Dorstener Apotheker werden zur Kasse gebeten „Das ist einfach unfair“

Dorstener Apotheker werden zur Kasse gebeten: „Das ist unfair“
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Zum 1. Februar ist der Kassenabschlag, den Apotheker als Zwangsrabatt für jede Verordnung an die Krankenkassen zahlen müssen, von 1,77 Euro auf 2 Euro angehoben worden. Was auf den ersten Blick wie eine Kleinigkeit aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als zusätzliche Belastung für Apotheker.

„Die Politik hält uns für Krisengewinnler der Corona-Pandemie“, ärgert sich Kreisapothekensprecherin Juliane Stark-Kreul. „Aber das sind wir nicht. Wir sind die Krisenretter gewesen und werden jetzt dafür im Nachhinein bestraft.“ Diese Erhöhung um 23 Cent bedeute für eine Apotheke im Jahr einen Verlust von rund 6.500 bis 7.000 Euro, so Stark-Kreul. „Die Abgabe wurde quasi als Garantie dafür erhoben, dass die Krankenkassen die von uns in Vorleistung bezahlten Medikamente auch tastsächlich ersetzen“, so die Apothekerin.

„Apotheken erfüllen nicht nur eine Verkaufs-, sondern vor allem eine Beratungsleistung“, sagt dazu der Dorstener Apotheker Gerrit Nattler. „Das kann man nicht in einer einfachen BWL-Rechnung erfassen. Wir erbringen auch eine soziale Leistung und gerade in der Pandemie waren diese Beratungen besonders gefragt. Infolge dieses Mehraufwands, den wir geleistet haben, jetzt die Zwangsrabatte zu erhöhen, die wir an die Krankenkassen zahlen müssen, ist einfach unfair.“

Neue Aufgaben aufgebürdet

„Ja, wir haben auch Geld mit der Versorgung der Bevölkerung verdient, aber wir sind deshalb keine Krisengewinnler“, findet Juliane Stark-Kreul. „Viele dieser Aufgaben, die von keiner anderen Stelle so schnell hätten erledigt werden können, wurden den Apotheken von der Politik zusätzlich aufgebürdet und wir haben es als Heilberufler selbstverständlich für die Versorgung der Bevölkerung übernommen. In anderen Bereichen haben wir zeitgleich deutlich weniger Medikamente verkauft, auch weil deutlich weniger Leute zum Arzt gingen.“

Die Apotheken jetzt als Krisengewinnler darzustellen, findet sie empörend. „Wir kämpfen gerade mit der Inflation, den stagnierenden Honoraren, steigenden Energiekosten und steigenden Mitarbeitergehältern, außerdem werden Beratungsgespräche immer zeitaufwändiger wegen der bestehenden Lieferengpässe und die versprochene Regelung dagegen lässt auf sich warten. Da setzt eine solche Erhöhung der Abgaben jetzt ein fatales Signal“, findet Stark-Kreul.

Falsche Signale

Solche Signale würden auch junge Pharmazeuten davon abhalten, sich selbstständig zu machen und das Risiko einer Unternehmertätigkeit einzugehen, befürchten beide Apotheker. Im Bereich der Apothekerkammer Westfalen-Lippe hätten im vergangenen Jahr 37 Apotheken geschlossen, aktuell gebe es hier noch 1.760 Apotheken, vor 15 Jahren seien es noch 500 mehr gewesen, sagt Juliane Stark-Kreul.

Kreisapothekensprecherin Juliane Stark-Kreul hat Forderungen an die Politik.
Kreisapothekensprecherin Juliane Stark-Kreul hat Forderungen an die Politik. © Markus J. Feger (Archiv)

Auch Gerrit Nattler sieht die Erhöhung der Kassenabschläge kritisch. „Wir brauchen Apotheken in der Fläche, aber für den Nachwuchs verringert diese Politik den Anreiz, sich selbstständig zu machen. Da geht man dann lieber in die Industrie, da die Honorare für Apotheker seit inzwischen 20 Jahren nicht erhöht wurden. Auch die Gehälter unserer Mitarbeiter sind nicht mehr zeitgemäß“, so Nattler. „Langfristig kann das auch die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten gefährden.“

Bedingungen stimmen nicht

„Die Apotheken schließen nicht, weil sie wirtschaftlich schlecht arbeiten, sondern weil die äußeren Rahmenbedingungen mit zusätzlichen Belastungen nicht mehr stimmen. Mit dem jetzt erhöhten Zwangsrabatt wird es bestimmt zu weiteren Schließungen und Versorgungsengpässen kommen“, fürchtet Juliane Stark-Kreul.

Gerrit Nattler hat zwei Forderungen an die Politik: „Es gibt zwei Stellschrauben, an denen man drehen kann“, sagt er., „Zum einen muss dringend der überbordende bürokratische Aufwand abgebaut werden, den wir inzwischen betreiben müssen und der unendlich viel Zeit kostet. Zum anderen müssen die Honorarsätze für Apotheken angehoben werden. Die Erhöhung der Kassenabschläge ist auf jeden Fall das falsche Signal.“

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