
Darf das Gefängnis wieder verlassen: der Angeklagte neben seiner Verteidigerin im Essener Landgericht. © Jörn Hartwich
„Schreier“ wieder auf freiem Fuß – Therapie aussichtslos
Landgericht Essen
Nach sieben Monaten Untersuchungshaft ist ein Mann aus Dorsten wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. Wie es mit ihm weitergehen soll, ist völlig offen.
Es war der Tag, auf den der Angeklagte lange gewartet hatte. Rund sieben Monate saß der 34-Jährige aus Dorsten, den viele nur den „Schreier“ nennen, in Untersuchungshaft. Seit Dienstag ist er wieder auf freiem Fuß. Der schwerste Vorwurf ließ sich nicht beweisen.
Elf Monate Haft auf Bewährung – wegen sexueller Belästigung, Körperverletzung und Bedrohung: So lautete das Urteil der Richter am Essener Landgericht. Von einer Vergewaltigung, die ebenfalls mit angeklagt war, war am Ende keine Rede mehr. In diesem Punkt ist der 34-Jährige freigesprochen worden. Das hatte zuvor auch die Staatsanwaltschaft beantragt.
Zeuge wollte lieber ein Bier
Dem Dorstener war ursprünglich vorgeworfen worden, Anfang des Jahres in seiner Unterkunft über einen Bekannten hergefallen zu sein. Die Aussage des mutmaßlichen Opfers hatte für eine Verurteilung jedoch nicht ausgereicht. „Der Zeuge war zwar sehr redselig, aber man konnte seinen Ausführungen zum Teil überhaupt nicht folgen“, hieß es im Urteil. Außerdem hätten die Aussagen nicht mit früheren Angaben bei der Polizei übereingestimmt.
Dort hatte der Dorstener noch zu Protokoll gegeben, dass er sich verzweifelt gegen die angebliche Vergewaltigung gewehrt habe, aber völlig chancenlos gewesen sei.
Der Zeuge hatte sogar von der Polizei gesucht und für seine Aussage ins Essener Landgericht gebracht werden müssen. Zuvor soll er einer Sozialarbeiterin noch diesen Satz gesagt haben: „Das interessiert mich alles nichts. Ich will erstmal ein Bier.“
Analphabet und ohne Deutschkenntnisse
Es ist der Alkohol, der auch das Leben des Angeklagten bestimmt hat. Im Prozess war von einer eindeutigen Abhängigkeit die Rede, die auch zu Straftaten führe. Eine Zwangstherapie, die möglicherweise hätte angeordnet werden können, hat aus Sicht der Richter jedoch keinerlei Erfolgsaussicht. Der 34-Jährige spricht praktisch kein Wort Deutsch, ist Analphabet und intelligenzgemindert. Therapiegespräche könnten daher gar nicht stattfinden, hieß es.
Verurteilt worden ist der Dorstener, weil er vor den „Mercaden“ einen kleinen Jungen bedroht, einer Frau ans Gesäß gefasst, einen unbeteiligten Zeugen im Gerangel verletzt und eine Radfahrerin zu Sturz gebracht hat. Teilweise war er dabei schwer betrunken.
Zurück in die Heimat
Im Prozess hatte der Angeklagte mithilfe eines Dolmetschers erklärt, dass er eigentlich nur wieder in den Sudan zurückwolle. Dort sei er groß geworden. Das sei seine Heimat. So schnell wird das aber nicht gehen. Es wartet nämlich schon gleich der nächste Prozess auf den Dorstener. Diesmal wieder am Amtsgericht. Dort soll es um weitere Belästigungen und Körperverletzungen gehen. Das Urteil aus Essen hat der 34-Jährige bereits akzeptiert.