Vor 25 Jahren wurde Ali (10) in Dorsten getötet Sein Mörder will in Haft bleiben

Vor 25 Jahren wurde Ali (10) getötet: Sein Mörder will in Haft bleiben
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Es ist ziemlich genau 25 Jahre her, dass das Verschwinden des kleinen Ali die Dorstener Öffentlichkeit erschütterte. Während fieberhaft nach dem zehnjährigen Flüchtlingsjungen gesucht wurde, war er schon seit dem 19. Juli 1999 tot.

Erst bestialisch missbraucht und dann erdrosselt von einem damals 23-jährigen Dorstener, der das tote Kind anschließend in einer Tiefkühltruhe in seiner Wohnung auf der Hardt versteckte.

Erst ein Jahr später wurde die Leiche durch Zufall gefunden, 2001 wurde der geständige Dorstener Carsten B. wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Carsten B. ist inzwischen 48 Jahre alt und könnte unter bestimmten Voraussetzungen längst in Freiheit sein - wenn er denn wollte. Aber er will nicht, berichtet sein Anwalt Volker Schröder aus Essen, der einst als Pflichtverteidiger an die Seite von Carsten B. gestellt wurde. „Es kommt wirklich mehr als selten vor“, berichtet der Strafverteidiger, „dass ein verurteilter Täter darum bittet, im Gefängnis bleiben zu dürfen.“

Carsten B. hat das getan. Zunächst auf eigene Faust, dann mit formeller Unterstützung seines Anwalts. „Ich habe Angst, dass ich in Freiheit so etwas noch einmal machen würde“, habe sein Mandant ihm erklärt, sagt Schröder im Gespräch mit dieser Redaktion. Bis heute empfinde der Verurteilte beim Gedanken an seine schreckliche Tat sexuelle Lust.

Rechtsanwalt Volker Schröder
Volker Schröder, Fachanwalt für Strafrecht in Essen, hat Karsten B. im Mordprozess verteidigt. © Claudia Engel (Archiv)

Das Essener Landgericht hatte in dem nur eintägigen Prozess die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Während der Haftzeit hat B. jegliche Therapie ausgeschlagen, dreimal versucht, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Volker Schröder sieht im Wunsch seines Mandanten, bis zum Ende seines Lebens in Haft zu bleiben, auch die Selbsterkenntnis, nicht resozialisierbar zu sein. Eine Ansicht, die von vielen Experten wie dem renommierten forensischen Psychiater Prof. Dr. Norbert Leygraf bei gleich gelagerten Fällen geteilt wird.

Alis Mutter zeigt 2007 ein Bild ihres Sohnes.
Alis Mutter war 2007 selbst von Abschiebung bedroht. Das Land zu verlassen, in dem ihr 1999 ermordeter Sohn begraben liegt, war für sie nicht vorstellbar. © Christoph Klemp (Archiv)

„Das habe ich bisher in all meinen Berufsjahren nur dieses eine Mal erlebt“, sagt Schröder. Carsten B. bleibe nun lebenslang in Haft. „Es wird keine weiteren Prüfungen geben“, erklärt Schröder, „solange der Gefangene sich das nicht anders überlegt.“

Eine umfangreiche Überprüfung und ein psychiatrisches Gutachten müssten zu einer positiven Prognose kommen, bevor es zur Entlassung käme. Daran glaubt der Angeklagte nicht einmal selbst.

Die WDR-Lokalzeit hat im Februar dieses Jahres in ihrer Reihe „MordOrte“ über den Fall Ali berichtet. Autor Hamzi Ismail hat sich dafür tief in die Ermittlungsakten gekniet und diverse Interviews geführt. Es ist ihm trotz intensiver Recherchen nicht gelungen, die Familie von Ali aufzuspüren.

Der Junge lebte damals mit zahlreichen Geschwistern und seiner Mutter in einem Dorstener Asylbewerberheim auf der Hardt, nachdem sein Vater zwei Jahre zuvor in die Türkei abgeschoben worden war. Ali wurde in Essen begraben. 2007 kämpfte seine libanesische Mutter selbst gegen ihre Abschiebung.

Vernehmung neben der Leiche

Der wegen eines Sexualdelikts vorbestrafte Carsten B. war der Letzte, der den kleinen Ali am Tag seines Verschwindens gesehen hatte. Für die Begegnung gab es Zeugen, B. stritt sie nicht ab. Dreimal wurde er vernommen, hat Hamzi Ismail herausgefunden.

Einmal habe er in seinem Wohnzimmer an der Teichstraße an der Tiefkühltruhe gelehnt, während ein Polizist mit ihm gesprochen habe. Die kurz nach dem Verschwinden Alis eingerichtete Ermittlungskommission wurde schon vier Wochen später wieder aufgelöst. Das findet auch der erfahrene Strafverteidiger Schröder im Rückblick „auffällig“.

Kommission schnell aufgelöst

Während Hundertschaften zwischen Lippe und Kanal nach Ali suchten, waren Zeugen ganz sicher, den Jungen am späten Abend des 19. Juli bei McDonald’s und fünf Tage später am Schloss Berge gesehen zu haben. Zum Zeitpunkt beider „Sichtungen“ war das Kind schon tot.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben laut WDR nach 25 Jahren Stellungnahmen zu den damaligen Ermittlungen abgelehnt, die beteiligten Beamten seien nicht mehr im Dienst. Wie auch immer - Alis Tod hätten sie nicht verhindern können.