Den „Krankenschein“ gibt’s jetzt auch in Dorsten digital Ohne Papier geht es dennoch nicht

Den „Krankenschein“ gibt’s jetzt digital, aber nicht ohne Papier
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Der „gelbe Schein“ hat ausgedient. Das Zeitalter der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist am 1. Januar 2023 endgültig angebrochen. Ganz ruckelfrei ist die Einführung bisher auch in Dorsten nicht gelaufen. Und papierlos ist sie auch nicht.

Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen erklärt das Verfahren: „Gesetzlich Versicherte bekommen in der ärztlichen Praxis nur noch einen Ausdruck ihrer Krankmeldung für die eigenen Unterlagen. Sie müssen sich nur noch wie gewohnt zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgebenden abmelden und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit angeben. Die ärztlichen Praxen übermitteln die eAU an die Krankenkassen. Die Arbeitgebenden wiederum rufen die eAU-Daten aktiv bei den Krankenkassen ab, wenn Mitarbeitende sich krankgemeldet haben.“

Achtstellige PIN eingeben

Was das im Praxis-Alltag bedeutet, beschreibt der Dorstener Augenarzt Dr. Werner Seibel, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe: „Um die Krankschreibung zu erstellen, muss sich die Praxis mit dem elektronischen Heilberufeausweis anmelden und dann eine achtstellige PIN eingeben. Vertippt man sich dreimal, wird der Ausweis gesperrt und man muss für 540 Euro einen neuen bestellen. Das braucht also Ruhe und Konzentration und viel mehr Zeit als der schnell ausgedruckte Zettel und die Unterschrift.“

Der Mediziner Klaus Heuwing, der seine Hausarztpraxis an der Alleestraße „frisch“ digitalisiert hat, gibt die Daten mithilfe einer Stapelsignatur gebündelt nach Praxisschluss an die Kassen weiter. „Dann muss man nicht jedes Mal die PIN eingeben“, erklärt er. Auch wenn bei ihm das System auch dank der intensiven Begleitung durch seinen Software-Anbieter inzwischen „sehr gut“ laufe, bedeute es doch einen Mehraufwand für die Praxis.

Klaus Heuwing
In der Praxis von Klaus Heuwing läuft die Umstellung auf die eAU inzwischen reibungslos. © Petra Berkenbusch

Den hat die Kassenärztliche Vereinigung für ganz Deutschland mit 1,25 Millionen Arbeitsstunden berechnet. Dazu kommen, so Dr. Werner Seibel, auch noch Kosten für die Aufrüstung der Praxis-IT. Generell seien die Dorstener Ärzte willens, sich an der Digitalisierung zu beteiligen, aber komplizierte Lösungen und der Datenschutz würden diesen Weg erschweren. „Das E-Rezept über die Gesundheitskarte ist ja wegen Datenschutz-Bedenken noch immer nicht realisiert.“

Krankenkassen-Server streiken

Nun aber die eAU, wobei Dr. Seibel als Arbeitgeber auch schon die Erfahrung machen musste, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer Mitarbeiterin nicht abrufbar war, weil der Krankenkassen-Server in die Knie gegangen war. Manchmal, so berichtet die KVWL, waren am Jahresbeginn auch nicht alle Arbeitgeber technisch und organisatorisch in der Lage, die AU digital abzurufen. Manche fordern weiterhin Papierausdrucke von ihren erkrankten Mitarbeitern. Darauf müssen die Praxen aber ohnehin vorbereitet sein, denn Privatversicherte oder Arbeitslose brauchen die AU weiterhin im Papierformat.

Die papiernen Krankenscheine spielen auch beim Arbeitgeber Stadtverwaltung noch immer eine große Rolle, denn Beamte sind nicht gesetzlich krankenversichert. In der Personalabteilung im Rathaus sind die bisherigen Erfahrungen mit der eAU gut. Ihr Anteil sei seit Jahresbeginn erkennbar gestiegen. Die elektronischen Anfragen bei den Krankenkassen seien bisher ausnahmslos beantwortet worden, teilte die Pressestelle auf Anfrage mit.

Arbeitserleichterung erkenne die Personalbeteiligung allerdings auch nicht. „Der bisherige Arbeitsschritt der Eingabe der Fehlzeit auf Grundlage des eingereichten Papier-Krankenscheins reicht nicht mehr aus. Aktuell muss die Fehlzeit in die Abrechnungssoftware gestellt werden, aber es sind weitere Schritte notwendig wie die elektronische Anfrage an die Krankenkasse und die besondere Erfassung von Folge-Krankenscheinen.“

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