
© Claudia Engel
So machen die Hervester mehr aus ihrem Marienviertel
Bürgerschaftliches Engagement
Die Menschen im Marienviertel machen mehr aus ihrem Heimatort: Was bürgerschaftliches Engagement bewirken kann, ist hier sichtbar. Ein Grund, warum die Bewohner sich wohlfühlen.
Das Marienviertel ist ein gewachsener Ortsteil. Eingebettet zwischen Riedweg, Bismarckstraße/Grüner Weg und An der Wienbecke leben hier zirka 3000 Menschen. Darunter aber zunehmend mehr ältere und alte Mitbürger.
2030 wird der größte Teil der Marienviertler zwischen 60 und 85 sein, viele von ihnen haben Einfamilienhäuser auf sehr großen Grundstücken. Deshalb ist das Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen groß. Auch an einem Haus oder Wohngemeinschaften für betagte und dement gewordene Marienviertler. Außerdem sollen junge Leute und Kinder dazukommen. Das haben die Bewohner des Quartiers wiederholt deutlich gemacht.
Neue Wohnbebauung auf dem ehemaligen Realschulgelände
Eine neue Wohnbebauung bietet sich auf dem 25.000 Quadratmeter großen Gelände der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Realschule an. Seit drei Jahren ringen die Bürger des Viertels zusammen mit der Stadtverwaltung um Lösungen und lassen viele Vorstellungen aus ihrer Ideenwerkstatt 2017 einfließen, damit der Ortsteil verjüngt und belebt werden kann.

Die Nebengebäude der ehemaligen Realschule warten auf ihren Abriss. Ein Bebauungsplan wird aber frühestens in 18 Monaten spruchreif sein. © Claudia Engel
„Wenn alles gut geht, ist der Bebauungsplan in 18 Monaten fertig“, sagt Dietrich Sell, einer der Aktiven in der Initiative gemeinschaftliches Wohnen im Marienviertel. Er kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht: „Alle Lebenszyklen sollen sich in unserem Quartier abbilden“, wünscht sich Sell und ist damit nicht allein. Viele ältere Menschen im Marienviertel wollen das auch.
Wohngemeinschaften und kleinere Apartments für ältere Mitbürger zum einen, Mehrfamilienhäuser und Häuser für junge Familien und ältere Menschen zum anderen: „Für genossenschaftliches Wohnen haben wir schon jetzt mehr Interessenten als nur für ein Wohnhaus mit 20 Einheiten“, sagt Sell. Einen Wohnturm wollen die Marienviertler aber nicht in ihrer Mitte haben: „Das müssen die Planer anders lösen“, sagt Sell.
Behütet und doch verwurzelt im Viertel bleiben
Mittelpunkt der neuen Wohnbebauung auf dem Gerhart-Hauptmann-Realschulgelände soll anstelle der alten Turnhalle ein Wohnhaus sein, in dem dement gewordene Quartier-Bewohner und andere ältere Herrschaften leben können. Ein Haus, das sie einerseits behütet, ihnen andererseits aber Möglichkeiten eröffnet, sich frei im gewohnten Umfeld zu bewegen. Einer von vielen Vorschlägen der Engagierten.
„Wir finden es nur fair, dass wir mitreden können und unsere Expertise einfließt“, sagen die Marienviertler. Letztendlich entscheide natürlich der Rat, ob er den Plänen dann zustimme, doch im Vorfeld gebe es diesen wichtigen Mitbestimmungsprozess, auf dessen Einhaltung sie Wert legen.
Vorausschauende Verkehrsplanung wäre gut
Die Mitbestimmung spielt für die Menschen im Marienviertel auch bei der Verkehrsführung in ihrem Viertel eine große Rolle. Das hat sich am Luner Weg erwiesen, als die Politik letztendlich den Vorschlägen der Einwohner folgte, dass der Weg in beiden Richtungen befahrbar sein soll und dort Tempo 30 beibehalten wird. Rolf Rommeswinkel vermisst allerdings auf der vom Lippeverband neu gebauten Brücke über den Wienbach ein Verkehrsschild, wer denn im Begegnungsverkehr als erster fahren darf: „Momentan diskutieren die Verkehrsteilnehmer das noch aus“, kommentiert er trocken.
Vermisst wird im Marienviertel auch ein Gesamtverkehrskonzept. „Bis jetzt reagiert die Verkehrsplanung nur, sie ist nicht vorausschauend tätig“, so Rommeswinkel und führt als ein Beispiel die völlig marode Marienstraße an.
Die alten Eichen brauchen Zuwendung
Franz-Josef Gövert, von Berufs wegen Kenner der Grünpflege, findet es schade, dass die alten Eichen auf dem Schulhof der ehemaligen Realschule nicht besser gepflegt und in einer gesunden Entwicklung unterstützt werden. Die bis zu 100 Jahre alten Bäume führen dort mit den Wurzeln unter dem Schulhofasphalt und in der vernachlässigten Umgebung ein kümmerliches Dasein. Dabei soll sich der ehemalige Schulhof mit der neuen Wohnbebauung ringsum zu einem Begegnungszentrum für alle Bewohner entwickeln.

Der ehemalige Innenschulhof der Gerhart-Hauptmann-Realschule ist Standort zahlreicher etwa 100 Jahre alter Eichen. Die verkümmern aber zwischen dem Asphalt. © Claudia Engel
Anzeichen dafür, dass die Marienviertler auch von selbst zupacken und das ehrenamtlich tun, um ihr Quartier lebendig zu gestalten, zeigen sich an vielen Stellen. So wird, wenn Corona das endlich zulässt, eine alte Telefonzelle als Bücherschrank auf der Grünfläche vor dem Cafe Spangemacher dienen. Auf der Streuobstwiese hinter dem Schulgelände haben Familien mit ihren Kindern schon Spuren hinterlassen: Sie haben Wildblumensamen auf abgesteckten Flächen eingearbeitet. Blüht der neue Teppich erst einmal, dürften Bienen sich dort heimisch fühlen. Dank Geld aus dem Bürgerbudget wird dort demnächst auch eine Sitzgruppe aufgestellt. Der richtige Platz zum Innehalten und zum Gespräch unter Nachbarn.
Wann wird die Deichkrone freigegeben?
Zwischen Luner Weg und Bismarckstraße kann der Lippeverband noch etwas tun, damit sich die Bewohner des Viertels noch heimischer fühlen: „Schön wäre es, wenn die Deichkrone bald freigegeben werden würde“, sagen Johannes Wulf und Rolf Rommeswinkel. Ein Zaun versperrt Fußgängern noch den kürzeren Weg zwischen den beiden Straßen. Der Lippeverband habe das angekündigt. Auf die Umsetzung warten die Marienviertler noch.
Seit 20 Jahren als Lokalredakteurin in Dorsten tätig. Immer ein offenes Ohr für die Menschen in dieser Stadt, die nicht meine Geburtsstadt ist. Das ist Essen. Ehefrau, dreifache Mutter, zweifache Oma. Konfliktfähig und meinungsfreudig. Wichtige Kriterien für meine Arbeit als Lokalreporterin. Das kommt nicht immer gut an. Muss es auch nicht. Die Leser und ihre Anliegen sind mir wichtig.
