
© Marie Rademacher (A)
Für einen Pfarrer aus Dorsten ist selbst der Papst nicht „heilig“
Katholische Kirche
Nach seinem Brandbrief an Papst Franziskus bekommt ein Journalist auch Unterstützung von Pfarrern aus Dorsten. Einer sagt jedoch: „Der Papst ist mit der Rettung der deutschen Kirche überfordert.“
Die Gläubigen verlassen nach mehreren Missbrauchsskandalen und fehlender Bereitschaft zu Einsicht und Veränderung in Scharen die katholische Kirche. In Dorsten hat es allein in diesem Jahr schon über 70 Austritte gegeben. Geistliche aus dem hiesigen Dekanat Dorsten sehen die Entwicklung mit Sorge, beinahe schon verzweifelt, und sind dem Dortmunder Journalisten Ulrich Breulmann dankbar für seinen Brandbrief an Papst Franziskus.
„Die immer neuen Enthüllungen der vergangenen Jahre über sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester, Ordensleute und andere seelsorgliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben uns zutiefst erschüttert“, schreibt Ulrich Breulmann, selbst gläubiger Katholik. „Mindestens ebenso wie die abscheulichen, widerwärtigen Taten selbst macht uns dabei der Umgang der Verantwortlichen in unserer Kirche mit ihnen fassungslos.“
Das kann Dechant Dr. Stephan Rüdiger nur unterstreichen: „Nicht nur der schändliche Missbrauch, nein, auch die Verdrängung, Verheimlichung und Vertuschung durch Verantwortungsträger macht einfach nur sprachlos.“ Sich dann in Spitzfindigkeiten zu verlieren, was genau und was noch nicht „Missbrauch“ und „sexualisierte Gewalt“ ist, klinge nach zynischem Hohn.
„Wenn ein Pfarrer Mist baut, wird er abgesägt“
Breulmanns Forderung an Franziskus, die deutschen Bischöfe abzuberufen und diejenigen im Amt zu lassen, die integer sind und bereit zu Reformen, hält Stephan Rüdiger für vollkommen richtig. „Wenn ein Pfarrer Mist baut, wird er gnadenlos vom Bischof abgesägt und entlassen. Wenn ein Bischof Mist baut, sollte der Papst ihn absägen und entlassen. Dass Woelki zurückkommen will, ist eine Katastrophe. Dass Marx noch im Amt ist, bleibt völlig unverständlich!“
Doch ob der Papst die katholische Kirche in Deutschland wirklich retten kann? August Hüsing, Pfarrer von St. Paulus, glaubt das nicht. „Das ist eine Überforderung. Vielleicht kann er dabei mithelfen, durch geeignete Maßnahmen und eine gute Personalpolitik.“
Ulrich Breulmann schreibt in seinem Brandbrief auch: „Wenn die Würdenträger in der Kirche mit ,Eure Heiligkeit‘ angesprochen werden wollen, verrät das sehr anschaulich, was in unserer Kirche schief gelaufen ist und noch immer schief läuft.“ Das sieht August Hüsing genauso: „Heilig“ sei ein Begriff, der letztlich nur Gott zustehe. Darum sei die Anrede „Eure Heiligkeit, heiliger Vater“ nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern „für mich unangebracht und falsch“.
Veränderungen gab es immer, doch nie waren sie so gravierend. Und nie so spannend. Die Digitalisierung ist für mich auch eine Chance. Meine journalistischen Grundsätze gelten weiterhin, mein Bauchgefühl bleibt wichtig, aber ich weiß nun, ob es mich nicht trügt. Das sagen mir Datenanalysten. Ich berichte also über das, was Menschen wirklich bewegt.
