„Arche-Noah-Projekt“ gegen die Artenarmut
Neue Initiative
Viele heimische Pflanzen sind gefährdet. Der Kreis Recklinghausen und die Biologische Station fördern mit einer ungewöhnlichen Aktion die Artenvielfalt: Eine Saatgut-Sammelmaschine soll helfen.

Martin Kaspers von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Recklinghausen demonstriert auf einer Wiese in Haltern die neue Saatgut-Sammelmaschine. © Kreis Recklinghausen
Sie werden immer seltener: Pflanzen wie die Wiesenmargerite, Heide-Nelke und Sumpf-Schafgarbe finden sich kaum noch im Kreis Recklinghausen. Viele heimische Pflanzen sind stark gefährdet. Jetzt sollen die bedrohten Arten mit Hilfe einer neuen Saatgut-Sammelmaschine wieder vermehrt werden.
Die Idee der Initiative vom Kreis Recklinghausen und der Biologischen Station in Dorsten ist es, mit einer Maschine die reifen Samen von Blühpflanzen abzusammeln und später auf anderen Flächen auszusäen. Die Premiere hatte das 20.000 Euro teure Gerät in diesem Sommer: „Der ,Seedprofi 2.0‘ erinnert ein wenig an eine Kehrmaschine. Er geht in einer bestimmten Höhe über die Pflanzen, fegt die Samen ab, die dann in dem angeschraubten Kasten landen“, erläutert Georg Tenger von der Biologischen Station den Ablauf. Auf diesem Weg sind bereits drei Mal 25 Kilogramm Samen in der Biostation gelandet. Hier werden sie in kleine Fässer gefüllt, getrocknet und schließlich im Herbst oder kommenden Frühjahr auf Kreisflächen aufgebracht. „Dabei wird zum Beispiel eine Wiese, die nur mit Ackergras bewachsen ist, umgepflügt und dort wird dann neu ausgesät. So versuchen wir, die Restbestände seltener Pflanzen, die es noch gibt, zu vermehren“, sagt Georg Tenger.
Gräser setzen sich durch, Wildblumen verschwinden
Damit wird einer bedenklichen Tendenz entgegengewirkt: Im Kreis Recklinghausen gibt es nur noch wenige klassische Wiesen, die länger ungemäht bleiben und so Lebensraum für verschiedene Pflanzen und Insekten bieten. Und werden Flächen zum Beispiel viel gedüngt und häufig gemäht, setzen sich hier Gräser durch, Wildblumen hingegen verschwinden.
Frühere Allerweltsarten sind heute selten
Georg Tenger hält die Aktion für einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zur Förderung des Artenreichtums. „Hier geht es um viele verschiedene Pflanzen. Korn- und Mohnblumen zum Beispiel waren früher Allerweltsarten, sind heute aber selten. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Pflanzen, indirekt aber auch die Insekten und deren Vielfalt. Und der Insektenbestand ist wiederum wichtig für andere Tiere wie Vögel oder Fledermäuse.“ Der Leiter der Biologischen Station fasst zusammen: „So ist das Saatgut-Sammeln ein kleines Puzzlestück zur Erhaltung des großen Kreislaufs.“ Georg Tenger ist sowohl über die Kooperation mit dem Kreis, als auch über die erst vor kurzer Zeit entwickelte Maschine froh. „Es ist gut, dass Menschen auf die findige Idee von ,Seedprofi 2.0‘ gekommen sind. So haben wir eine direkte Möglichkeit, gegen die wachsende Artenarmut anzugehen.“
„Wir müssen jetzt handeln“
Karl Malden von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Recklinghausen betont: „Wir müssen jetzt handeln, sonst sind in zehn Jahren keine artenreichen Flächen mehr vorhanden.“ Daher hat der Kreis auch eine Ausweitung der Saatgut-Sammelaktion geplant: Bis zum Jahr 2025 soll auf 30 Hektar, bis Ende des Jahrzehnts auf 50 Hektar mehr Artenvielfalt geschaffen werden. Karl Malden: „Das ist unser persönliches Arche-Noah-Projekt.“