
Andreas Englert fuhr in einem Sprinter einen Hilfstransport in die Ukraine. © privat
Andreas Englert fuhr Hilfstransport in die Ukraine: „Das macht süchtig“
Ukraine
Panzer vor dem Hotel, Hundegebell und Schüsse in der Nacht: Der Dorstener Andreas Englert fuhr kürzlich einen Hilfstransport in die Ukraine. Er sagt: „Das macht süchtig.“
Andreas Englert ist 62 Jahre alt, Berufskraftfahrer. Für ein großes Unternehmen arbeitete er lange Jahre als Vorstandsfahrer und lernte dabei Ferdinand Schwanitz aus Metternich kennen - ebenfalls Vorstandsfahrer, allerdings für ein großes Medienunternehmen.
Bereits ab 1999 war Andreas Englert immer wieder in Osteuropa bei Hilfstransporten aktiv. „Wie die Jungfrau zum Kind“, sei er dazu gekommen, sagt er lächelnd. In der Firma seiner Frau hatte ein Kollege für Weißrussland gesammelt - doch dann fehlte ein Lkw-Fahrer. Englert, der den Lkw-Führerschein besitzt, sagte zu und fuhr in dem Jahr zweimal nach Weißrussland. „Es ist Strapaze ohne Ende“, sagt er. Aber auch: „Man wird süchtig danach.“
Freude der Menschen eine „gute Bezahlung“
Warum? Wenn er die Armut gesehen habe und dann, wie die Menschen und gerade Kinder sich gefreut hätten, wenn er mit Spenden anrückte, habe er das immer als „gute Bezahlung“ empfunden. Beruflich wechselte Englert häufig den Arbeitsort, war einige Jahre auch aktiv in der „Aktion Tschernobyl Pfreimd“, eine Stadt im Oberpfälzer Landkreis Schwandorf.
Mittlerweile ist der gebürtige Dorstener wieder beruflich in die Heimat zurückgekehrt und erhielt im Urlaub am 10. Juli einen Anruf von seinem Freund Ferdinand Schwanitz, der einen Mitfahrer für einen Hilfstransport der Friedrich Josef Haas Gesellschaft und des großen Medienunternehmens in die Ukraine suchte. Mit einem Sprinter, vollgepackt mit Medikamenten und Verbandsmaterial sowie 50.000 Euro in bar, ging es am Montagmorgen, 11 Juli, los. Gedacht waren das Material und Geld für die Krankenhäuser in der ukrainischen Millionenstadt Odessa.
Schilder warnten vor Bären und Wölfen
Dass in Rumänien beispielsweise eben doch nicht alles wie in Deutschland ist, merkte Englert schnell. „Alle zwei Stunden haben wir Fahrerwechsel gemacht und ich habe eine geraucht. Aber da stehen im Gebirge die Schilder, wo vor Bären und Wölfen gewarnt wird.“

Auf der Fahrt in die Ukraine hat Andreas Englert auch Pferdekarren überholt. Sechs Tage war der Dorstener für einen Hilfstransport unterwegs. © privat
In Galati (Rumänien), kurz vor der moldawischen und ukrainischen Grenze übernachtete Englert in einem Hotel: „Man ist total ausgelaugt und wird nachts durch Hundegebell geweckt.“ Dann hörte er Waffenfeuer. „Das gab es dann zweimal in der Nacht.“
„Wie in einem anderen Film“
„Wie in einem anderen Film“ habe er sich gefühlt, sagt Englert - vor dem Hotel habe ein Panzer gestanden. Am 14. Juli verbrachte Englert mit Schwanitz sechseinhalb Stunden im Zoll von Moldawien und der Ukraine. In brütender Hitze. Auch wenn die Stundenzahl etwas anderes suggeriert, sagt Englert: „Es lief sehr gut im Zoll. Denn die Ukrainer wussten Bescheid, dass wir kommen.“ Eine Frage, die die beiden Deutschen immer wieder gestellt bekamen, war: „Habt ihr Waffen dabei?“
Ein ukrainischer Offizier namens Boris sowie weitere zwei Männer hätten in Sichtweite 300 Meter hinter der Grenze in praller Hitze acht, neun Stunden gewartet. Das waren die Personen, denen die Hilfsgüter und das Geld übergeben wurden. Organisiert wurde der Austausch durch die Rotarier in Odessa. Sehr dankbar hätten sich die drei Männer beim Umladen gezeigt, sagt Englert - das sei auch der einzige Moment gewesen, als Offizier Boris seine Waffe weggelegt habe. Anschließend ging es zurück durch den Zoll und drei Tage später war Englert zu Hause.
Dass er ein Risiko eingegangen ist, ist Andreas Englert bewusst. Odessa, 150 Kilometer vom Übergabeort entfernt, wurde in der Nacht zum 19. Juli von Raketen getroffen. Und: „Putin hat kürzlich jemanden verhaften lassen, der humanitäre Hilfe geleistet hat.“ Den Kurztrip über die ukrainische Grenze und schnell zurück hat seine Frau ihm aber dennoch erlaubt: „Ansonsten hätte ich Nein gesagt.“
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
