Hexenjagd und Sterneküche - auf Nachwächtertour mit Lisbeth
Stadtführung einmal anders - Mit Video
Genickbruch, Hexen, Pest - Reichtum, Hansestadt, Sterneküche: Die Stadt Dorsten hat eine bewegte Geschichte. Auf einer Nachtwächtertour mit Lisbeth können Besucher all dies noch einmal erleben.

Neben den Resten der Stadtmauern erinnert Lisbeth an die Pest- und Hexenverfolgungszeit. © Randolf Leyk
„Wir freuen uns, Menschen dieses Angebot machen zu können. Bisher erfreut es sich bei Dorstenern genauso wie bei auswärtigen Gästen großer Beliebtheit“, sagt Bürgermeister Tobias Stockhoff. Bis zu 50 Teilnehmer hatte Lisbeth bereits auf ihren Touren. Diesmal sind es 20. Mit dabei ist auch Eileen Wenning aus Dorsten, die nicht nur selbst teilnimmt, sondern ihrer Familie (Eltern und Cousine) die Tour zu Weihnachten schenkte: „Ich bin über Facebook darauf aufmerksam geworden. Das Angebot klang super interessant. Und so sind wir hier nun mit einer großen Gruppe samt meines Patenkindes dabei.“ „Eine tolle Idee. Wir haben uns schon Tage vorher darauf gefreut“, so Mutter Elke.
Pünktlich zum Glockengeläut der St.-Agatha-Kirche in der Innenstadt ruft Lisbeth denn auch zum eineinhalbstündigen Rundgang. Unterwegs gibt es viel Wissenswertes und Geheimnisvolles zu hören. Wer weiß zum Beispiel, dass Dorsten einst der Reichs- und Hansestadt Dortmund zugeordnet war und mit rund 1800 Einwohnern im späten Mittelalter zu den großen Städten der Region gehörte?
Papst Alexander VII lernte Dorsten kennen
Oder, dass den päpstlichen Nuntius der Weg zu den Verhandlungen des Westfälischen Friedens in Münster über Dorsten führte. Später wurde er übrigens als Papst Alexander VII bekannt. Bekannt ist auch das Spikerhaus. Nicht nur bekannt, sondern beliebt war das heute denkmalgeschützte, ehemalige Speicherhaus vor allem bei beim Stift Xanten und dem Kurfürstentum Köln. Denn hier mussten die Bauern ihre Steuern in Form von Naturalien abgeben.

Auch am Spikerhaus geht es bei der Nachwächtertour vorbei, wo einst die Steuern abgeliefert werden mussten.
Weiter geht es vorbei an alten und neuen Gräben und Wällen zum Ursulinenkloster mitten in der Innenstadt, dessen Gründung aufs Jahr 1699 zurückgeht. Maria Lucia und Maria Victoria, geborene Gräfinnen von Nesselrode-Reichenstein, kamen einst mit zwei weiteren Schwestern der Kölner Ursulinen nach Dorsten und gründeten das Kloster. Der Ursulinenorden, der sich der Erziehung und dem Unterricht junger Mädchen und Frauen verschrieben hatte, entstand im Jahr 1535 in Italien.
Die Gruppe hat Glück. Das Tor ist nicht verschlossen, so dass Lisbeth tiefer als üblich in die historische Materie eintauchen kann. Und wie von Gottes Hand geführt, taucht aus dem Dunkeln Schwester Benedikta auf, eine der hier lebenden Ursulinen.

Nachwächter(in) Lisbeth vor dem Dorstener Traditionshaus "Goldener Anker" während der Tour. © Randolf Leyk
Nur wenige Meter entfernt liegt der Goldene Anker, das Elternhaus und Restaurant von Sternekoch Björn Freitag. Bevor die Ahnen des Kochs als erfolgreiche Gastronomen sich einen Namen machten, waren sie wie viele andere Dorstener im Bootsbau tätig. Schließlich gab es seinerzeit den Kanal noch nicht, die Lippe war der einzige Wasserweg. Zudem unterhielt Dorsten die einzige Lippebrücke zwischen Haltern und Wesel - ein lukratives Geschäft im Angesicht von Schiffszöllen und Brückengeld.
Mauer mit 20 Wehrtürmen
Ein wenig düsterer wird es bei den Resten der Dorstener Stadtmauer, die 1260 ringförmig fertiggestellt worden war. Drei Stadttore hatte es seinerzeit gegeben (Lippetor, Essener Tor und Recklinghäuser Tor). Nach der Zerstörung durch den Grafen von Kleve im Jahr 1301 errichteten de Bürger schließlich eine Mauer mit 20 Wehrtürmen.
Doch Lisbeth lässt auch noch einmal die Zeiten der Pest lebendig werden, als unzählige Menschen von der Lungenpest dahingerafft wurden, während die Beulenpest immerhin noch eine Überlebenschance bot.
Düstere Geschichte zur Zeit der Hexenverfolgung
Nicht weniger dunkel ist die Erinnerung an die Hexenverfolgung in Dorsten. „So musste beispielsweise die damals angesehene Margareta Burich zur Wasserprobe in den Lembecker Gräfte, weil sie der Hexerei bezichtigt wurde“, weiß Lisbeth. Mit Hilfe des Henkers überlebte sie diese Probe, doch starb die Bürgermeisterwitwe 1588 auf der Folterbank. „Um die Todesursache zu vertuschen, brach man Margareta das Genick. Verantwortlich gemacht dafür wurde jedoch der Teufel“, Dorstens Nachtwächterin ist in ihrem Element.
Seit rund 30 Jahren ist Dorsten für Petra Eißing ihr Zuhause. In den Herbst- Winter- und teils Frühlingsmonaten tauscht sie ihr privates Leben mit der Nachtwächterin Lisbeth, die gemeinsam mit interessierten Besuchern in die Historie der Stadt abtaucht.
Bis zur nächsten Tour zurück ins bürgerliche Leben
Wegen der noch andauernden Corona-Lage wird aktuell übrigens auf den organisierten Umtrunk oder Nachtwächterschmaus im Alten Rathaus verzichtet. Doch natürlich darf der Abend individuell in einem der zahlreichen Kneipen, Cafés oder Restaurants ausklingen. Für Lisbeth geht es jedoch wieder nach Hause, zurück ins bürgerliche Leben - bis zur nächsten Nachwächtertour...