„Ein Glücksfall“ Saniertes Bahnhofsgebäude in Dorsten soll „Wohnzimmer“ der Bürger werden

Von Dorstener Zeitung
Saniertes Bahnhofsgebäude soll „Wohnzimmer“ der Dorstener werden
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Das am 1. Juli 1879 eröffnete und im Baustil des Historismus entworfene Dorstener Bahnhofsgebäude hat im Laufe seiner Geschichte schon vieles gesehen und erlebt. Als Ende der 1980er-Jahre die Fahrkartenschalter an Sonntagen geschlossen wurden, dauerte es nicht lange, bis der Betrieb ganz eingestellt und der Zutritt ins Bahnhofsgebäude versperrt wurde - die Immobilie wurden zum trostlosen Schandfleck der Stadt.

Doch jetzt zieht neues Leben in das denkmalgeschützte Gebäude ein, das in den vergangenen Jahren etwa drei Jahren umfassend saniert und laut Bürgermeister Tobias Stockhoff zum „Wohnzimmer“ der Stadt werden soll.

Bis zur feierlichen Eröffnung als Bürgerbahnhof am 23. Februar (Freitag) sind es nur noch drei Wochen. Seit Tagen werden Umzugskartons ins Bahnhofsgebäude getragen, das Gastronomie-Team der Dorstener Arbeit lernt sich untereinander und seinen Arbeitsplatz immer besser kennen. Und auch äußerlich ist das Gebäude zum Schmuckstück geworden, seitdem die originale Fassade wieder freigelegt worden ist.

Michael Wieners ist Architekt im Zentralen Gebäudemanagement (ZGM) der Stadt Dorsten und mit dem Ergebnis „sehr zufrieden“, wie er sagt. Wohl niemand hat den weiten, manchmal auch etwas steinigen Weg vom Projektbeginn 2017 mit der Bestandsaufnahme und Untersuchung der Bausubstanz des Gebäudes bis heute so eng begleitet wie der Dorstener.

Neben der Deutschen Bahn, den Verkehrsbetrieben Vestische und VRR, den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen und der „Bahnhofsfamilie“ mussten - gesetzlich vorgeschrieben - auch die offiziellen Stellen für die Bereiche Denkmal-, Brand-, Arbeits- und Artenschutz beteiligt werden.

Hinzu kam, dass die Regeln der Fördergeber vorsahen, dass alle Gewerke und Planungsleistungen EU-weit ausgeschrieben wurden. „Das ging vom Fundament über die Küchentöpfe bis zum Blitzschutz“, erklärt Michael Wieners.

Die Gastronomie steht im Mittelpunkt des Gebäudes
Die Gastronomie steht im Mittelpunkt des Gebäudes und wird von der gemeinnützigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Dorstener Arbeit betrieben. © Stadt Dorsten/Guido Bludau

Es war der Kölner Architekt Gustav Päffgen, der vor 145 Jahren ein Gebäude entwarf, das für die Dorstener von identitätsstiftender und baukultureller Bedeutung sein sollte.

1986 wurde der Bahnhof Dorsten unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 2004 hat die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dorsten (WinDor) das Bahnhofsgebäude und zwei Jahre später auch die stillgelegten Bahnflächen erworben. Seit 2014 ist der Bahnhof im Eigentum der Stadt Dorsten.

Im Rahmen des großen Stadtumbauprogramms „Wir machen Mitte“ konnte ein Betreibermodell erarbeiten werden, mit denen ein Mix aus gemeinnützigen und bürgerlichen Nutzungen etabliert werden soll.

Das Büro für Bürgerengagement unter Federführung von Joachim Thiehoff hat seit 2016 mit ehrenamtlichen Vereinen und Personen am Konzept Bürgerbahnhof intensiv gearbeitet. „Ein Glücksfall“, sagt Michael Wieners über die „Bahnhofsfamilie“.

Millionenschwere Förderung

Der millionenschwere Umbau erfolgte mit finanzieller Unterstützung vom Bund und vom Land NRW (Städtebauförderung) sowie aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Den „Wir-machen-Mitte“-Akteuren zeigte sich bereits zu Anfang, dass es eine vollständige Umnutzung und Instandsetzung des Gebäudes geben musste und dass dies große Herausforderungen mit sich bringen würde. Welche Nutzung ist in dem Gebäude langfristig denkbar, sinnvoll, trag- und finanzierbar? Einer gemeinnützigen Nutzung stand nichts mehr im Wege.

Im Januar 2021 wurde mit dem Umbau begonnen, geplant waren zwei Jahre Bauzeit. „Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben mit den allseits bekannten Begleitumständen auch den Baubetrieb beim Bürgerbahnhof schwer durcheinandergebracht“, sagt der Architekt.

Alte Materialien
Materialien (v.l.): Dacheindeckung Fredeburger Schiefer aus dem Sauerland, Ornamentplatte Fassadenfries im Original, Ornamentplatte, freigelegte Originalfarbe, Mauerziegel Fassade, Muster Eichenholz für Innentüren, Mauerziegel Gewölbedecken, Sohle und Fundamente, vorne: historische Zeichnung des Baugesuchs Juli 1877 (Landesarchiv). © Stadt Dorsten

Neben der Sanierung der Bausubstanz sei die Wiederherstellung des historischen Gebäudecharakters wichtig gewesen, so Wieners. So wurden beispielsweise im Erdgeschoss Wandöffnungen und Durchbrüche wieder geschlossen und die historischen Bögen, die für den ursprünglichen Hallencharakter prägend waren, wiederhergestellt.

Aber auch den aktuellen Erfordernissen wurde der Umbau gerecht: Das Treppenhaus hat einen zentral gelegenen Aufgang in die Obergeschosse bekommen, alle drei Geschosse sind mit einem Aufzug barrierefrei zu erreichen.

Durch den Umbau hat das Gebäude zahlreiche Gruppen-, Seminar- und Arbeitsräume erhalten, die von Vereinen und Gruppen jeder Art genutzt werden können. Zudem gibt’s kleinere Lagermöglichkeiten und viele gemütliche Ecken. Die Gastronomie, die die gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft „Dorstener Arbeit“ übernommen hat, steht im Mittelpunkt und allen Besuchern des Gebäudes zur Verfügung.

So sah der Beginn der Umbauarbeiten im Jahr 2021 aus.
So sah der Beginn der Umbauarbeiten im Jahr 2021 aus. © Guido Bludau

Vom Speisesaal aus haben Gäste einen Blick auf die Gleise. Für Reisende wird es außerdem einen Kioskverkauf geben. „Der Bürgerbahnhof ist nach dem Umbau und der Sanierung nun fit für die nächsten 145 Jahre“, sagt Michael Wieners und ergänzt: „Jetzt muss dieser attraktive, inspirierende und kreative Ort nur noch mit Leben gefüllt werden.“

Buch erscheint

Zur feierlichen Eröffnung des Bahnhofs und seines Umfelds am 23. Februar wird die Stadt Dorsten in Zusammenarbeit mit der „Bahnhofsfamilie“ ein Buch vorstellen, das den Titel trägt „Bahnhof Dorsten – der Weg zum Bürgerbahnhof“. Auf rund 80 Seiten wird auf die Chronologie des Umbaus, aber etwa auch auf die Geschichte(n) des 145 Jahre alten Bahnhofsgebäudes geblickt.

Es ist ab dem 23. Februar kostenlos im Bürgerbahnhof und in der Stadtagentur in der Lippestraße erhältlich.

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