Aus Mitleid gehandelt Arzt aus Datteln muss nach Sterbehilfe in Dorsten ins Gefängnis

Aus Mitleid gehandelt: Arzt muss nach Sterbehilfe ins Gefängnis
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Es war eine Entscheidung aus Mitleid – da haben die Richter keinen Zweifel. Strafbar war sie trotzdem. Ein deutschlandweit bekannter Sterbearzt aus Datteln ist nach einem assistierten Suizid in Dorsten am Donnerstag (1.2.) zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil des Essener Schwurgerichts lautet auf Totschlag.

Der Arzt selbst hatte bis zuletzt auf einen Freispruch gehofft. Sicher war er sich aber nicht. Kurz vor der Urteilsverkündung hatte er sich noch einmal direkt an seine Frau gewandt, die unter den Zuschauern Platz genommen hatte, und sie gebeten, dass sie zu ihm halte. Eine Liebesbotschaft.

Nicht freiverwantwortlich

Der 81-Jährige hatte im August 2020 einem Patienten aus Dorsten Sterbehilfe geleistet. Grundsätzlich ist das nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch nicht verboten. In diesem konkreten Fall waren jedoch Zweifel aufgekommen.

War der Dorstener überhaupt in der Lage, die Tragweite seiner Entscheidung einzuschätzen? Hat er „freiverantwortlich“ gehandelt, wie es juristisch heißt? Die Essener Richter haben beide Fragen klar verneint. Hintergrund ist eine schwere psychische Erkrankung des Dorsteners.

Paranoide Schizophrenie

Der 42-Jährige hat rund 15 Jahren lang an paranoider Schizophrenie gelitten. Er hatte Ängste, Wahnvorstellungen, Verfolgungsfantasien. Ebenso war im Prozess von Depressionen und absoluter Hoffnungslosigkeit die Rede.

Auch, wenn der Arzt das bis zuletzt bestritten hat: Die Richter hatten am Ende des Prozesses keinen Zweifel, dass die Erkrankung auch in den Wochen vor dem Suizid akut war. Der Dorstener hatte sich erst drei Monate zuvor gegen ärztlichen Rat aus der Psychiatrie entlassen. Zuletzt hatte er sogar darum gebeten, keinen Namen auf seine Grabstätte zu setzen, da er eine Verwüstung befürchtete.

Ziel war es, zu helfen

Die Richter haben keinen Zweifel, dass dem Dattelner Arzt all das bekannt und bewusst war. Trotzdem habe er die Sterbehilfe durchgeführt. „Sein primäres Ziel war es, einer schwer kranken und leidenden Person den Wunsch zu sterben zu erfüllen“, sagte Richter Simon Assenmacher bei der Urteilsbegründung des Schwurgerichts.

Um die Strafbarkeit nicht gleich offensichtlich werden zu lassen, habe er sogar sein Gutachten mit unklaren Formulierungen versehen. „Er hat bewusst entschieden, es darauf ankommen zu lassen, um die aus seiner Sicht ethisch notwendige Hilfe zu leisten“, so Assenmacher.

Der Dorstener hatte mehrfach versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Er hat sich mit einem Messer in Hals und Arm gestochen, eine Überdosis Tabletten geschluckt. Er war jedoch jedes Mal gerade noch gerettet worden.

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