Wellness-Oase statt Waschraum Das Badezimmer spiegelt unsere Wohlstandsgesellschaft wider

Wellness-Oase statt Waschraum: Badezimmer im Wandel der Zeit
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An kaum einem Raum in modernen Häusern kann man die Entwicklung des Wohnens in den vergangenen 100 Jahren so gut ablesen wie am Bad. Blickt man in ein Bad in einem unrenovierten Altbau etwa aus den 20er-/30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so blickt man in ein knapp 5 Quadratmeter großes Räumchen, in dem sich WC, Handwaschbecken und Wanne, vielleicht auch nur Sitzwanne befinden.

Guckt man sich Architektenentwürfe neuer Häuser an oder sieht man sich in einem Badeinrichtungs-Studio um, so ist man in einer komplett anderen Welt unterwegs: Riesige ebenerdige Duschräume mit Regenwasser-Duschen, frei stehende Wannen aus edlen Materialien, mindestens zwei üppige Waschtische und jede Menge Licht prägen die Bäder heutiger Tage, selbst in Etagenwohnungen sind Bäder keine Stiefkinder des Wohnens mehr.

Ein altes Badezimmer mit Wanne, bunten Fliesen, altertümlichem Waschbecken.
Ein Bad, wie man es früher kannte. Eng, dunkel, auf reine Funktion ausgelegt. © picture alliance/dpa

War das Bad früher also reiner Nutzraum für die schnelle morgendliche Wäsche (gebadet wurde nur einmal in der Woche, das Duschen in Wohnungen war quasi noch nicht erfunden), so haben sich die Bäder heute zu Wellness-Oasen entwickelt. Gab es früher Kernseife, Rasierwasser und ein Fläschchen 4711, so reihen sich in den Bädern heute ganze Batterien von Cremes, Lotionen, Duftwässerchen, Gesichtsmasken und andere Beauty-Produkten aneinander.

Die bundesdeutsche Wohlstands-Gesellschaft lässt sich daher an keiner Wohn-Entwicklung so genau ablesen wie im Bad. Wo einst nüchterne Sachlichkeit und Kälte vorherrschte, aalt man sich heute in edelsten Materialien. Wo noch in den 70er-Jahren Bahamabeige oder Resedagrün die Badezimmer-Biederkeit dokumentierte, erstrahlen die Sanitärobjekte heute zwingend in strahlendem Weiß, umgeben von voluminösen Fliesen in allerlei Steinoptik.

Nichts ist da geblieben von der einstigen Piefigkeit deutscher Kleinbürger, als Schlafzimmer und Bäder noch streng unter Verschluss gehaltene Räume waren, die einen klaren Zweck erfüllten und ansonsten gemieden wurden. Schlafzimmer zum Wohlfühlen? Undenkbar früher. Wellness-Bäder? Unvorstellbar. Schon ein beheizbares Bad war lange genug ein Luxus, den man nur in wenigen Wohnungen vorfand.

Soft schließende Toilettendeckel, Bidets, üppige Spiegelflächen oder gar großflächige Fenster wären da undenkbar gewesen. Und heute? Heute sind in immer mehr Einfamilienhäusern eigene Bäder für Kinder keine Seltenheit, sind Bäder en Suite, also direkt vom Schlafraum aus zugänglich, fast schon ein Standard in vielen Architektenplänen.

Nur zwei Details haben sich in Familienbädern in den vergangenen 100 Jahren nicht geändert: Unverschlossene Zahnpasta-Tuben und nicht abgespülte Barthaare lösen auch heute noch veritable Ehekrisen aus.

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.