Die Partys der 80er im Miljöh an der Wittener Straße sind Legende. Wir haben mit Ex-Besitzer Bubi Leuthold und Stammgast „Hucky“ über alte Zeiten und das Revival am Freitagabend gequatscht.
Coole Leute, ein unheimlich gemütliches und modernes Ambiente, immer gute Stimmung und legendäre Partys, besonders zu Karneval.“ Das sind die Schlagworte, die Uwe „Hucky“ Schlingermann einfallen, wenn er ans Miljöh denkt.
Damit fasst das Castroper Urgestein im Grunde zusammen, welche Erinnerungen viele Menschen mit dem Miljöh verbinden. „Wow, das waren noch Zeiten“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook unter unserem Post, in dem wir mit einem alten Foto aus dem Miljöh Erinnerungen an die Kneipenszene der 80er- und 90er-Jahre gesucht haben.
Ambrosius wird 1982 zum Miljöh
Große Bekannt- und Beliebtheit bei den jungen Menschen der Stadt genoss die Kneipe an der Wittener Straße natürlich nicht erst, seit sie den Namen Miljöh trug. Denn vor ihrer Eröffnung 1982 hieß die Kneipe Ambrosius. „Das war die Erste für junge Leute“, sagt Schlingermann.
Im Ambrosius war auch der spätere Besitzer des Miljöh als Aushilfe tätig: Bubi Leuthold. „Die Thier-Brauerei hat sich damals für die Kneipen engagiert“, sagt Leuthold. „Es gab eine Aufbruchstimmung in der Stadt und in der entwickelte sich eine Szene um die Kneipen.“ Als das Ambrosius in die Räume des Alten Markts wechselte, war das Lokal an der Wittener Straße vakant.
Mit Unterstützung der Brauerei und des Hausbesitzers eröffnete Leuthold im Februar 1982 seine erste eigene Kneipe mit Jugendstileinrichtung: das Miljöh. Quasi passend zur größten Kneipensause des Castroper Jahres: Karneval. „Da war es schon so voll, da ist keiner mehr reingekommen“, sagt Leuthold über den Einstand.
Verruchte Weihnachtsparty wird zum Kult
Auch außerhalb der fünften Jahreszeit ging es im Miljöh oft hoch her. „Wir waren glaub ich die ersten, die auch an Heiligabend aufgemacht haben.“ Ein kühner Plan, hatte die Öffnung am 24. Dezember nach Bescherung und Familienessen 1982 etwas Verruchtes, das aber gut ankam. „Super war immer der 24. Dezember. Erst Familie und abends ins Miljöh“, schreibt Michael Biehl dazu auf Facebook.
Bubi Leuthold und sein Kumpel Friedhelm Kmiecik wagten das Experiment schon im ersten Jahr, also 1982. „Ich hab den (Friedelm Kmiecik) abgeholt und dann sind wir Heiligabend um halb 9 durch die Altstadt zum Laden gefahren. Es war natürlich kein Mensch auf den Straßen. Als wir da waren, hat er mich gefragt: ‚Soll ich die Rollladen überhaupt hochziehen?‘ 30 Minuten später war die Bude rappelvoll.“
Sogar eine Bescherung gab es in der Kneipe. Gewissermaßen. Die allseits bekannten Wundertüten aus der Metro hatte Leuthold aus Jux an der Decke aufgehängt. Ein Jahr später waren sie nicht mehr wegzudenken. „Da waren doch auch diese Schwimmer mit Propeller drin“, erinnert sich Uwe Schlingermann und muss lachen. „Die haben wir dann im Spülbecken ihre Runden drehen lassen.“
Kassenspiel sorgt für gute Laune und dicke Schädel
Ein Klassiker, der für den ein oder anderen dicken Schädel gesorgt haben dürfte, war das sogenannte Kassenspiel. Für eine Kneipe ganz untypisch hatte das Miljöh nämlich eine voll programmierte elektronische Kasse. „Eigentlich eine Fehlinvestition“, sagt Leuthold. „Wir haben die nie zum Abrechnen benutzt.“ 120 Getränke waren dennoch einprogrammiert. „Dann musstest du eine Nummer drücken und es gab ne Runde von dem, was rauskam.“ Stammgäste wussten: von Nr. 1 bis 20 waren Biere abgespeichert. Ab Nr. 21 aufwärts wurde es hochprozentig, also interessanter, erklärt Leuthold mit einem Augenzwinkern.
Erinnert man sich ans Miljöh zurück, werden auch unweigerlich Erinnerungen an den Mittagstisch wach. Den gab es zwar erst ab 1987, also in Bubi Leutholds letztem Jahr als Chef der Kneipe, aber „das lief sofort sehr gut an“, erinnert er sich. 50 bis 80 Gerichte gingen täglich über die Theke. Zweifelsohne, weil es gut geschmeckt hat.
Wie ein Kneipier zum Kochen kommt
Denn Leuthold hatte schon seit Ende 1982 einen Stammtisch von Köchen, die jeden Dienstagabend nach ihrer Schicht im Haus Goldschmieding den Abend ausklingen ließen. „Vor 12 Uhr waren die natürlich nicht da“, sagt Leuthold und lacht. Kein Problem für den Kneipier. „Ich habe immer schon gerne gekocht.“ Viele Abende also, in denen Leuthold und die Kochprofis, die im Übrigen aus ganz Deutschland kamen, über kulinarische Konzepte philosophieren konnten.
Das Kochen wurde ab 1987 dann schließlich auch die neue Profession für Leuthold. Er gab das Miljöh zugunsten des Restaurants „Die weiße Brust“ in Recklinghausen auf. Warum? „Irgendwann muss man sich halt überlegen, ob man täglich bis morgens um fünf hinter dem Tresen stehen will, auch wenn es immer sehr viel Spaß gemacht hat.“
Das Miljöh lief auch ohne Bubi Leuthold noch eine Zeit lang weiter. „Die Hochzeit war da aber vorbei“, sagt „Hucky“ Schlingermann. Zumindest für die Kneipe selbst. Geblieben sind viele schöne Erinnerungen, manche Ehe die dort ihren Anfang nahm und gute Freunde. „Viele von damals pflegen heute noch einen guten Kontakt.“
Revivalparty im Adventszelt
Die guten alten Zeiten will Leuthold am Freitag wieder aufleben lassen. Deswegen lädt er im Adventszelt zur Miljöh-Revivalparty ein. Damit die alten Zeiten wieder so richtig gut aufleben können, hat Leuthold sogar die alten Schallplatten aus dem Keller des Miljöh geholt und entstaubt. „Mal schauen, ob wir da noch ein paar von abgespielt bekommen“, sagt Leuthold.
Sollten sie mal springen, könnte der DJ wohl auf eine alte Reparaturmethode aus dem Miljöh zurückgreifen. „Wir haben damals dann einfach Fürst Bismarck (einen Korn) draufgetan, dann lief es wieder“, sagt Schlingermann und lacht. Zwei Miljöh-Klassiker werden am Freitag wohl nicht fehlen dürfen: „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ war stets der Knaller zum Höhepunkt des Abends. Am Schluss wird es wohl heißen: „I was born under a wandering star“, der allseits bekannte „Rausschmeißer“ im Miljöh.
- Am Freitag, 16. November, startet ab 19.30 Uhr die Miljöh-Revivalparty im Adventszelt auf dem Weihnachtsmarkt.
- Das Motto des Abends „Alte Scheiben neu aufgelegt“ dürfen die Gäste ruhig wörtlich nehmen und eigene alte Schallplatten mitbringen.
- Der Eintritt an der Abendkasse kostet, wie üblich, 8 Euro.
Beruflicher Quereinsteiger und Liebhaber von tief schwarzem Humor. Manchmal mit sehr eigenem Blick auf das Geschehen. Großer Hang zu Zahlen, Statistiken und Datenbanken, wenn sie denn aussagekräftig sind. Ein Überbleibsel aus meinem Leben als Laborant und Techniker. Immer für ein gutes und/oder kritisches Gespräch zu haben.
