Lockdown zu light? Die Corona-Bilanz für den November

© Claudia Engel

Lockdown zu light? Die Corona-Bilanz für den November

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Teilweiser Lockdown bis in den Januar hinein: Das zeigt schon, dass der „Lockdown light“ nicht die gewünschten Resultate gebracht hat - auch nicht in Dorsten und im Kreis Recklinghausen.

Dorsten

, 04.12.2020, 04:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der „Lockdown light“ hat im November nicht die erhofften Resultate gebracht. „Wir alle - nicht nur in Dorsten, sondern im ganzen Land - hatten uns wohl erhofft, dass die Zahl der Neuinfektionen schneller sinkt“, sagt Dorstens Erste Beigeordnete Nina Laubenthal. Dass die Beschränkungen nun verlängert werden müssen, zeige, „wie dynamisch sich dieses Virus verbreitet und wie unberechenbar die Pandemie nach wie vor ist“.

Die Zahlen

Die sehen erst mal ernüchternd aus. Am 1. November wies das Landeszentrum Gesundheit NRW (LGZ NRW) für den Kreis Recklinghausen eine Wocheninzidenz von 147,3 aus. Am 30. November war der Wert quasi identisch (147,5). Als Grenzwert für Lockerungen gilt nach wie vor 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage. Die beim LGZ ausgewiesenen Daten sind maßgeblich für etwaige Lockerungen.

Aktueller sind die des Kreisgesundheitsamts. Und gerade an Wochenenden muss priorisiert werden. „Da geht die Nachverfolgung vor“, sagt Kreissprecherin Lena Heimers. Das Wochenend-Team im Gesundheitsamt versucht in reduzierter Besetzung, möglichst viele positiv Getestete zu erreichen, anstatt so viele Fälle wie möglich ins System einzuspeisen. Diese Fälle werden nachgemeldet und mit etwas Verzögerung gleicht sich der Wert beim LGZ an. Die Inzidenzdaten vom Gesundheitsamt: 204,4 am 1. November und 168,5 am 30. November.

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Die Zahl der aktiven bestätigten Fälle hat Dorsten zwischen dem 1. und 30. November um 32 Prozent drücken können. Kreisweit ging die Zahl der aktuell Infizierten im selben Zeitraum um 21 Prozent zurück. „Dass die Zahlen in Dorsten etwas stärker gesunken sind als im Kreis, spiegelt das langfristige Infektionsgeschehen“, sagt Nina Laubenthal. „Landgemeinden und Flächenstädte scheinen die Pandemie insgesamt besser beherrschen zu können.“

Weil durch einzelne Ereignisse immer wieder Regionen zu Hotspots werden wie zuletzt die Stadt Datteln, dürfe man sich nicht in „trügerischer Sicherheit“ wiegen, so Laubenthal. Auch Lena Heimers betont, dass die Zahlen „immer noch wirklich sehr hoch“ seien und appelliert, Vorgaben wie Kontaktbeschränkung und AHAL-Regeln einzuhalten und an den Feiertagen Vernunft walten zu lassen.

Die Kontrollen

Der Einstieg in den Lockdown light habe in Dorsten reibungslos geklappt, sagt Ordnungsamtsleiter Christoph Fortmann. „Wir haben keine unzulässigen Öffnungen irgendwelcher Einrichtungen festgestellt.“ Insgesamt 13 Bußgeldverfahren hat das Dorstener Ordnungsamt im November wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung eingeleitet, vier davon bei der „Querdenker“-Kundgebung am vergangenen Wochenende. Verstärkt kontrolliert wurde an Bushaltestellen und in der Innenstadt. Besondere Problemzonen habe es in der Stadt nicht gegeben.

Die Ansteckungsorte

„Es ist immer noch so, dass das Gros der Ansteckungen im privaten Bereich passiert“, sagt Lena Heimers. Aber das Gesundheitsamt beobachtet auch Häufungen in Schulen und Kitas, Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen.

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Was aber nicht darauf zurückzuführen ist, dass in diesen Einrichtungen nachlässig gehandelt wird. „Der Schwerpunkt liegt definitiv bei Ansteckungen im privaten Bereich, die dann in diese sensibleren Bereiche eingetragen werden.“

Die Kontaktnachverfolgung

180 Personen inklusive Bundeswehr-Soldaten kümmern sich aktuell im Kreisgesundheitsamt um die Kontaktverfolgung. Im August waren es noch um die 70 und im März noch einmal viel weniger. „Mit den hohen Zahlen ist es auch für 180 Personen immer noch ein sehr, sehr hohes Arbeitsaufkommen“, sagt Heimers. „Wobei wir schon merken, dass es sich verringert.“

Im April hätten Infizierte oft nur eine Handvoll Kontaktpersonen angegeben, zuletzt habe es Fälle mit bis zu 100 Kontaktpersonen gegeben. „Wenn nur eine dieser 100 Personen eine andere ansteckt, resultieren daraus wieder neue Kontaktpersonen“, so Heimers. „Das ist ein Schneeballsystem.“ Anfangs habe es immer geheißen, innerhalb von zwei Wochen müsse man merken, ob Maßnahmen funktionieren. „Durch die hohen Zahlen würde ich diesen Zeitraum sogar noch länger denken.“

Die Todesfälle

Die Zahl der Todesfälle im Kreis Recklinghausen im Zusammenhang mit dem Coronavirus steigt aktuell sehr stark. Sie ist bald dreimal so hoch wie noch Ende Oktober. Das sei definitiv auffällig, sagt Lena Heimers. Besonders gefährdet sind, das ist nicht neu, ältere Personen mit Vorerkrankungen: 110 der 131 Menschen, die kreisweit an oder mit dem Coronavirus gestorben sind, waren 70 Jahre oder älter (Stand 3.12.).

Die durchschnittliche Zeit, die Covid-19-Patienten in den Kliniken im Kreis Recklinghausen auf Intensivstationen verbringen - und dabei meist auch beatmet werden - liegt bei 21 Tagen. Die Menschen, die aktuell sterben, sind also nicht diejenigen, die sich gestern angesteckt haben.

Die Akzeptanz

„Nach unserem Erleben werden die Maßnahmen insofern akzeptiert, als dass sie von einer übergroßen Mehrheit mit Verstand und Solidarität zuverlässig eingehalten werden“, sagt Bürgermeister Tobias Stockhoff. Die Kontaktbeschränkungen seien, verglichen mit dem Frühjahr, aber auch weniger rigoros und durch die Unterscheidung zwischen notwendigen und nicht notwendigen Kontakten gebe es viele Bereiche, in denen Menschen ihr Leben mit „wenigen, allenfalls als lästig empfundenen Einschränkungen“ weiterleben könnten.

Man müsse aber auch diejenigen im Blick behalten, die der Lockdown wirtschaftlich hart trifft. Viele von denen, die wirklich unter den Maßnahmen leiden, würden deren Notwendigkeit aber nicht grundsätzlich infrage stellen, so Stockhoff. „Das würde ja auch nichts ändern: Solange wir nicht auf Infektionsschutz durch Impfungen hoffen dürfen, werden wir diese Pandemie und ihre Beeinträchtigungen für unsere Gesellschaft gemeinsam durchstehen müssen.“

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