Gegen 18.45 Uhr fuhr ein Streifenwagen der Polizei vor dem Wahllokal im Caritas-Bildungszentrum an der Bismarckstraße (Stimmbezirk 13.2) vor. Ein Mann, der die Auszählung der Stimmzettel als Wahlbeobachter begleitet hatte, rief die Beamten. Es war der Höhepunkt eines Disputs zwischen dem Wahlbeobachter und den Wahlhelfern.

Denn: Diese, so hieß es am Montag (24.2.) in einer Stellungnahme der Stadt, fühlten sich durch den Mann gestört. „Die Person sprach die ehrenamtlichen Helfer permanent an, störte die Konzentration bei der Auszählung damit erheblich und nach den Handreichungen der Bundeswahlleiterin auch unzulässig.“ Und: Es sei offensichtlich gewesen, „dass der Beobachter die Auszählung der Stimmen stören wollte“.
Die Berichterstattung sorgte vor allem im Internet für Aufsehen. Eine Facebook-Nutzerin, die angab, im Caritas-Bildungszentrum Wahlhelferin gewesen zu sein, schrieb: „Die Person hat immer wieder Fragen gestellt und ich habe es zwischenzeitlich als unangenehm empfunden, da man beim Zählen unterbrochen wurde.“
Es folgten auch beleidigende Kommentare gegenüber dem Wahlbeobachter. Eine Sache, die Jessica Adelmund und Jasmin Schacht nicht unkommentiert lassen wollen.
Wahlbeobachterinnen äußern sich
Die beiden Nachbarinnen beobachteten ebenfalls die Auszählung im Caritas-Bildungszentrum. Sie haben eine andere Sicht auf die Dinge, die sich währenddessen zugetragen haben.
Die 41-Jährige und die 28-Jährige geben im Gespräch mit dieser Redaktion an, den Mann „flüchtig“ und „vom Sehen“ zu kennen. Jasmin Schacht sagt: „Es war keine böse Absicht zu erkennen, dass er die Auszählung stören wollte.“ Jessica Adelmund ergänzt: „Bei den Wahlhelfern stieg die Nervosität. Wir hatten das Gefühl, dass wir nicht erwünscht sind.“
Die drei Wahlbeobachter seien darauf hingewiesen worden, dass sie herumlaufen, sich umschauen, aber nicht stören dürften. Zu Beginn habe der im Fokus stehende Wahlbeobachter Nachfragen noch freundlich beantwortet bekommen. Zudem habe er sich mit etwa einem halben Meter Abstand die auf einem Tisch liegenden Stimmzettel angeschaut. „Er wollte nur wissen, welche Partei auf welchem Stapel liegt“, so Jasmin Schacht. Dabei hätten die Hände des Mannes in den Hosentaschen gesteckt.
Blick auf die Stimmzettel
Einer der Wahlhelfer sei daraufhin auf ihn zugekommen, dass er dies sein lassen soll, weil Namen auf den Zetteln stünden, die ihn nichts anzugehen hätten. Außerdem sei dem Wahlbeobachter unterstellt worden, dass er einen Stift aus der Tasche ziehen und ein Kreuz an anderer Stelle setzen könne. Zwar habe der Mann einen Schritt zurück gemacht, sollte aber das Wahllokal verlassen.
Dieser Forderung kam der Mann zunächst nicht nach. Stattdessen habe auf seinem Recht beharrt, die Auszählung weiter zu beobachten. Das Beobachten der Auszählung ist ein Jedermannsrecht und im Bundeswahlgesetz verankert.
Stattdessen habe sich die Diskussion hochgeschaukelt, woraufhin zunächst die Erste Beigeordnete und Wahlleiterin Nina Laubenthal und dann die von dem Wahlbeobachter informierte Polizei eingetroffen sei. Erst danach habe der Mann das Wahllokal verlassen.
Jessica Adelmund meint abschließend: „Beide Seiten hätten in dieser Situation anders reagieren und kommunizieren können.“ Sie betont abermals, keine böse Absicht bei dem Wahlbeobachter wahrgenommen zu haben.
Handreichung erklärt Regeln
Derweil regelt eine zweiseitige Handreichung der Bundeswahlleiterin, wie sich Wahlbeobachter vor Ort verhalten dürfen, und was sie zu unterlassen haben. Sie ist online einsehbar.
So dürfen sich Personen bis zur Feststellung des Wahlergebnisses ohne Anmeldung im Auszählraum aufhalten, die Entscheidung des Wahlvorstandes verfolgen, gegebenenfalls kurze Fragen an den Wahlvorstand stellen sowie Beobachtungen im Wahlraum machen - wobei kein Anspruch auf Sichtbarkeit jeder Einzelheit besteht. Auch das Anfertigen von Strichlisten und Notizen ist zulässig.
Unzulässig sind „Störungen der Ruhe und Ordnung oder Verzögerungen der Wahlhandlung oder Wahlergebnisermittlung und -feststellung.“ Gleiches gilt für lautes Reden oder Telefonieren, das Ansprechen von Wählern, das Tragen von parteipolitischen Symbolen, Wahlpropaganda und politische Diskussionen.
Ebenfalls darf nicht in die Entscheidungen des Wahlvorstandes eingegriffen und die Unterbrechung der Auszählung oder die Nachzählung gefordert werden. Auch das Diskutieren und Hinterfragen von Entscheidungen sowie das Einfordern von Erklärungen sind zu unterlassen.
Kein Zugriff auf Wahlunterlagen
Wahlbeobachter dürfen außerdem keinen Zugriff auf die Wahlunterlagen oder Einsicht in das Wählerverzeichnis haben. Sie dürfen auch keine Videos und Fotos der Unterlagen anfertigen oder diese anfassen. Ohne deren Zustimmung darf zudem kein Bild- und Videomaterial von den Personen im Raum aufgenommen werden. Das gilt auch bei vermuteten Unregelmäßigkeiten.
Das Abfragen von personenbezogenen Daten ist nicht gestattet. Ebenso wie die Störung von Mitgliedern des Wahlvorstandes „durch übermäßige Kommentierungen, Fragen, usw.“ Die Wahlbeobachtung endet mit der Feststellung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Weiterhin hält die Handreichung fest, dass Wahlbeobachter vom Wahlvorstand zunächst verwarnt werden sollen, sofern sie gegen die Regeln verstoßen. „Bei einem wiederholten Verstoß oder bei einer gravierenden Störung“ können die betroffenen Personen vom Wahlvorstand aus dem Wahlraum verwiesen werden.
Stadtsprecher Christoph Winkel ergänzt: „Den Wahltag und auch die Auszählung der Stimmen beobachten zu dürfen, ist ein Gebot der demokratischen Transparenz. Für eine korrekte Feststellung des Wahlergebnisses ist es jedoch wichtig, dass das Ehrenamt als Wahlhelfer ohne Störung ausgeübt werden kann.“
Die Regeln würden die „korrekte Auszählung und die Feststellung des Ergebnisses“ schützen, „weil weil Wahlvorstände und insbesondere Wahlhelfer höchste Konzentration benötigen“.
Es sei nicht unüblich, dass Bürgerinnen und Bürger die Auszählung der Stimmen beobachten. Die Störung am Wahlsonntag sei „bisher ein einmaliger Vorfall“ gewesen. Und: „Wir werden uns rechtzeitig vor den nächsten Wahlen überlegen, wie wir die wichtigsten, geltenden Regeln für Wahlbeobachter kommunizieren, beispielsweise durch Aushänge in den Wahllokalen.“
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