Es war ein für sie äußerst erschütterndes Erlebnis, das Rammiya Gottschalk dazu brachte, aktiv zu werden. Als die psychologische Psychotherapeutin den nächsten Patienten auf ihrer ellenlangen Warteliste anrief, erreichte sie nur dessen Frau, die sagte, dass ihr Mann mittlerweile Suizid begannen habe.
„Danach habe ich erst einmal sehr lange nur an die Wand gestarrt und mich wahnsinnig hilflos gefühlt. Dann war mir klar, dass ich etwas tun muss“, erzählt die Dorstenerin.
Rammiya Gottschalk hat eine Praxis in Legden und arbeitet nebenberuflich im MVZ Glowania in Dorsten. Anfang 2024 wird sie ganz nach Dorsten gehen und dort einen Kassensitz übernehmen. Im Februar diesen Jahres startete sie eine Petition, um dem Gefühl der Hilflosigkeit etwas entgegenzusetzen und Patienten früher helfen zu können.
Eine Hauptforderung ihrer Petition ist es, mehr Kassensitze für Psychotherapeuten zu schaffen. „Ein Gutachten hat 2019 herausgefunden, dass es in Deutschland rund 2.400 neue Kassensitze für Therapeuten braucht. Seitdem wurden 800 eingerichtet - das ist einfach viel zu wenig“, sagt Rammiya Gottschalk. Besonders die vielen langanhaltenden Krisen (Corona, Inflation, Ukraine-Krieg) sorgten für eine steigende Anzahl an psychisch kranken Menschen.
Lange Wartezeiten
In ihrer eigenen Praxis betrage die Wartezeit für einen Therapieplatz ein bis zwei Jahre - in anderen Praxen sei das nicht anders. „Natürlich gibt es viele Angebote, die man selbst bezahlen muss, aber das können sich doch die wenigsten leisten. Psychotherapie muss aber für alle zugänglich sein“, so die Dorstenerin. Es bestehe zudem die Gefahr, dass psychisch schwer kranke Menschen sich in ihrer Not an Heilpraktiker oder Coaches wenden würden und es dort zu gravierenden Fehlbehandlungen kommen könnte.
Neben der Forderung nach mehr Kassensitzen, geht es der Therapeutin jedoch auch um eine Reform der Kassensitzvergabe. Dabei geht es ihr vor allem um das abrechenbare Stundenkontingent pro Kassensitz (z.B. 60 Wochenstunden bei einem vollen Kassensitz), das von einem einzelnen Therapeuten kaum schaffbar sei. „Dadurch werden Kapazitäten nicht genutzt, die eigentlich da sind und die vielleicht von Kollegen - beispielsweise ohne Kassensitz - übernommen werden könnten“, so Gottschalk.
Auftritt im Fernsehen
Mit ihren Forderungen trifft die Dorstenerin anscheinend einen Nerv, denn seit Februar hat sie bereits über 90.000 Unterschriften gesammelt und ihr Anliegen in der NDR-Sendung „DAS!“ vorgestellt. Kritik an ihrer Petition habe es bislang nur von Heilpraktikern gegeben, die sich diskriminiert fühlen.
Gottschalks ganz persönliches Ziel sind 100.000 Unterschriften. „Die möchte ich dann persönlich an Gesundheitsminister Karl Lauterbach übergeben. Der hat von Psychotherapie keine Ahnung, aber ich berate ihn gerne“, sagt sie.
- Die Petition unterzeichnet werden kann unter https://weact.campact.de/petitions/fur-mehr-psychotherapieplatze-und-weniger-leidensdruck.
- Rammiya Gottschalk ist zudem unter dem Namen „Frau Psychologin“ sehr aktiv bei TikTok und informiert dort über psychische Erkrankungen.
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