
© Stefan Diebäcker
Metzgermeister aus Dorsten wirbt als Fleischsommelier für den richtigen Genuss
Fleischsommelier
Josef Bellendorf weiß eine Menge über Fleisch. Doch bei der Fortbildung zum Fleischsommelier hat der Metzgermeister aus Dorsten „neue Einblicke bekommen“. Auch in die Barbecue-Szene.
An der bayerischen Fleischakademie in Augsburg ging es 14 Tage lang um Kulturgeschichte, um Domestizierung von Nutztierrassen, um Fütterung und Schlachtung natürlich. Josef Bellendorf war umgeben von Fleischermeistern, Küchenchefs und Menschen, die eine Grillschule betreiben. „Hochinteressante Leute“, sagt er, „die sich noch einmal neu mit ihrem Beruf auseinandersetzen wollten.“ Und die ihn genauso intensiv leben wie er selbst.

Auf seinem Lippe-Hof an der Grenze zu Schermbeck hält und züchtet der Metzgermeister Rinder. © Stefan Diebäcker
Josef Bellendorf hält und züchtet Rinder auf seinem Lippe-Hof an der Stadtgrenze zu Schermbeck, kauft aber auch Rinder aus der Region hinzu. Er lässt bei seinem Kollegen Andreas Schroer in Wulfen schlachten und zelebriert genau das, was „zeitgemäßer als jemals zuvor“ ist, wie er im Lehrgang erfuhr. Die Reifung am Knochen - „dry-age“, würde man heute eher sagen - „hat ja schon mein Großvater gemacht, vielleicht nicht ganz so perfektioniert“, sagt Bellendorf. „Das hat mir gezeigt, dass wir in der Vergangenheit nicht so viel falsch gemacht haben.“
1990 hat Josef Bellendorf seine Gesellenprüfung gemacht, drei Jahre später die Meisterprüfung, und ist dann in den elterlichen Betrieb eingestiegen. „Man ist schon ziemlich in seinem Tagesablauf gefangen“, gibt er zu. „Wenn man dann zwei Wochen mit 26 Kollegen verbringt, die sich ganz intensiv mit ihrem Beruf auseinandersetzen, gibt das noch mal ganz neue Einblicke.“
Klassisches Suppenfleisch schmeckt auch vom Grill
Wenn ein Kunde in seinen Filialen in der Dorstener Altstadt oder in Hervest mal nach einem „Flat Iron“ gefragt hat, machte der Metzgermeister gute Miene zum ahnungslosen Spiel. Klar, deutsche und amerikanische Rinder haben ja dasselbe Fleisch. „Aber bei uns in Westfalen ist das Fleisch aus dem Vorderviertel klassisches Suppenfleisch. Vom Grill kann das eigentlich nicht schmecken, dachte ich.“

Die Fortbildung zum Fleischsommelier hat Josef Bellendorf „neue Lust auf meinen Beruf gegeben“. © Stefan Diebäcker
Falsch gedacht. Richtige Barbecue-Liebhaber bereiten dieses Fleisch über zwölf Stunden zu und lassen dafür Kurzgebratenes wie Hüfte, Roastbeef und Filet liegen. „Solche Dinge von Profis und Grill-Bloggern zu erfahren, war hochinteressant und hat neue Lust auf meinen Beruf gemacht“, sagt der 47-Jährige. Weil er eben „viel mehr über die Nutzung des Fleischs“ erfahren hat.
Vorerst sind keine Verkostungen geplant
Der Metzgermeister aus Dorsten weiß jetzt, dass normalerweise kaum jemand einen Nierenzapfen grillen würde, ein „hanging tender“ aber unter Experten als Delikatesse gilt, wenn es lange genug gegart wird. Das „hängende Zarte“ gibt es bei jedem Rind, im Gegensatz etwa zum Filet, nur einmal. Josef Bellendorf ist nun „mehr im Thema, wenn Barbecue-Fans kommen“.
Anders als Wein-, Bier-, Feinbrand oder Käsesommeliers plant Josef Bellendorf aber vorerst keine Verkostungen auf seinem Hof oder in den Filialen. „Ich habe das im Hinterkopf“, sagt der Dorstener, „aber im Augenblick keine Zeit.“ Catering und Party-Service als weitere Standbeine des Familienbetriebs „fressen“ viel Energie, außerdem hat Josef Bellendorf kürzlich in Hünxe eine weitere Filiale übernommen, die vierte insgesamt. „Ich bin mit offenen Armen aufgenommen worden, weil dort sonst kein Metzger mehr gewesen wäre. Das hat mir noch mal Auftrieb gegeben.“

Drei Filialen betreibt Josef Bellendorf in Dorsten, zwei in der Altstadt und eine in Hervest. Kürzlich hat er eine weitere in Hünxe übernommen. © Stefan Diebäcker
Tatsächlich gibt es immer weniger Metzgerei-Betriebe in kleineren und größeren Städten, „aber nicht weniger Verkaufsstellen“, betont Josef Bellendorf. „Viele Kollegen haben Nachfolgerprobleme. Und wenn man sich auf das reine Fleisch- und Wurstgeschäft beschränkt und sich auf einen Preiskampf mit den Discountern einlässt, ist man zweiter Sieger.“ Als Fleischsommelier sieht der Dorstener nun die Möglichkeit, „dem Endprodukt die Wertigkeit zu geben, die es verdient“.
Und deshalb ist der Metzgermeister fassungslos, wenn bei einem Schützenfest die Bratwurst für 2 Euro und die Reibeplätzchen für 3 Euro verkauft werden. „Wo ist denn da die Wertigkeit?“, diskutiert er dann mit den Veranstaltern. „Das eine ist eine Kartoffel, für das andere sind Lebewesen gestorben.“
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
