Ein jüdisches Mädchen aus Dorsten Kinder von heute lernen Ilse Reifeisen kennen

Holocaust-Gedenken: Ein Kinderbuch über das Mädchen Ilse Reifeisen
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Wie kann man Kindern den Holocaust erklären? Und kann man es überhaupt? Kann man. Muss man sogar. Davon ist die Bochumer Autorin Andrea Behnke ebenso überzeugt wie die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jüdischen Museums. Pünktlich zum Holocaust-Gedenktag am Freitag (27. Januar) ist ein Büchlein erschienen, das das Museum bei Andrea Behnke in Auftrag gegeben hat.

„Der Tag, an dem die Blumen die Farbe verloren“ ist der Titel des Buches und erinnert an jenen Tag 1933, an dem das Dorstener Mädchen Ilse Reifeisen nicht mehr mit ihren Freundinnen im Garten hinter dem Wohnhaus an der Essener Straße 12 spielen durfte, weil sie Jüdin war. Da war Ilse sieben Jahre alt. Nach einem Polen-Aufenthalt gemeinsam mit den Eltern und ihrer vorübergehenden Rückkehr nach Dorsten wurde die 13-Jährige mit einem Kindertransport nach Schweden gebracht.

Das Buch von Andrea Behnke
So sieht das Buch von Andrea Behnke aus. © Stadt Dorsten

Ilse sah ihre Eltern nie wieder. Sie schrieben sich bis 1943 − dann wurden ihre Eltern von den Nazis in den Konzentrationslagern Riga-Kaiserwald und Stutthof umgebracht. Ilse blieb für immer in Schweden. Dort lebt sie bis heute als Elise Reifeisen-Hallin. Ihre Geschichte ist im Museum für Erwachsene längst dokumentiert und wurde nun von Andrea Behnke kindgerecht aufgeschrieben.

Die Autorin hat sich nicht nur tief in Original-Briefe und Interview-Mitschnitte von und mit Ilse Reifeisen eingelesen, sondern auch mit der 96-Jährigen und ihrem Sohn persönlich gesprochen. Behnke: „Ich habe Elise Reifeisen-Hallin als lebensfrohen Familienmenschen kennengelernt. Sie hat immer nach vorne geguckt. Für sie haben die Blumen irgendwann ihre Farbe zurückbekommen.“

Während das druckfrische Buch bei der Protagonistin in Schweden noch gar nicht angekommen ist, durften Viertklässler aus Marl schon reinlesen. Andrea Behnke: „Die Resonanz der Kinder und Lehrer war sehr gut.“

Buch als Unterrichtsmaterial

Für Mareike Fiedler vom Vermittlungsteam des Museums erfüllt das Buch die wichtigsten Kriterien für ein Kinderbuch über die Shoah: „Es überfordert die jungen Leser nicht, lässt aber auch nichts aus.“ Gedacht ist das Buch für Kinder ab der vierten Klasse. Fiedler und Behnke empfehlen, Kinder mit dem Lesestoff nicht allein zu lassen. Fiedler: „Es ist ideal als Unterrichtsmaterial für die Schule.“ Behnke: „Eltern sollten es auf jeden Fall mit ihren Kindern intensiv besprechen.“

Mit der bewegenden Geschichte des Mädchens Ilse haben sich auch schon Schüler und Schülerinnen des St.-Ursula-Gymnasiums befasst. Sie haben unter der Leitung von Kunstlehrerin Sabine Janotta die Illustrationen in Collageform beigesteuert. Kinder der St.-Agatha-Grundschule haben mit Andrea Behnke in einer Schreibwerkstatt originelle Schreibarbeiten erarbeitet, von denen einige im Buch zu sehen sind. „Made in Dorsten“ ist auch die Gestaltung vom Designbüro Marc Kiecok. Der broschierte Band steht nicht zum Verkauf, sondern soll in der Lehrarbeit des Museums als pädagogisches Angebot verwendet werden. Mareike Fiedler: „Falls auch Nachfrage für den freien Verkauf entsteht, müssten wir erst einmal einen Sponsor für den Druck finden.“

Freitag: Lesung im Museum

Andrea Behnke ist am Freitag (27. Januar) in Dorsten zu Gast: Morgens bestreitet sie zwei Lesungen für Schülerinnen und Schüler der Neuen Schule. Nachmittags ist dann jeder zur öffentlichen Gedenkveranstaltung willkommen, die im Jüdischen Museum um 16 Uhr mit der Begrüßung durch Bürgermeister Tobias Stockhoff eingeläutet wird.

Anschließend folgen eine kurze Lesung Andrea Behnkes aus ihrem Werk und eine Gesprächsrunde zum Buchprojekt mit beteiligten Schülern und Lehrern. Mit einem kurzen Gedenken im Garten des Jüdischen Museums und einer Reinigung der Stolpersteine für die Familie Reifeisen an der Essener Straße 12, wo Ilse ihre Kindheit verbracht hat, endet die Veranstaltung gegen 17.30 Uhr.

Anmeldungen im Museum per E-Mail an rezeption@jmw-dorsten.de oder unter Tel. (02362) 45 279.