Medizinische Versorgungszentren Arzt aus Dorsten ist ein echter MVZ-Pionier

Medizinische Versorgungszentren: Alfred Glowania ist ein MVZ-Pionier
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Eben noch meine Hausarztpraxis und plötzlich Teil eines Medizinisches Versorgungszentrums (MVZ)? Immer mehr Patienten haben gerade das Gefühl, dass MVZ wie Pilze aus dem Boden sprießen. Dabei handelt es sich gar nicht um eine neue Erfindung, sondern um eine bereits 2003 von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ins Gesetz geschriebene Einrichtung zur ambulanten medizinischen Versorgung.

Während MVZ in vielen Städten zunächst auf sich warten ließen, bekam Dorsten schon 2004 sein erstes Exemplar - und zog damit sogar die wohlwollende Aufmerksamkeit der Bundesministerin auf sich.

Der Hausarzt und Internist Alfred Glowania ist sozusagen „Pionier“ der MVZ. Mit seiner Frau, der Augenärztin Dr. Elisabeth Lorens-Glowania sorgte er sich schon früh um die ambulante Versorgung der Dorstener Patienten und Patientinnen. Warum sie dafür die Form des MVZ wählten, erläutert der Mediziner in einem Gespräch mit der Redaktion.

Viele Fachrichtungen

20 Jahre nach der Premiere haben die Glowanias inzwischen mehrere MVZ gegründet. Mit 40 angestellten Ärzten und Ärztinnen und 300 Mitarbeitenden zählen sie zu den größten Arbeitgebern in Dorsten. Fachärzte für Allgemeinmedizin, Augenheilkunde, Frauenheilkunde, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie arbeiten unter dem Dach dieser MVZ in Dorsten und Umgebung.

Ernährungs- und Diabetesberatung ergänzen das Angebot der diabetologischen Schwerpunktpraxis, in Dinslaken soll demnächst eine ergotherapeutische Praxis eröffnet werden. Physiotherapie und das Pflegeteam Medicus runden das Versorgungs-Angebot von Alfred Glowania und seiner Frau ab.

Ärztehaus Borkener Straße 188
Das Ärztehaus in Holsterhausen haben die Glowanias im Jahr 2000 gebaut. © Petra Bekenbusch

„Unser Anliegen war und ist stets die bestmögliche ambulante, wohnortnahe Versorgung von Patienten“, erklärt Glowania. „Wir sind davon überzeugt, dass viele Synergieeffekte Ärzte von organisatorischen Aufgaben entlasten und sie so mehr Zeit für ihre Patienten haben.“

Das MVZ, erklärt Geschäftsführer Timo Welling, übernehme eine Menge Hintergrundarbeit: „Um den Einkauf von Praxisbedarf, um Steuererklärungen, Abrechnungen und Bürokram müssen sich die einzelnen Praxen nicht kümmern, das wird zentral erledigt.“

Es gibt sogar einen eigenen EDV-Techniker. Das ist vor allem reizvoll für junge Mediziner, die den Schritt in die Selbstständigkeit oft nicht nur wegen des finanziellen Risikos, sondern auch wegen des hohen Arbeitsaufwandes jenseits vom Patientenkontakt scheuen. Glowania: „Gerade bei jungen Ärztinnen kommt oftmals der Wunsch nach Teilzeit hinzu. Das lässt sich im Angestelltenverhältnis alles einrichten, wäre in der Selbstständigkeit dagegen schwierig zu realisieren.“

Work-Life-Balance und Nachwuchs-Frage

Während beim Ärztenachwuchs also die Work-Life-Balance eine Rolle spielt, ist es bei älteren Medizinern oft die ungelöste Nachwuchs-Frage, die zu der Entscheidung führt, sich einem MVZ anzuschließen, von dort aus in die Rente zu starten und den Praxis-Standort für die Patienten zu erhalten.

Ein gängiges Modell sei die Übernahme eines Arztsitzes, wobei der Arzt auf die Zulassung verzichtet zugunsten einer Anstellung. Drei Jahre muss er dann noch beim MVZ bleiben, wobei er seine Arbeitszeit sukzessive reduzieren kann. Der Arztsitz geht dann ans MVZ über.

Alfred Glowania ist es wichtig, dass alle MVZ-Ärzte das Gefühl haben, in einer eigenen Praxis zu arbeiten. „Die Praxen arbeiten ganz individuell, das MVZ begleitet sie unterstützend.“

Die Gesellschafter seien in ärztlichen Belangen nicht weisungsbefugt gegenüber den Ärzten, lediglich in arbeitsrechtlichen Fragen.

Vertrauen ist alles

Alfred Glowania ist davon überzeugt, dass Patienten in Dorsten von den MVZ profitieren. „Patienten sollen sich den passenden Arzt ihres Vertrauens aussuchen“, ist seine Philosophie, „ob in MVZ oder Einzelpraxis, das kann ihnen egal sein.“

In Dorsten betreibt auch die Krankenhausgesellschaft KERN ein ambulantes Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxen für Allgemeinmedizin, Chirurgie und Unfallchirurgie, Nuklearmedizin und Orthopädie.

„Auch Kommunen dürften MVZ gründen“, erklärt Alfred Glowania. „In ländlichen Räumen, wo der Ärztemangel besonders eklatant ist und immer mehr Praxen schließen, wird das sogar schon praktiziert, weil sich angestellte Ärzte heutzutage leichter finden lassen als Existenzgründer.“

Kritik an Finanzinvestoren

Einen kritischen Blick hat Alfred Glowania auf Finanzinvestoren als MVZ-Gründer: „Wenn die Rendite im Mittelpunkt steht, gerät der Patient möglicherweise ins Hintertreffen.“

Timo Welling ergänzt: „Weil das Gesetz vorschreibt, dass nur zugelassene Ärzte, Krankenhäuser und Kommunen MVZ gründen dürfen, übernehmen Kapitalgeber mit Geld aus den USA oder der Schweiz zum Beispiel gern auch mal ein kleines Krankenhaus in Existenznot und schaffen sich damit die rechtlichen Voraussetzungen zur Gründung eines MVZ.“

Hintergründe, die für Patienten kaum zu durchschauen seien.

Da taucht dann schon mal der Verdacht auf, dass Gewinnmaximierung und die höchstmögliche Verzinsung des Kapitals einen höheren Stellenwert haben als ethische Verpflichtung und Patienten womöglich nicht die bestmögliche, sondern die am besten vergütete oder gar überflüssige Behandlungen erhalten.

Deshalb rät Alfred Glowania Patienten dazu, sich auf ihr Gefühl zu verlassen und das Vertrauen zu ihrem Arzt oder ihrer Ärztin als wichtigste Entscheidungshilfe zu nutzen: „Das zählt einfach am meisten.“