Elektroautos und Wärmepumpen boomen. Haushalte brauchen dafür mehr Strom aus dem lokalen Netz. Gleichzeitig steigt die Zahl der Photovoltaikanlagen, die an sonnenreichen Tagen viel Energie ins örtliche Stromnetz einspeisen. Vor einer Überlastung der lokalen Stromnetze und Stromausfällen warnt deshalb Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Diese hat deshalb ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Ab Januar 2024 könnte demnach die Stromversorgung für E-Autos und Wärmepumpen gedrosselt werden, wenn die Netzauslastung hoch ist. Müssen Dorstener nun fürchten, dass ihr Auto im Zweifel nicht mehr fährt und das Haus nicht geheizt wird? Eine solche Aussicht würde die Motivation zur Energiewende nicht unbedingt steigern. E-Auto- und Wärmepumpenhersteller schlagen bereits Alarm.

Katrin Frendo, Sprecherin von Westnetz, macht kein Geheimnis daraus, dass der Netzbetreiber die Pläne begrüßt: „Nur mit diesen Rahmenbedingungen kann der enorme Anstieg von E-Mobilität und Wärmepumpen ohne Konsequenzen für die Versorgungssicherheit weitergeführt werden. Eine große Anzahl dieser dezentralen Verbraucher, verbunden mit ihren hohen technischen Anforderungen, können bestehende Netzkapazitäten an ihre Grenzen bringen.“
„Mittags- und Abendspitze“
Was die Bundesnetzagentur vorschlage, schaffe „auf pragmatische Art und Weise die richtige und wichtige Basis für die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende“, so Frendo. Stromausfälle aufgrund von Überlastungen im Stromnetz gebe es derzeit nicht in Dorsten, so die Sprecherin. „Durchschnittlich wird die verfügbare Netzkapazität nur zu einem geringen Anteil genutzt. Es gibt eine typische Mittags- und Abendspitze.“ Darüber hinaus hänge der lokale Leistungsbedarf von diversen Faktoren ab: „Etwa die Anzahl installierter PV-Anlagen oder das jeweilige Wetter.“
Wer eine Wärmepumpe, eine Ladestation (ab 3,7 kW) oder eine Photovoltaik-Anlage betreiben will, muss die beim Netzbetreiber anmelden. Wie viele Anträge in Dorsten pro Jahr gestellt werden, dazu gibt Westnetz keine Antworten. Frendo: „Die Anschlussbegehren im gesamten Versorgungsgebiet der Westnetz liegen 2022 im Bereich der Photovoltaik bei rund 70.000. Die Anträge auf Leistungserhöhung zum Anschluss von E-Mobilität haben sich mehr als verdoppelt und lagen in 2022 bei rund 16.000.“

Stromausfälle aufgrund von Überlastungen des Stromnetzes gebe es in Dorsten derzeit nicht, sagt Frendo. „Das Niederspannungsnetz in Dorsten ist robust auf die bisherige Versorgungsaufgabe ausgelegt.“ Wo bereits ein erheblicher Zuwachs an Photovoltaikanlagen oder E-Mobilität vorliege, „ist die Netzbelastung schon jetzt gestiegen“.
In Neubaugebieten seien die Stromnetze bereits auf E-Mobilität, Wärmepumpen und Photovoltaik ausgelegt, so Frendo. In älteren Wohngebieten gilt: „Wenn beispielsweise ein Mehrfamilienhaus seine Wärmeversorgung von Gas auf Wärmepumpe umstellt, ist es in der Regel erst einmal eine Frage des Hausanschlusskabels. Wenn das viele Häuser in der Straße gleichzeitig machen, dann müssen wir das Kabel unter dem Bürgersteig verstärken und wenn ein ganzes Viertel umstellt, das von einem Trafo aus versorgt wird, dann müssen wir diesen auch verstärken.“
Nur einmal aufreißen
Die meisten Verstärkungen des Netzes seien mit Tiefbauarbeiten verbunden. Frendo: „Hier erfolgt eine enge Abstimmung mit der Stadt Dorsten, um Synergien mit erforderlichen städtischen Tiefbauarbeiten bestmöglich zu nutzen und die Bauaktivitäten so aufeinander abzustimmen, dass Gehwege oder Straßen im Idealfall nur einmal aufgerissen werden müssen.“
„Keine Kundin und kein Kunde sollen mit einem Umstieg auf E-Mobilität oder umweltfreundliche Wärmeerzeugung warten müssen, bis das Netz ausgebaut ist. Gleichzeitig muss die lokale Netzstabilität höchste Priorität haben“, so Frendo über den Spagat, den Westnetz jetzt und in den nächsten Jahren betreibt. Netzausbau sei das Gebot der Stunde. „Bei der derzeitigen Dynamik wird aber der notwendige Netzausbau trotz bestmöglicher Planung dem Bedarf nicht immer rechtzeitig folgen können.“ Genau das unter einen Hut zu bringen, ermögliche der Plan der Bundesnetzagentur zur Stromrationierung bei Netzengpässen.
Nachts statt abends laden
Frendo: „In der ohnehin bereits vorhandenen Abendlastspitze werden verstärkt Elektrofahrzeuge angesteckt, um für den nächsten Morgen wieder voll aufgeladen zu sein. Dabei ist es für viele Verbraucher jedoch unerheblich, ob dies sofort und schnellstmöglich geschieht oder im Laufe der Nacht.“ So könne man die Ladeleistung reduzieren, ohne dass der Nutzer eingeschränkt werde. Bei Wärmepumpen werden oft Stromtarife abgeschlossen, die bereits jetzt auf Sperrzeiten üblicherweise mittags und abends setzen.
Laut Frendo sollen Kundinnen und Kunden „perspektivisch auch marktorientiert ihre E-Mobile laden und Häuser heizen können, wenn grüne Energie aus Wind und Sonne im Überfluss vorhanden und dadurch besonders günstig und klimaneutral ist“.