Als er um die Jahre 2010/11 in Nordkirchen und Lüdinghausen anfing, da war er Experte für das Thema Dichtheitsprüfung. Damals machte der „Kanal-TÜV“ für Eigenheimbesitzer die Runde: Alle Abwasserrohre mussten daraufhin überprüft werden, ob sie Abwässer in den Untergrund abgeben. Björn Gehre aus Henrichenburg, heute 45 Jahre alt, war damals noch engagierter Teil der Freiwilligen Feuerwehr. Heute ist er der neue Wehrführer für ganz Castrop-Rauxel. Feuerwehr und Rettungswesen sind die Konstante in seinem Leben. Ansonsten hat er viele Dinge gemacht, die man heute auch als fachfremd für seinen neuen Job bezeichnen könnte.
Gehre als Nachfolger von Ulrich Vogel, dem langjährigen Chef der Castrop-Rauxeler Feuerwehr, treffen wir in der Wache an der Frebergstraße. Im Kopf aufgeräumt, im Ton freundlich und bestimmt, mit dem weißen Hemdkragen und der Krawatte seiner Feuerwehr-Uniform bekleidet: Der Beamte ist angekommen im neuen Job. Ein knappes Dreivierteljahr beträgt die Einarbeitungsphase, in der er noch parallel zu Uli Vogel im Dienst ist. Im Herbst 2025 scheidet der in den Ruhestand aus. Dann hat Gehre hier allein das Sagen.
Die Anlernphase hat sich schon ausgezahlt: Gehre kennt sich in der alten Wache so gut aus, dass er uns problemlos alle Stellen zeigen kann, an denen sie nicht mehr zeitgemäß ist. Eines seiner Projekte: die Begleitung des Baus einer neuen Woche in Habinghorst, die mit rund 80 Millionen Euro beziffert ist und bis etwa 2030 fertig sein soll.
Man kann Gehre als Quereinsteiger bezeichnen: Er lernte und studierte eigentlich Landschaftsarchitektur. „Vielleicht ein bisschen ungewöhnlich“, sagt er selbst. Er war im Straßenbau tätig, arbeitete als Polier und Bauleiter, als Ingenieur und eben unter anderem für die zwei benachbarten Kommunen im Münsterland, Thema Dichtheit. „So habe ich den Weg in den öffentlichen Dienst gefunden“, so Gehre. Er war im Bauamt der Stadt der zwei Burgen, also Lüdinghausen, beschäftigt. Auch die Schlossgemeinde Nordkirchen fiel in seinen Zuständigkeitsbereich. Dass er dabei immer Feuerwehrmann mit Leidenschaft war, öffnete ihm dann Türen.

Mit seiner Erfahrung aus dem Löschzug Henrichenburg, dem er bis heute verbunden ist, machte er die sogenannte Laufbahnausbildung beim Land NRW. Von dort wurde er zur Stadt Duisburg in die Berufsfeuerwehr übernommen. Sein Sachgebiet war die Freiwillige Feuerwehr, an deren Aufbau er beteiligt gewesen sei. Am Ende, nach zehn Jahren, war er dort Sachgebietsleiter der Freiwilligen Feuerwehr. Und Leiter der Technik.
„Aber mein Herz schlägt schon immer für Castrop-Rauxel“, sagt Gehre, auch wenn er bald mit seiner Frau und seiner Tochter zu seiner Mutter nach Waltrop umziehen werde. „Auch in Duisburg hätte ich sicherlich eine gute Perspektive gehabt“, so Gehre. „Aber als dann die Stellenausschreibung kam und der Ruhestand von Herrn Vogel sich ankündigte, hab ich mich dazu entschlossen, die Bewerbung hier einzureichen. Und wie man sieht: Es war erfolgreich.“ Er war einer von vier Leuten, die zum Vorstellungsgespräch geladen waren.
Was Gehre aus Duisburg mitbringen will
Vogel habe ein „sehr gutes Fundament“ aufgebaut, eine „solide Basis geschaffen“ und „viele Weichen gestellt“, meint Gehre. Der Neubau der Wache sei zusammen mit der Stadtverwaltung gut vorbereitet, der Fahrzeugpark auf einem sehr guten Level. Das Ehrenamt werde sehr wertgeschätzt. „Das sind auch Dinge, an die ich anknüpfen will“, so Gehre. Den Fokus aufs Ehrenamt wolle er aber noch verstärken. „Wir sind zwar nicht schlecht aufgestellt, aber ich habe in Duisburg erfahren, dass wir den Stellenwert in Castrop-Rauxel auf jeden Fall noch ausbauen können, um den Schutz des Bürgers noch weiter zu verstärken.“

Die Rahmenbedingungen müssten dafür stimmen: Gut gepflegte Gerätehäuser auf einem vernünftigen technischen Stand zum Beispiel, vor allem aber eine Einbindung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den hauptamtlichen Kräften. „Der wertschätzende Umgang untereinander“, sagt Gehre, sei ein Erfolgsgarant. In Duisburg habe man neben einer Jugendfeuerwehr eine Kinderfeuerwehr aufgebaut, um noch jüngeren Nachwuchs zu rekrutieren. Vielleicht auch ein Modell, ein Baustein für Castrop-Rauxel. „Das müssen wir uns gut überlegen“, so Gehre.
Auch eine Öffnung für interkulturelle Zusammenarbeit, so nennt es der neue Chef, sei zentral. Migranten zu integrieren, sei besonders in Duisburg-Hochfeld sehr gut gelungen. Und für mehr Frauen in der Wehr müsse man auch werben. „Wir sollten nicht 50 Prozent der Bevölkerung ausschließen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Im Rettungsdienst der hauptamtlichen Wache sei es noch recht ausgeglichen, aber gerade im ehrenamtlichen Bereich liege der Frauenanteil bei 3 bis 4 Prozent.
„Hier hat niemand die Nase oben“
Die Stimmung in der Castrop-Rauxeler Feuerwehr, die neben den Hauptamtlichen vor allem aus ehrenamtlichen Kräften besteht, sei familiär und kameradschaftlich. „Das ist der Vorteil der kleinen Strukturen, die wir hier haben“, findet Björn Gehre. „Jeder kennt jede Führungskraft, der Rettungsdienst ist eng verzahnt mit den Feuerwehrbeamten, alle bilden irgendwie eine Gemeinschaft.“ Hier habe niemand die Nase oben, wie es sonst vielfach vorkommt, wenn Hauptamtliche und Ehrenamtliche zusammentreffen. Die Hauptamtlichen erfüllten das Schutzziel 1, heißt das in der Feuerwehrsprache. Bei allen Einsätzen kommen dann schon die Ehrenamtler ins Spiel: Sie verlassen den Arbeitsplatz, rücken mit aus oder ersatzweise als Grundschutz ein.
Der „Sprung über die Emscher“ sei über die Jahrzehnte hinweg nach der Gemeinde-Strukturreform auch in Henrichenburg geschafft: Auch hier sehe man sich nicht mehr in einer Sonderstellung, sondern als Teil der Castrop-Rauxeler Feuerwehr-Familie. „Diesen Kulturwandel habe ich als Mitglied miterleben dürfen“, sagt Gehre.