
© Julian Schäptertöns
Erleichtert und doch angsterfüllt: Geflüchtete wurden an Grenze getrennt (mit Video)
Ukraine-Krieg
Eine Dorstener Lehrerin hat Verwandte aus der Ukraine am Donnerstagabend in Hervest in die Arme schließen können. Vorausgegangen waren angstvolle Tage. Die sind noch nicht zu Ende.
Svitlana Sabadash ist erleichtert, dass es ihren Angehörigen gelungen ist, aus Kiew zu flüchten und sicher in Dorsten anzukommen. Und doch sind ihre Schwägerin und deren Kinder in großer Sorge: Um den Vater und Mann, der die Ukraine aufgrund der Wehrpflicht nicht verlassen durfte. Und um eine erwachsene Tochter und deren zwei Kinder. „Sie stecken irgendwo an der Grenze fest, vermutlich in Polen“, sagt Sabadash. Niemand wisse Genaueres. Ihre Schwägerin habe aber gesagt, dass sie Dorsten auf jeden Fall wieder verlassen werde, wenn die Tochter in einer anderen deutschen Stadt unterkommt. „Sie wollen zusammen sein.“

Svitlana Sabadash hat die Unterbringung ihrer Angehörigen in Dorsten mit der Stadt organisiert. © privat
Vor der Ankunft der Familie hat Svitlana Sabadash alles veranlasst, damit sie in Dorsten eine annehmbare Bleibe haben. Die Stadt stellte in Hervest eine Wohnung zur Verfügung: „Hier haben sie am Abend alles vorgefunden, mussten nur noch ihre Betten frisch beziehen und konnten sich dann endlich ausruhen“, erzählt Sabadash. Alle seien todmüde gewesen nach der viertägigen Reise von Ost- nach Westeuropa.
Gute Aufnahme und Versorgung in Polen
Die Schwägerin habe erzählt, dass die Behandlung und Aufnahme in Polen „sehr gut“ gewesen sei. „Es standen Lebensmittel zur Verfügung. Ärzte und Medikamente auch.“ Allerdings habe natürlich dichtes Gedränge geherrscht, viele Geflüchtete seien sehr aufgewühlt oder aufgebracht gewesen. Nicht alle, die im Grenzgebiet angekommen sind, wollen weiterreisen, erzählt Sabadash: „Sie möchten in unmittelbarer Nähe ihrer Heimat ausharren und meinen, dass der Krieg in wenigen Tagen wieder vorbei ist und sie in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren können.“

Svitlana Sabadash hat die Geflüchteten am Donnerstagabend in Hervest empfangen und bei sich aufgenommen. Ein Teil der Gruppe ist in einer Wohnung der Stadt untergekommen. © Julian Schäpertöns
Diese Vorstellung hält die Geflüchteten wohl auch aufrecht. Auch die Dorstener Neuankömmlinge hegen diese Gedankengänge. Der neunjährige Sohn ihrer Schwägerin habe bei seiner Ankunft zunächst kein Wort verloren. „Heute Morgen hat er erzählt, dass sie ja bald wieder nach Hause fahren.“ Die 13-jährige Tochter sei in Tränen aufgelöst gewesen. „Sie will unbedingt wieder heim, sie möchte ihre Freunde treffen und ihre gewohnte Lebensumgebung zurück“, sagt Sabadash.
Alle stünden noch sichtbar unter den schockierenden Eindrücken des Krieges und der Flucht. „Meine Schwägerin sagte mir, dass sie sich in Dorsten nicht registrieren lassen müsse, weil sie das Geld gar nicht brauchen“, nennt Sabadash ein Beispiel dafür, dass ihre Angehörigen an eine schnelle Rückkehr in ihre Heimat glauben. Diesen Glauben will Svitlana Sabadash ihnen nicht nehmen.
Ihre Mutter wird trotz ihrer Bitten weiter in Kiew ausharren. „Sie hat dort ihre Freunde und Verwandten und weigert sich hartnäckig, zu gehen, komme was wolle.“ Die eingerichteten Fluchtkorridore für Ausreisewillige seien vielen egal.
Seit 20 Jahren als Lokalredakteurin in Dorsten tätig. Immer ein offenes Ohr für die Menschen in dieser Stadt, die nicht meine Geburtsstadt ist. Das ist Essen. Ehefrau, dreifache Mutter, zweifache Oma. Konfliktfähig und meinungsfreudig. Wichtige Kriterien für meine Arbeit als Lokalreporterin. Das kommt nicht immer gut an. Muss es auch nicht. Die Leser und ihre Anliegen sind mir wichtig.
