Wohnen im Alter Babyboomer könnten zum echten Problem werden

Wohnsituation im Alter: Die Babyboomer könnten ein echtes Problem werden
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My home is my castle. Übersetzt heißt das: Mein Zuhause ist meine Burg. Viele Menschen betrachten ihre Wohnung oder ihr Haus als Schutzraum vor der Welt, als Rückzugsraum bei Problemen, als Ort der Geborgenheit. Gerade ältere Menschen entwickeln laut wissenschaftlicher Studien diese Gefühle für ihr Zuhause, das sie deshalb auf keinen Fall aufgeben wollen.

Und so leben in Deutschland unglaublich viele ältere Menschen auf eigentlich viel zu viel Wohnraum. Wohnraum, den sie ob der damit verbundenen Treppen oft kaum noch oder nur noch mit Treppenliften nutzen können, Wohnraum, den sie allein gar nicht brauchen und allein gar nicht unterhalten können. Ganz zu schweigen von den Gärten, die zumeist dazu gehören.

Ein älterer Mann steigt eine Treppe hinauf.
Treppen steigen wird im Alter schnell zur Last. Ein rechtzeitiger Auszug in eine barrierefreie Wohnung könnte da manchmal sinnvoll sein. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Unbestritten hat das Zuhause für ältere Menschen eine besondere Bedeutung, da es zunehmend zum zentralen Lebensmittelpunkt wird. Außerhäusliche Aktivitäten werden in der Regel seltener oder kürzer, sodass ältere Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen.

Auch bei einer fragiler werdenden gesundheitlichen Verfassung, so die Bundeszentrale für politische Bildung, und bei eintretender Hilfebedürftigkeit wünscht sich die Mehrheit älterer Menschen den Verbleib in der vertrauten Wohnung. Dieses Phänomen wird in der Literatur als „Ageing in Place“ beschrieben, was sich als „Alt werden im gewohnten Umfeld“ verstehen lässt.

Gesellschaftlich hat man hierzulande noch kaum auf die damit verbundenen Probleme reagiert. Fingen früher funktionierende und dichte Familienverbände die zunehmende Hilfsbedürftigkeit älter werdender Menschen in ihrem Wohnumfeld auf, stehen alte Menschen heute vielfach ganz allein da mit ihren Problemen. Isolation und Vereinsamung sind oft die Folge.

Zugleich gibt es viele Familien, die dringend mehr Wohnraum und einen Garten mit Spielraum für die Kinder suchen. Statt immer mehr Bauland auszuweisen, um dieses Bedürfnis nach Wohnraum zu befriedigen, könnte man da ja durchaus auf die Idee kommen, mehr Initiative in Wohnmodelle zu investieren, die die Bedürfnisse junger und älterer Menschen besser verschränken. Zumal jetzt die riesige Zahl an Babyboomern in das Alter kommt, in dem ein Wohnungswechsel oft ratsam wäre.

Als alternder Mensch müsste man sich dabei allerdings rechtzeitig von seinem vertrauten Zuhause lösen. Wer erst einmal 80 Jahre alt ist, dem ist ein Umzug samt Eingewöhnung in eine neue Umgebung kaum noch zuzumuten, führt der Schritt leider viel zu oft von der Wohnung nur noch ins Pflegeheim. Wer aber schon mit etwa 70 Jahren den Weg in eine andere Wohnsituation geht, kann davon sogar immens profitieren.

Eine zentraler gelegene Wohnung mit fußläufiger Infrastruktur, vom Bäcker bis zu Arzt, kann im Alter als Wohltat empfunden werden. Eine altersgerecht ausgebaute und ebenerdig gelegene oder mit dem Lift erreichbare Wohnsituation kann ein langes Leben in den eigenen vier Wänden viel eher garantieren als ein Einfamilienhaus in der Vorstadt.

Erforderlich ist dabei zweierlei: Die Bereitschaft zum „Umparken im Kopf“, also eine Flexibilität in Sachen Wohnen, die man frühzeitig angehen und planen sollte. Zusätzlich aber bedürfte es zunehmender öffentlicher Hilfestellungen, um älteren Menschen einen solchen Wohnübergang zu ermöglichen, wenn machbar möglichst auch noch im näheren Wohnumfeld.

Da wäre eine Stadtplanung gefordert, die den Bedarf junger Familien und älterer Menschen unter einen Hut bringt, die gemeinschaftliche Wohnformen plant und fördert, die Wohntausch-Börsen initiiert und unterstützt, die die Bedürfnisse einer immer älter werdenden Gesellschaft endlich als eine der zentralen Herausforderungen aufnimmt und zu einem der wichtigsten Stadtentwicklungs-Ziele macht.

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.

Hinweis der Redaktion: Diese Kolumne erschien ursprünglich am 27. Juli 2024.