
Generationen von Kundinnen und Kunden haben Franco Mulé aus Dorsten und sein Eis geliebt. © Julian Preuß
„Arrivederci!“ - Eismann Franco Mulé (69) dreht Abschiedstour durch Dorsten
Eis
Nach rund 30 Jahren lässt Franco Mulé seinen Eiswagen stehen. Doch vorher dreht er am Tag der Deutschen Einheit noch eine Abschiedstour. An vier Standorten wartet er mit kostenlosem Eis.
Gut gelaunt steht Franco Mulé am Donnerstagmittag (29.9.) am Fenster seines Eiswagens. Gekonnt hält er mehrere Waffelhörnchen in der einen Hand. Mit der anderen Hand taucht er den Eislöffel tief in die Kühltruhe ein und formt so eine Kugel. Die landet mit einer schnellen Bewegung auf dem Hörnchen. Fertig ist das Schoko-Eis. Der 69-Jährige reicht es nach draußen und blickt in freudige Kinderaugen. Fast 100 Mal macht er das. So lange, bis jede Schülerin, jeder Schüler und jede Lehrkraft der Haldenwangschule in Dorsten ein Eis in der Hand hält - bezahlt vom Förderkreis der Schule.
Anfang Oktober geht Franco Mulé in den Ruhestand
Es liegt ein leichtes Gefühl von Traurigkeit in der Luft. Denn es ist das letzte Mal, dass Mulé als Eismann an der städtischen Förderschule für geistige Entwicklung vorbeischaut. Denn Anfang Oktober macht der aus Sizilien stammende Italiener Schluss. Er verabschiedet sich in den verdienten Ruhestand.

Die Kinder der Haldenwangschule in Dorsten haben Franco Mulé mit einem selbstgebastelten Plakat verabschiedet. © Julian Preuß
Der beliebte Eismann war Stammgast auf dem Schulgelände. Es sei Tradition gewesen, dass Mulé am letzten Schultag vor den Sommerferien mit seinem Wagen vorbeikommt, erinnert sich Schulleiter Thomas Spliethoff. Er lobt: „Franco hatte das Herz für die Kinder. Er ist jeder Schülerin und jedem Schüler so begegnet, wie sie oder er es gebraucht hat.“
Die Kinder sind es, die Mulé am traurigsten machen, wenn er nicht mehr durch die Stadtteile Holsterhausen und Hervest fährt. „Ich werde meine Leute, meine Kinder vermissen“, sagt er. Viele Kinder hat der Sizilianer aufwachsen sehen, Jahre später noch mit ihren eigenen Kindern bei ihm Eis gekauft haben. Daher habe Mulé zahlreiche Kundinnen und Kunden beim Namen gekannt und eine persönliche Beziehung zu ihnen aufgebaut.
Von der Zeche in den Eiswagen
Alles begann 1972. In diesem Jahr kam Mulé nach Deutschland. Ursprünglich stammt er aus dem kleinen Örtchen San Cono (Provinz Catania), das im Landesinneren der sizilianischen Halbinsel liegt. 1980 zog Mulé nach Dorsten. Ein Jahr später begann er auf der Zeche Fürst Leopold zu arbeiten. Bis er 2003 die Zeche verließ und seitdem vollends als Eisverkäufer auf den Straßen der Lippestadt unterwegs war. Fast zehn Jahre lang habe er beides parallel gemacht, berichtet Mulé. „Früh morgens bin ich losgegangen zur Zeche. Nach Feierabend bin ich dann in den Eiswagen gestiegen.“ 36 Sorten standen bis zuletzt zur Auswahl. Jeden Morgen hatte er das Eis selbst hergestellt. Seine Lieblingssorte: „Zitrone!“
An seinen ersten Eiswagen erinnert sich Mulé gut. Aus einem Ordner mit Zeitungsartikeln kramt er ein Foto hervor. Es zeigt einen entsprechend umgebauten Volkswagen T3 in Weiß. Den gebe es noch heute, sagt er und fügt hinzu. „Den habe ich fertigmachen lassen, sodass ich mit ihm spazieren fahren kann.“
Wunsch: Mit dem Wohnmobil über Sizilien
Genau das sei Mulés Ziel: noch etwas von der Welt sehen. „Ich fühle mich noch gut“, sagt er. „Deshalb möchte ich ein Wohnmobil kaufen, solange ich gesund bin.“ Eine Rundtour über Sizilien habe er im Kopf. Dort gebe es immer noch Ecken, die er nicht gesehen habe. Dann wolle er auch im Sommer seine Heimatregion besuchen. Schließlich habe er im Winter immer gearbeitet.
Bevor die große Reise losgeht, musss Mulé aber mindestens noch einmal arbeiten. Und zwar am kommenden Montag (3.10.), dem Tag der deutschen Einheit. Dann plant der Eismann an der Albert-Schweitzer Grundschule (Dorf-Hervest, 12 bis 13 Uhr), an der Augusta-Schule (Hervest, 13.15 bis 14.15 Uhr), Bonifatius-Schule (Holsterhausen, 14.30 bis 15.30 Uhr) und an der Antonius-Schule (Holsterhausen, 15.45 bis 16.45 Uhr) in Dorsten eine Sonderaktion. Um sich für die jahrzehntelange Treue zu bedanken, möchte er pro Kunde jeweils eine Kugel Eis verschenken - natürlich nur solange der Vorrat reicht. Dann wird Mulé wirklich zum allerletzten Mal seine Eiskugeln hinüberreichen und in glückliche Kinderaugen blicken.
Geboren in der Stadt der tausend Feuer. Ruhrpott-Kind. Mag königsblauen Fußball. Und Tennis. Schreibt seit 2017 über Musik, Sport, Wirtschaft und Lokales. Sucht nach spannenden Geschichten. Interessiert sich für die Menschen und für das, was sie bewegt – egal in welchem Ort.