Wer an die Kneipenszene in Castrop-Rauxel denkt, kommt nicht am Alten Markt vorbei. Gefeiert und getrunken wurde dort in den 80er-Jahren viel und wild. Aber bitte mit Niveau.
Die rustikale Kneipe mit klassischer Eicheneinrichtung eröffnete Wirt Volker Castrup im September 1981. Es war, neben dem Ambrosius (später Miljöh) seine zweite Kneipe.
Und was hätte sich in der Hochzeit der Castroper Kneipenszene mehr angeboten, als ein Lokal im gerade fertiggestellten Gretenkord-Haus zentral am Altstadtmarktplatz? Der Name „Alter Markt“ rührt allerdings wonders her. „Angelehnt war das an den Alten Markt in Dortmund“, sagt Volker Castrup. Quasi als Hommage an die Thier Brauerei, die die Kosten für die Inneneinrichtung des „Alter Markt“ in Castrop-Rauxel übernahm.
Logisch, wollte man Anfang der 80er-Jahre auch möglichst viele Kneipen in der Stadt mit dem eigenen Bier beliefern. Und die Kneipenszene in Castrop-Rauxel war ein vielversprechender Markt. „Castrop hatte damals ein tolle Außenwirkung und eine richtige In-Szene“, erinnert sich Volker Castrup. Er sollte es wissen, hat Castrup doch insgesamt fünf Kneipen in der Altstadt als Wirt und Gastronom aufgebaut und betrieben.
Feine Kneipe für feine Leute
Hatte Castrup mit dem Ambrosius noch eher junge Leute und Studenten als Zielgruppe bedient, sollte der Alte Markt nach seiner Eröffnung am 5. September 1981 für zahlungkräftiges Publikum gemacht sein. „Hier hatten wir auch einen Türsteher“, sagt Castrup.
Das gefiel nicht jedem und so beschwerte sich ein Gast auch schon mal schriftlich bei Castrup über die „Kneipe für die High Society von Cas(trop)“. Ob man schon zu den Auserwählten gehöre, ließe sich leicht ausprobieren. Käme man mit geflickten Jeans und Parka, würde einem gesagt, es sei schon zu voll. „Wenn du aber draußen wartest, dann wirst du merken, dass für richtig feine und hübsche Menschen noch Platz ist“, so heißt es weiter. Nun, sein Bierchen scheint der Gast trotzdem bekommen zu haben. Denn im Ambrosius um die Ecke würde sein Geld gerne genommen. Von demselben Besitzer verstehe sich. „Na denn man Prost!“ schließt der Brief.

Nicht jedem passte die Gästepolitik im Alten Markt. © Matthias Stachelhaus
Für Gäste, die dem Blick des Türstehers standhielten, ließ Castrup sich allerdings eine ganze Menge einfallen. Wechselnde Dekorationen zu Weihnachten, Karneval oder dem Erntedankfest gehörten genauso in den Alten Markt wie Cocktailpartys, Frühshoppen oder DJ-Musik bis in die frühen Morgenstunden. Ruhetage gab es nicht, so heißt es in einer Zeitungsanzeige des Alten Markts.

Herrengedeck im Alten Markt: Inhaber Volker Castrup schenkt den Gästen ein. © Peter Berg (Repro)
„Karneval war immer die Hölle“, sagt Volker Castrup und muss grinsen. Um 10 Uhr morgens ging’s los, um 11 Uhr war der Laden überfüllt. „Stellenweise hatten wir einen Feuerwehrhauptmannn zur Kontrolle da.“ Karneval hin oder her, Brandschutzvorschriften mussten trotzdem eingehalten werden.
Mit Casy‘s Biermobil auf Tour
Und wenn Castrup nicht gerade im Alten Markt war, tourte er mit Casy‘s Biermobil durch die Gegend. Ein Oldtimerbus, den der Wirt der Feuerwehr Henrichenburg abgekauft hatte und zu einer rollenden Bar mit voller Ausstattung umgebaut hatte. „Damit waren wir überall unterwegs und vor allem unabhängig“, erzählt Castrup. Bei einer Schiffstaufe am Kanal in Datteln sei man beispielsweise mit Notstromaggregat angereist, um die Gäste zu bewirten.

Mit Casy‘s Biermobil belieferte Volker Castrup durstige Kunden auch unter freiem Himmel. © Peter Berg (Repro)
Autos spielten mehrfach eine größere Rolle in der Geschichte des Alten Markts. Denn auch in den 80er-Jahren wollte der Marktplatz belebt werden. Autobasare am Sonntag sollten Kunden, Autofans und Familien auf dem Marktplatz etwas bieten. Dazu taten sich Gastronomen und Wirte am Markt mit Händlern aus Castrop-Rauxel und Umgebung zusammen. „Zweimal haben wir das angeboten“, erzählt Castrup. Ein besonderer Clou: Auf dem Marktplatz wurde ein Autokran aufgestellt, mit dem man sich gegen eine kleine Gebühr in einem Korb 50 Meter über den Markt hochziehen lassen konnte.
Einziges Problem der Veranstaltung: Die Autohändler durften am Sonntag nichts verkaufen. Offiziell konnte man die ausgestellten Fahrzeuge nur anschauen. Was dann hinter den verschlossenen Türen der Wohnwagen, die viele Händler mitbrachten, passierte, darüber kann natürlich nur spekuliert werden.
Jubelparty zum fünften Geburtstag
Zum fünfjährigen Bestehen im Septebmer 1986 dann, ließ man es im Alten Markt zehn Tage lang richtig krachen. Auf dem Programm standen unter anderem Cocktailparty, Lady-Time, Oktoberfest und eine Jazz-Matinee mit der Band „Jebble‘s Company“:

Zehn Tage lang Dauerparty gab es im Alten Markt zum fünften Geburtstag der Kneipe. © Volker Castrup
1989 gab Castrup den Alten Markt an einen Pächter ab, widmete sich stärker anderen Lokalen, unter anderem machte er einen Ausflug in die Nachbarstadt Herne. „Das hat aber nicht so gut geklappt, die Szene war hier nicht die gleiche.“ Also ging er 1996 wieder zurück zum Alten Markt. Die zweite Ära am Marktplatz sei allerdings deutlich schwieriger gewesen.
2001 gab Castrup den Alten Markt dann erneut ab, widmete sich dem Projekt „Klapsmühle“ nur wenige Meter weiter die Straße runter. Endgültig geschlossen wurde die Kneipe im Gretenkord-Haus dann Mitte dieses Jahrzehnts und ging in die ewigen Jagdgründe der Kneipenszene von Castrop-Rauxel.
Beruflicher Quereinsteiger und Liebhaber von tief schwarzem Humor. Manchmal mit sehr eigenem Blick auf das Geschehen. Großer Hang zu Zahlen, Statistiken und Datenbanken, wenn sie denn aussagekräftig sind. Ein Überbleibsel aus meinem Leben als Laborant und Techniker. Immer für ein gutes und/oder kritisches Gespräch zu haben.
