auch Muskelpartien bemerkbar, die sonst eher im Verborgenen bleiben. „Ein echtes Outdoor-Workout eben“, sagt Franzi, eine der Teilnehmenden am letzten Samstag (18.2.). Wie sie ihr Wochenende verbringt, überrascht sie selbst: „Wenn mir vor Wochen jemand gesagt hätte, dass ich freiwillig Müll sammle und dann noch im Regen, dem hätte ich den Vogel gezeigt.“ Trotz der eigenen Ungläubigkeit hat sie sich mittags mit 13 anderen Helfern am Naturschutzgebiet am Hardtbergsee zusammengefunden.

Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung des Initiators Nils Huxoll verschwinden alle Beteiligten zwischen Büschen und Bäumen und suchen nach allem, was nicht in ein Naturschutzgebiet gehört. Die Hoffnung, nur einige Plastiktüten oder Taschentücher zu finden, zerschlägt sich schnell: Autoreifen, ein alter Staubsauger, Bauschutt, eine Camping-Toilette oder ein Bürostuhl sind die ersten Fundstücke nach rund einer halben Stunde.

Schon nach wenigen Minuten ist das Gesicht einiger Teilnehmer durch die Arbeit gezeichnet.
Schon nach wenigen Minuten ist das Gesicht einiger Teilnehmer durch die Arbeit gezeichnet. © Beat Linde

Wegen des Regens ist die Erde schlammig und glitschig geworden, einige Sammler rutschen aus oder fallen hin und trotzdem: Durch Äste, Laub und Sträucher sind angeregte Gespräche und viel Gelächter zu hören.

„Es macht einfach Spaß“, erklärt Philipp, „normalerweise trifft man sich mit Menschen vielleicht in der Kneipe und trinkt ein Bier, hier sind wir zusammen draußen und tun auch noch Gutes.“

Anwohner schämen sich

Spaß und ein gutes Gewissen sind aber nicht die einzigen Belohnungen: Oft laufen Anwohner mit ihrem Hund oder während eines Wochenend-Spaziergangs an den gesammelten Plastiksäcken und Schrotthaufen vorbei und staunen. Jürgen Kroll ist einer von ihnen, er bedankt sich ausdrücklich bei den Sammlern und ist fassungslos in Anbetracht der aufgesammelten Müllberge, die den Wegesrand säumen. „Eine Sauerei ist das einfach nur“, schimpft er, seine Frau pflichtet ihm bei und ergänzt: „Man schämt sich schon als Anwohner, auch wenn man selber nichts wegwirft.“

Eine Camping-Toilette, ein Autoreifen und eine Plane liegen mitten im Naturschutzgebiet.
Eine Camping-Toilette, ein Autoreifen und eine Plane liegen mitten im Naturschutzgebiet. © Beat Linde

Gespräche dieser Art sind für die Teilnehmenden wichtig. Müll zu sammeln, sei nämlich nur 50 Prozent der Arbeit, „die andere Hälfte besteht aus Öffentlichkeitsarbeit“. Deswegen wird der Müll auch nach jedem Gang gewogen, das erfordert Kraft und Zeit, aber es sei wichtig, damit Menschen bewusst werde, um welche Größenordnung es gehe, sagt Huxoll.

Am Hardtbergsee wurde 90 Minuten gesammelt und rund eine Stunde gewogen, das Ergebnis: 715 Kilogramm Schrott und Müll - bei einer Fläche von wenigen Hundert Quadratmetern. „Es ist schon absurd, was man teilweise findet", erklärt Pia, die auch im Orga-Team ist. Anfang Februar wurde beim Sammeln beispielsweise eine Pistole gefunden und immer wieder finden sich Verpackungen oder Dosen in der Natur, die dort wohl schon länger liegen als einige Teilnehmer auf der Welt sind.

Jürgen Kroll ist Anwohner am Hardtbergsee.
Jürgen Kroll ist Anwohner am Hardtbergsee und fassungslos in Anbetracht der Müllberge. Umso mehr freut er sich über die ehrenamtliche Aktion. © Beat Linde

Die Gespräche mit Passanten und die Posts der Müllberge bei Social Media zeigen Wirkung: Unterschiedliche Medien haben die Initiative bereits begleitet und die Mitglieder wurden auf die Stadtteilkonferenzen Feldmark, Holsterhausen und Hervest eingeladen. Auch an Bürgermeister Tobias Stockhoff ist das Engagement nicht spurlos vorbeigegangen. Er selbst ist bereits mit Huxoll zusammen losgezogen, hat Müll gesammelt und sich mit dem Umweltschützer ausgetauscht.

Bürgermeister ist beeindruckt

Anschließend zeigte sich Stockhoff angetan: „Ich bin schwer beeindruckt vom Engagement von Nils und den vielen Helferinnen und Helfern, die bei Müllfrei Dorsten oder auch bei den Besentagen mitwirken."

Über das Sammeln selbst spricht der Bürgermeister fast schon wie einer der Teilnehmenden der Initiative: „Nebenbei bemerkt: Die rund zwei Stunden sind wie im Flug vergangen. Denn Müllsammeln ist natürlich auch mit Gesprächen über Gott und die Welt verbunden und verbindet verschiedene Dinge miteinander: Bewegung an der frischen Luft und das gute Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun …"

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Müllfrei Dorsten will allerdings nicht nur die Entscheidungsträger von heute treffen, sondern künftig auch in den Dorstener Schulen Bildungsarbeit leisten. „Wenn ein Kind von heute versteht, dass Müll den Tieren in der Natur schadet, wird es vielleicht in einigen Jahren den Müll nicht einfach so wegwerfen", sagt Huxoll. Einladungen an drei Dorstener Grundschulen hat die Initiative schon bekommen.

Aufgrund des Wachstums sollen schon bald festere Strukturen etabliert werden. Für Huxoll bedeutet der aktuelle Erfolg viel Schreibtischarbeit : „Ich würde aber lieber Müll sammeln", sagt er und lacht.

Wie die Sammelaktion war, sehen Sie auf dorstenerzeitung.de

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