Vom Wirtschaftswunder zum Auslaufmodell Als Marianne Koch die Ado-Goldkante im TV verkaufte

Vom Wirtschaftswunder zum Auslaufmodell: Als Marianne Koch die Ado-Goldkante im TV verkaufte
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Einst lieferte man in alle Welt, produzierte in Aschendorf auf über 100.000 Quadratmetern das, was in bundesrepublikanischen Wohnzimmern neugierige Blicke fernhielt. 1954 ging das Wirtschaftswunder los in dem kleinen Städtchen im Emsland. Hubert Wulf gründete dort seine Textilfirma, leitete den Namen des Unternehmens vom Standort ab: Ado aus Aschendorf.

25 Jahre später war man größter Produzent von Gardinen in Europa, lieferte hochwertige Gardinenstoffe sogar in die USA, hatte in Spitzenzeiten weltweit rund 1200 Mitarbeiter. Die Ado-Gardine war bis weit in die 80er-Jahre hinein ein riesiger Verkaufsschlager. „Die mit der Goldkante“ war eine Marke, für die bis 1979 die aus Film und Fernsehen bekannte Schauspielerin und Moderatorin Marianne Koch fast 600 Mal in ARD und ZDF Werbung machte.

Die Moderatorin, Schauspielerin und Ärztin Marianne Koch
Die Moderatorin, Schauspielerin und Ärztin Marianne Koch (*1931) war in den 70er-Jahren ein großer Werbestar in Deutschland, unter anderem für Ado, Gillette, Jacobs-Kaffee, Martini und Lux-Seife. © picture alliance / dpa

Doch irgendwann spätestens in den 90er-Jahren war das Image der Gardine hin. Nun galt sie als spießig, verschwand in vielen Wohnungen ersatzlos. Der penibel abgesteckte Gardinenstore der Wirtschaftswunderjahre, die mit viel Bleiche und Hoffmanns Gardinenstärke in Form gebrachten Fensterbehänge waren plötzlich ein Relikt von gestern.

Eine Studentenbude mit Gardinen? Unvorstellbar. Ein modernes Wohnzimmer mit Kiefermöbeln vom schwedischen Möbelhaus in Verbindung mit biederen Stores, möglichst noch ergänzt um die früher so angesehenen Schabracken rechts und links? Ein Grauen für Menschen, die die miefigen Anfangsjahre der Bonner Republik hinter sich lassen wollten. Und so begann der Niedergang der Gardine.

Auch in Aschendorf. Die ehemalige Kreisstadt liegt im nördlichen Emsland, fast an der holländischen Grenze. Die Goldkanten-Gardine aus den Ado-Werken war dort ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, so wie der Stahl im Ruhrgebiet. Wie der Krupp-Stahl stand die Ado mit der Goldkante für erfolgreiches Made in Germany, als Qualitätsversprechen von Europas größtem Hersteller für Heimtextilien.

Noch vor dem 60. Firmengeburtstag im Jahr 2014 war Schluss damit. 2013 wurden die Markenrechte an der Ado-Goldkante an den hessischen Textilverlag Zimmer + Rohde verkauft, die Produktion in Aschendorf eingestellt. Die Produktionshallen im Emsland wurden zwischenzeitlich als zentrale Asylunterkunft genutzt, von Logistikunternehmen angemietet, für viel andere Zwecke genutzt. Anfang Februar 2025 begann der Abriss großer Teile der Hallen.

Das Ende einer Emsländer Erfolgsgeschichte, die im geänderten Wohnverhalten der Menschen begründet ist. Wer früher auf Gardinen setzte, hat heute höchstens noch Folien, Jalousien, Plissees oder Faltrollos vor dem Fenster. Oder, in den letzten Jahren der große Renner: verstellbare Holzjalousien oder -lamellen. Aus Amerika kamen sie über den Teich, die Shutters.

Das sind Innenfensterläden aus Holz. Durch ihre waagerechten, verstellbaren Lamellen sind sie ein angesagter Sonnen- und Sichtschutz mit großem Gestaltungsfaktor für jede Wohnung. Bei geöffnetem Fenster lassen sie durch die Lamellen Frischluft ins Haus und schützen dennoch vor direkter Sonneneinstrahlung. Und brauchen dafür keine Goldkante.

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.

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