Ditib-Gemeinde Mevlana entschuldigt sich für Hetz-Gesang

Mädchen singen Gewalt verherrlichende Lieder

Die Mevlana-Gemeinde auf Schwerin bittet um Entschuldigung, dass sie die Brisanz von Liedern in einer Andacht nicht erkannt hat. Im ARD-TV-Magazin „Kontraste“ war von Kriegshetze in türkischen Moscheen die Rede. Beispielbilder kamen aus Castrop-Rauxel.

von Abi Schlehenkamp

Castrop-Rauxel

, 04.05.2018, 08:44 Uhr / Lesedauer: 3 min
Die Kermes 2018 bei der Mevlana-Gemeinde auf Schwerin war wie immer gut besucht. Aber was läuft hier hinter den Kulissen? Ein Fernsehmagazin gab einen Einblick, den der Bürgermeister als „verstörend“ empfand.

Die Kermes 2018 bei der Mevlana-Gemeinde auf Schwerin war wie immer gut besucht. Aber was läuft hier hinter den Kulissen? Ein Fernsehmagazin gab einen Einblick, den der Bürgermeister als „verstörend“ empfand. © Foto: Schlehenkamp

Die Wogen der Empörung schlugen hoch. „Ist der Krieg in Castrop-Rauxel angekommen?“, lautete die ebenso bange wie kritische Frage, die uns vergangenen Freitag erreichte – ausgelöst durch einen Beitrag in der ARD-Fernsehsendung Kontraste am Donnerstagabend. Betitelt war der Beitrag mit dem Satz „Wie türkische Ditib-Moscheen Kinder für die Kriegshetze instrumentalisieren“.

Dabei ging es um den Angriffskrieg der Türkei mit Syrien und wie der türkische Staatschef Erdogan im Vorfeld der Wahlen in der Türkei auf die in Deutschland lebenden Wahlberechtigten Einfluss zu nehmen versucht. Zu sehen waren beispielsweise Kinder, die unter der türkischen Staatsflagge begraben sind, Kinder in Kriegsuniformen – und Mädchen in Castrop-Rauxel, die ein Hochlied auf im Krieg gefallene „Märtyrer“ singen. Übersetzt hieß es laut Kontraste-Redaktion: „Die Kugel, die dich getroffen, spüre ich in meinem Leib.“

Freitag hieß es erst: kein Kommentar

Eindeutig zu erkennen war die türkisch-islamische Ditib-Gemeinde, in der die Mädchen gefilmt wurden: die Mevlana-Gemeinde auf Schwerin. Die Gemeinde wollte auf Anfrage unserer Redaktion am Freitag zunächst keinen Kommentar zum Thema abgeben. Inzwischen bat sie aber um Entschuldigung.

Eine Stellungnahme liegt jetzt in umfangreicher Form vor. „Wir müssen zugestehen, dass wir uns über die Inhalte der Texte nicht ausreichend bewusst waren“, heißt es in der Erklärung.

Der Vorstand stufe die Berichterstattung in der ARD-Sendung zwar als politisch und tendenziös ein. Verschiedene Formen der Andacht seien miteinander vermengt, Inhalte aus dem Kontext gerissen und zu einem Gesamtbild über die Ditib und ihre Gemeinden zusammengetragen worden, „die unserer Vielfalt und dem Beitrag der Ditib-Gemeinden für unsere Gesellschaft nicht gerecht werden“.

„Uns ist es nicht gelungen, die Inhalte zu erkennen“

Diese Kritik solle aber nicht die Instrumentalisierung von Kindern für politische oder gar militärische Aktivitäten entschuldigen, von denen sich der Gemeindevorstand deutlich distanziere. „Wir entschuldigen uns aufrichtig dafür, dass es uns im Vorfeld nicht gelungen ist, die teilweise problematischen Inhalte zu erkennen“, heißt es in dem Schreiben.

Bei der Gedenkfeier auf Schwerin, auf der die in der ARD gezeigten Bilder entstanden sind, sei es um die Gefallenen im Ersten Weltkrieg gegangen. Besonders die Schlacht von Canakkale habe eine lange Tradition in der Gedenkkultur, nicht zuletzt, weil fast jede türkische Gemeinde mindestens einen Verwandten unter den 250.000 gefallenen Soldaten gehabt hätte. Ebenso habe der Sieg am 18. März 1915 unter der Führung von Staatsgründer Atatürk wesentlich zur nationalen Bewusstwerdung des türkischen Volkes beigetragen.

„Debatten zeigen, dass noch viel Arbeit vor uns liegt“

„Auch wir, die türkisch-islamische Gemeinde Mevlana, gedenken seit Jahren in Gottesdiensten und Andachten der Gefallenen, unter denen auch Familienangehörige unserer Gemeinde waren“, heißt es in der Stellungnahme. Das Bestreben der Gemeinde sei es und werde es bleiben, ein Teil der Gesellschaft hier in Castrop-Rauxel zu sein und als Gemeinde dieser Verantwortung nachzukommen. Solche öffentlichen Debatten zeigten, „dass noch viel Arbeit vor uns liegt, um ein friedvolles und vertrauensvolles Zusammenleben zu gestalten.“ Das Grundgesetz biete hierzu die beste Grundlage.

Das hatte auch Landrat Cay Süberkrüb am Samstag auf der Kermes, einem viertägigen Gemeindefest, verdeutlicht. „Auf der Basis unseres Grundgesetzes können viele bunte Häuser gebaut und belebt werden“, schrieb er nach seinem Besuch auf Facebook. Das mache das Leben in Deutschland aus.

Bürgermeister Rajko Kravanja erklärte schon am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion: „Ich habe den Bericht als sehr verstörend wahrgenommen.“ Dass Kinder militarisiert und zu Propagandazwecken eingesetzt würden – so zumindest der vermittelte Eindruck – sei nicht tragbar und überall auf der Welt verwerflich. Er habe das Gespräch mit Gemeindevertretern gesucht, um Aufklärung gebeten und darum, öffentlich Stellung zu beziehen. „Nichts zu sagen ist an dieser Stelle das Schlechteste“, betonte Kravanja noch am Freitag.

„Wir werden von uns aus den Kontakt suchen“

Die Gemeinde wolle jetzt mit den Fraktionen im Stadtrat sprechen. „Wir werden von uns aus den Kontakt suchen“, lautete das Versprechen am 1. Mai beim Abschlusstag der Kermes aus den Reihen des Vorstandes. Dass die Kermes selbst im Zuge der TV-Sendung oder des Zeitungsberichts weniger Besucher gehabt hätte, ließ sich am Wochenende nicht ausmachen. Traditionell kamen viele türkischstämmige Bürger auch aus den Nachbarstädten.

Kravanja sandte inzwischen den politischen Fraktionen im Stadtrat die Stellungnahme der Gemeinde zu. Sie sei ausdrücklich mit der Einladung des Vorstandes verbunden, ins Gespräch zu kommen. „Ich selber werde dieses Gesprächsangebot annehmen“, teilte der Bürgermeister mit. Bisher habe er die Vertreter der Gemeinde als sehr offen wahrgenommen und gute und verlässliche Gespräche mit ihnen geführt. „Ich gehe davon aus, dass es jetzt auch so sein wird“, so Kravanja.

Es sei Sache der Gemeinde zu klären, was hier bei uns und eben in anderen Städten aufgenommen worden sei. Der Herforder Bürgermeister hat, wie Kontraste berichtete, das Herforder Jugendamt eingeschaltet, weil er eine Kindeswohlgefährdung sieht.