
© Tobias Weckenbrock
Die Stadtverwaltung darf keinen Wahlkampf machen, aber...
Meinung
Wahlkampfzeit ist Streit-Zeit. Oft legen es die Parteien darauf an. In Castrop-Rauxel geht es jetzt darum, ob die SPD unter dem Dach der Stadtverwaltung Wahlkampf macht. Unser Autor analysiert.
Die Frage im aktuellen Streitfall in Castrop-Rauxel: Dürfen zwei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung zu einem politischen Stammtisch einladen, bei dem sie als Gäste zwei SPD-Größen begrüßen – und eine davon auch noch Direktkandidatin bei der elf Tage später stattfindenden Landtagswahl ist?
Fakt ist: Es ist so geschehen. Melanie Heine, Leiterin der städtischen Volkshochschule, hat in ihrem und im Namen der Gleichstellungsbeauftragten Nina Jordan aus der Stabstelle Bildung, Vielfalt und Teilhabe eine E-Mail verschickt. Darin wird zu einem Stammtisch-Treffen eingeladen, bei dem die SPD-Politikerinnen Lisa Kapteinat und Bärbel Bas zu Gast sind. Am 4. Mai.
Es ist keine öffentliche Veranstaltung, aber sie richtet sich an einen größeren Adressatinnen-Kreis: Teilnehmerinnen des Projektes „Starke Frauen – Starke Kommunen“, das seit 2019 läuft und durch die Pandemie stark ausgebremst wurde. So begründet Bürgermeister Kravanja unter anderem, dass er nicht findet, man könne das als SPD-Wahlkampf bezeichnen, der von der Stadtverwaltung getragen wird: Wo es keine breite Öffentlichkeit gibt, kann das stattfinden.
Sind die Verschränkungen zu eng?
Es ist aber im Kern doch nicht so einfach: Der Stadt-Opposition von CDU und FDP, die im Land NRW regiert und für eine Fortsetzung der Koalition kämpft, sind die Verschränkungen zu eng. Oder sie hat die Veranstaltung zumindest als Einladung empfunden, im Wahlkampf anzugreifen.
Mit ihrem Standpunkt, dass eine Stadtverwaltung als Verwaltungsbehörde keinen Wahlkampf machen darf, hat sie einwandfrei recht. Aber, auch das gehört zur Wahrheit, die Trennung von Verwaltung und Politik oder auch von Amt und Mandat ist eine Schwachstelle in unserem politischen System: Was, wenn sich Bundeskanzler Scholz zu SPD-Fragen wie einer Abkehr seines Amtsvorgängers Gerhard Schröder öffentlich äußern soll? Tut er das als amtierender Kanzler oder als SPD-Politiker?
Netzwerke entstehen mitunter schon im KiJuPa
Im Rathaus sitzen zweifelsohne Mitarbeiter mit SPD-Parteibuch oder zumindest SPD-Vergangenheit. Das ist in SPD-Hochburgen im Ruhrgebiet so, genauso in münsterländischen CDU-Hochburgen, nur eben andersrum. Erste Netzwerk-Verbindungen entstehen oft sogar schon über das Kinder- und Jugendparlament. Die Mitarbeiter müssen sauber trennen, was sie für die Partei tun und was für die Allgemeinheit.
Darum ist es richtig, dass die Opposition aufmerksam ist. Es ist auch korrekt, den Bürgermeister in dieser Weise zu bedrängen. Der hat aber gut pariert: Die Veranstaltung ist vertretbar. Das Vorgehen später im Ältestenrat zu diskutieren, ist eine angemessene Lösung.
Und eines noch: An Bärbel Bas‘ Vortrag unter Castrop-Rauxeler Frauen wird die Landtagswahl sich gewiss nicht entscheiden.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
