Thomas Hein aus Dorsten fährt immer noch regelmäßig ins Ahrtal, um den Menschen dort nach der Flutkatastrophe zu helfen.

Thomas Hein aus Dorsten fährt immer noch regelmäßig ins Ahrtal, um den Menschen dort nach der Flutkatastrophe zu helfen. © Julian Preuß

Thomas Hein (62) aus Dorsten hilft auch ein Jahr nach der Flut im Ahrtal

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Die Flutkatastrophe im Ahrtal ist ein Jahr her. Thomas Hein aus Dorsten hilft dort noch immer. Er spricht über den schleppenden Wiederaufbau, Versagen der Politik und das Leben der Menschen dort.

Dorsten

, 14.07.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Wände sind nackt, kahl bis auf die Grundmauern. Anstelle großer Fensterscheiben schirmen Spanholzplatten die Räume von der Außenwelt ab. Drinnen stehen eine Schubkarre und Ofen. Leere Estrichsäcke liegen herum. Die Baustelle ist die ehemalige Gaststätte der Familie Schumacher, einer Winzerfamilie aus Marienthal an der Ahr.

Am 14. Juli 2021 zerstörte eine Flut das Ahrtal und damit die Existenz der Familie Schumacher und tausender anderer Menschen. Sie benötigen auch ein Jahr später noch Hilfe beim Wiederaufbau. Die bekommen sie unter anderem aus Dorsten von Thomas Hein. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Dorstenerinnen und Dorstenern hatte er bereits im vergangenen Jahr im Ahrtal geholfen.

Ein Jahr nach der Flut im Ahrtal sieht es in der ehemaligen Gaststätte der Familie Schumacher noch immer aus wie auf einer Baustelle.

Ein Jahr nach der Flut im Ahrtal sieht es in der ehemaligen Gaststätte der Familie Schumacher noch immer aus wie auf einer Baustelle. © privat / Paul Schumacher

Freiwillige Helfer bekommen Ehrenamtspreis verliehen

Dafür haben unter anderem Heike und Thomas Hein, Anne und Thomas Richter, die Freiwillige Feuerwehr Dorsten, der Ortsverband Gladbeck/Dorsten des Technischen Hilfswerks und der Landwirtschaftliche Kreisverband Recklinghausen den Ehrenamtspreis 2022 der CDU-Ratsfraktion Dorsten bekommen.

Der 62-Jährige fährt auch ein Jahr nach der Flut regelmäßig an die Ahr. „Das kann sich keiner vorstellen, dass es dort immer noch katastrophal aussieht“, sagt er. „Je weiter man die Ahr runterfährt, desto weniger ist passiert“, berichtet Hein mit Blick auf den Wiederaufbau. Deshalb sei er alle drei bis vier Wochen dort, um den Menschen zu helfen. Bis die Orte an der Ahr wieder im alten Glanz erstrahlen, wird jedoch noch einige Zeit vergehen. Hein: „Ich denke, das wird noch mindestens fünf Jahre dauern.“

Spanholzplatten verhindern den Blick aus der ehemaligen Gaststätte der Familie Schumacher.

Spanholzplatten verhindern den Blick aus der ehemaligen Gaststätte der Familie Schumacher. © privat / Paul Schumacher

Hein unterstützt dann das Helfer-Shuttle, einen Marktplatz für ehrenamtliche Helfer im Ahrtal. Flutopfer können dort veröffentlichen, wobei sie Unterstützung benötigen. Noch immer gehen auf der Internetseite zahlreiche Hilfegesuche ein. Beispielsweise werden Maler, Elektriker oder Helfer für Weinbergarbeit gesucht.

Hein: „Der Katastrophenschutz ist eine Katastrophe“

Der Dorstener befürwortet diese Art der Koordination und hofft, dass sich auch ein Jahr später noch Freiwillige finden. Doch so strukturiert lief die Unterstützung gerade in den ersten Tagen nach der Flut nicht an. „Es hat die Organisation von oben gefehlt“, sagt er und kritisiert: „Der Katastrophenschutz ist eine Katastrophe.“

Noch immer fahre er Dinge dort runter oder schlage Putz ab, erzählt Hein. Sein Kerngeschäft sei das nicht, sagt der Geschäftsführer der Firma Interevent. Mit ihr betreibt, vermietet und baut er mobile Eisbahnen auf. „Einmal“, erinnert sich Hein, „habe ich mitgeholfen Rollrasen zu verlegen und Blumen einzupflanzen.“

Schließlich habe es vor und hinter den Häusern nichts als Schlamm und Schotter gegeben. Rasen zu verlegen und Blumen zu pflanzen, klinge zunächst banal, sei für die Menschen an der Ahr jedoch wichtig für die Seele. Denn die sei besonders in den Wintermonaten stark belastet gewesen, sagt Hein. Vor Ort hat er immer wieder mit vielen Menschen gesprochen. Er sagt: „Die Leute haben einen enormen Redebedarf.“

ZDF-Doku zeigt Schicksale der Ahrtalbewohner

Unter anderem deshalb waren Anne und Paul Schumacher am Dienstag (5.7.) in der ZDF-Sendung „Nach der Flut - Eva Brenner trifft Menschen an der Ahr“ (verfügbar auch in der ZDF-Mediathek) zu sehen. Die Flut hat ihre Weinreben zerstört. Der Schaden beläuft sich auf fast 1,5 Millionen Euro.

Familie Schumacher wurde Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal.

Familie Schumacher wurde Opfer der Flutkatastrophe im Ahrtal. © Screenshot ZDF

Thomas Hein hat die Schumachers im Dezember 2021 kennengelernt. „Wir haben damals in Bad Neuenahr eine Eisbahn aufgebaut. Daneben wollten Anne und Paul einen Weinstand betreiben“, erinnert sich Hein. „Ich habe die beiden total niedergeschlagen erlebt.“

Seitdem sind Hein und Familie Schumacher in Kontakt. Anne und Paul waren auch vor wenigen Wochen in Dorsten, um bei der Landpartie am Schloss Lembeck die Reste ihres Weins zu verkaufen. Die Familie kämpft, um sich ihren großen Traum zu erfüllen, wie Anne Schumacher gegenüber dem ZDF verrät: Dass sie dort anknüpfen können, wo sie vor der Flut stehengeblieben waren.

Betroffene verzweifeln an den Anträgen für Hilfsgelder

Doch das ist schwierig. Es fehlen vor allem die finanziellen Mittel. „Die Anträge für die Hilfsgelder sind kompliziert. Vieles muss online gemacht werden“, sagt Hein. Das sei besonders für die älteren Menschen im Ahrtal eine große Herausforderung. Und wenn die Leute die Anträge ausgefüllt hätten, sei immer noch kein Geld da. Verantwortlich dafür macht Hein die Politik.

Gerade das führe aber dazu, dass immer mehr Bewohnerinnen und Bewohner den Kampfgeist verlieren und resignieren würden. „Außerdem sagen viele, dass sie keinen Bock mehr haben, sich durch die Anträge zu wühlen.“ Aufgeben kommt für die Schumachers allerdings nicht infrage, sagen sie gegenüber des ZDF. Das scheint sich auszuzahlen, wie Hein berichtet: „Sie haben die Bewilligung für 80 Prozent der Schadenssumme bekommen.“ Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass aus der Baustelle irgendwann wieder eine gemütliche Gaststätte im Ahrtal wird.

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