Im Umgang mit Trauernden gibt es kein Richtig oder Falsch - aber einige Tipps, die man beachten sollte. © dpa
Im Todesfall
Wie man Menschen in Trauer hilft und was man unbedingt lassen sollte
Möchten Trauernde auf ihren Verlust angesprochen werden? Oder ist es gut, dem aus dem Weg zu gehen? Castrop-Rauxeler Experten und Betroffene sagen, was für sie gutes Verhalten ist.
Als Martina Hosse-Dolega ihre drei Söhne verlor, riss sie das komplett „aus der Lebenspur“. Das sagt sie heute. All die Pläne, die sie mit ihrer Familie hatte - plötzlich dahin. Ob sie selbst noch eine Aufgabe hat, habe sie sich gefragt. „Und sollte das noch ein tatsächliches Leben sein, oder nur ein Dahinplätschern?“
„Ausweichen ist keine Option“
Der Verlust ihrer Söhne liegt über 20 Jahre zurück. Inzwischen hilft die 50-Jährige selbst Trauernden, ist Autorin eines Kinderbuches über das Sterben und hält Vorträge zum Thema Kindertrauer. Einerseits, weil sie darin ihre Aufgabe gefunden hat: „Es ist wichtig, nicht nur zu vegetieren, sondern zu leben“, sagt Martina Hosse-Dolega. Andererseits, weil sie der Umgang mit Trauernden „unglaublich schockiert“ habe.
Sie selbst habe erlebt, wie ihr Bekannte in Geschäften aus dem Weg gegangen sind. „Ausweichen ist keine Option“, sagt sie. Vielleicht kurzzeitig, wenn man mit der Situation überfordert ist. Doch dann rät sie Menschen, offen und emphatisch auf Trauernde zuzugehen. Zu signalisieren: Ich bin da. Und zwar mit konkreten Angeboten wie etwas zu kochen. „Trauernde sind oft nicht in der Lage, um um etwas zu bitten“, weiß Martina Hosse-Dolega. Offene Hilfsangebote nehme erfahrungsgemäß niemand an.
Trauer ernst nehmen statt vertrösten
Gleichzeitig rät sie von vorschnellen Ratschlägen ab. „Jedes Wort zählt“, sagt Martina Hosse-Dolega. Manchmal helfe auch ein wortloser Kontakt. „Das Schlimmste sind die bagatellisierenden Äußerungen, die Trauernde erfahren müssen“, erzählt sie. Aus Hilflosigkeit, nicht aus Boshaftigkeit ihrer Mitmenschen, ist sie sicher. Doch Sätze wie: „Sei doch nicht traurig, das passiert vielen Menschen“ oder „Zeit heilt alle Wunden“ würden Menschen in akuter Trauer überhaupt nicht weiterhelfen.
Das sieht auch Barbara Knies, Seelsorgerin im St. Rochus-Hospital, so: Jemanden zu vertrösten, signalisiere vielmehr, dass man den Trauernden in seiner jetzigen Situation nicht ernst nehmen würde. Auch wenn sie betont, dass es kein richtig und falsch gibt, wenn man Trauernden begegnet. Doch im Grunde gehe es um Wertschätzung.
Diese Tipps gibt die Seelsorgerin:
Trauer ist viel seelische Arbeit und braucht Zeit. Es gibt keine Norm, auch wenn Trauernde das oft von ihrem Umfeld mitbekommen. Davon rät die Seelsorgerin ab.Stattdessen sollte man - ohne zu werten - den Schmerz der Trauernden achten und sie ihren eigenen Weg gehen lassen.Auch die eigene Hilflosigkeit zu thematisieren, ist eine Form der Kontaktaufnahme. Sätze wie: „Ich weiß gar nicht genau, was du brauchst“ vermitteln Trauernden zumindest, dass an sie gedacht wird.Viele Trauernde wünschten sich, dass einfach jemand bei ihnen ist, Geduld mitbringt, den Schmerz gemeinsam auszuhalten. Es gehe nicht immer darum, etwas zu tun. Trotzdem könne man die Augen nach Dingen offen halten, die Trauernde entlasten können.Dabei sei es wichtig, dass jeder Mensch anders trauert. Bestimmte Typen möchte die Seelsorgerin nicht charakterisieren. Doch es gebe Menschen, die stark fühlen, die ihre Trauer vermeiden, die sich in Arbeit stürzen und viel tun und diejenigen, die denken und viel Wissen brauchen. Jeder Zugang sei völlig in Ordnung.
Erfahrungen aus einer Selbsthilfegruppe
Martina Hosse-Dolega hilft Trauernden. Dabei musste sie selbst einen schweren Verlust verarbeiten. © Tobias Wurzel
Letzteres trifft wohl auf Martina Hosse-Dolega zu. Sie habe mehr über Trauer erfahren wollen, hat sich zur Trauerbegleiterin ausbilden lassen. Bei Trauerbegleitung sei es wichtig, fachliche Kompetenz, aber auch genauso viel Menschlichkeit auszustrahlen.
Sie selbst besuchte nach dem Tod in ihrer Familie in ihrer Trauer eine Selbsthilfegruppe und war mit der Struktur dort nicht zufrieden: „Es ist schwierig, wenn jemand bewertet, wann jemand trauern darf.“ Das sei kontraproduktiv gewesen. Daher habe sie eine eigene Gruppe aufgemacht.
Angebote für Trauernde
Das Angebot eines Trauercafés gibt es in Castrop-Rauxel nicht mehr, sagt Barbara Knies. Im Jahr 2014 schloss das Café, da es nicht angenommen wurde. „Wenn zu wenige kommen, bringt das denen auch nichts“, sagt die Seelsorgerin. Den Arbeitskreis, der das Café organisierte, eine Gruppe aus Hospizdienst der Caritas, dem St. Rochus-Hospital und Ehrenamtlichen , gibt es weiterhin. Mehrmals im Jahr veranstaltet er Trauergottesdienste.
Bei Einzelanfragen könne der Arbeitskreis auch weiterhelfen, sagt Barbara Knies. Zudem gebe es in der Umgebung einige Trauergruppen. „Was ich beobachte, ist, dass viele Hospize eigene Trauerangebote haben. Das finde ich total sinnvoll.“ Außerdem können Bestattungshäuser helfen. Martina Hosse-Dolega arbeitet etwa mit dem Bestattungshaus Friedrich zusammen.
Ein Leben davor und ein Leben danach
Einen Ort, an dem sich Menschen, die Ähnliches erlebt haben, einfach nur austauschen können, hält sie zumindest für sinnvoller als ein angeleitetes Trauercafé. Vor allem aber habe es ihr geholfen, dass ihre Freunde sie offenbar verstanden haben. Dass sie ihr zugehört haben, auch wenn sie Dinge immer wieder neu erzählen musste.
Martina Hosse-Dolega spricht klar von einem Leben davor und einem danach - ohne zu werten. Sicher hätte sie ihr Leben lieber gemeinsam mit ihren Söhnen weitergeführt. Doch die Trauer habe auch mehr Tiefe in ihr Leben gebracht und ihr klar gemacht, was ihre Kraftquellen sind: ihr Umfeld, Tiere und die Natur.
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