
© Tobias Weckenbrock
CDU-Vorwurf: Castrop-Rauxeler Stadtverwaltung unterstützt SPD-Wahlkampf
Frauen-Stammtisch
Eine Einladung aus der Stadtverwaltung stößt der Opposition in Castrop-Rauxel auf: Hochrangige SPD-Politikerinnen nehmen an einem städtisch organisierten Stammtisch teil. Kurz vor der Wahl.
Eine E-Mail vom 5. April sorgt aktuell für Unmut bei Castrop-Rauxels CDU und FDP. Es geht um eine Einladung, abgeschickt von Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung.
Den beiden Oppositionsparteien stößt diese Einladung vor allem mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl sauer auf: Am 15. Mai geht es um die Frage, ob die aktuelle schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) weiter amtieren kann oder ob es neue Regierungsbündnisse gibt, womöglich unter SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty als neuem Ministerpräsidenten.
Geschrieben hat die fragliche Mail, die unserer Redaktion vorliegt, die Leiterin der Volkshochschule, Melanie Heine. Der Betreff lautet „Starke Frauen – Starke Kommunen“. Es geht um eine Einladung zu einem „Politischen Stammtisch“, der von Corona ausgebremst worden sei, nun wieder zusammentreten könne – und das auch tun soll: am 4. Mai, elf Tage vor der Wahl.
Mit dabei sein sollen besondere Gäste, politisch rot gefärbt. Die Castrop-Rauxeler SPD-Landtagskandidatin Lisa Kapteinat ist dabei und eine prominente SPD-Politikerin aus der Bundespolitik: Bärbel Bas, Präsidentin des Bundestages.
Co-Gastgeberin des Stammtisches ist der Einladung zufolge Nina Jordan, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Castrop-Rauxel. Doch ist es politisch fair und sauber, in der heißesten Phase des Wahlkampfes mit städtischen Mitteln so eine Veranstaltung stattfinden zu lassen?

Bärbel Bas (M.) ist Bundestags-Präsidentin und SPD-Politikerin. Sie kommt Anfang Mai nach Castrop-Rauxel. © dpa
Diese Frage stellen CDU-Kreisverbands-Chef und Bundestagsabgeordneter Michael Breilmann und Castrop-Rauxels FDP-Parteichef Nils Bettinger in einem Brief an Bürgermeister Rajko Kravanja (SPD), der ebenfalls unserer Redaktion vorliegt. „Ganz offensichtlich übernehmen zwei Mitarbeiterinnen die Organisation für diese politische Veranstaltung“, lautet der Vorwurf.
„Das ist doch sehr einseitig“
Michael Breilmann weist auf die städtische Signatur in der Mail und die Entgegennahme von Anmeldungen bis zum 4. Mai über E-Mail-Postfächer der Stadtverwaltung hin und kritisiert wörtlich: „Dies ist kurz vor einer wichtigen Landtagswahl doch sehr einseitig. Entweder hätte die Stadt gemeinsam mit Vertreterinnen aller im Rat vertretenen Fraktionen einladen sollen, oder aber Lisa Kapteinat hätte ohne Hilfe städtischer Mitarbeiterinnen ein solches Format allein durchführen müssen.“
Michael Breilmann und Nils Bettinger halten es für „höchst fraglich, dass das mit dem Neutralitätsgebot der städtischen Mitarbeiterinnen vor Wahlen vereinbar ist“.

Rajko Kravanja auf einem Bild aus dem Jahr 2015 mit Michael Breilmann (CDU, M.) und Nils Bettinger (FDP, r.): Sie streiten sich im Wahlkampf um eine Veranstaltung unter dem Mantel der Stadtverwaltung, bei der SPD-Politikerinnen zu Gast sind. © Dominik Möller (A)
Darum haben sie im Namen von CDU und FDP einen Fragenkatalog an Bürgermeister Kravanja geschickt. Wie aus dessen Antworten hervorgeht, will er offenbar an der Veranstaltung festhalten und erklärt darin Hintergründe: „Die Veranstaltungsreihe hatte verschiedenste Vertreter*innen aus vielen politischen
Parteien als Gast“, so der Bürgermeister. „Sie hat zum Ziel, den Frauenanteil in der Politik zu erhöhen. Die geplante Veranstaltung ist nicht öffentlich und nur für den Teilnehmer*innenkreis und die Fraktionen zugänglich.“
Auf Einladung von Lisa Kapteinat vor Ort
Bärbel Bas sei als Bundestagspräsidentin die zweithöchste Repräsentantin der Bundesrepublik und könne den Teilnehmerinnen aus ihrer persönlichen Biografie viele spannende Einblicke bieten. Bärbel Bas sei auf Einladung der Landtagsabgeordneten Lisa Kapteinat auch in Castrop-Rauxel unterwegs. Darum sei „hier die Einladung gemeinsam erfolgt“.
Der Verteilerkreis der Mail umfasse neben den Teilnehmerinnen aus Gründen der Parität „Frauen aus allen politischen Fraktionen. Hiermit soll gewährleistet werden, dass ein Austausch über Parteigrenzen hinweg möglich ist“. Alle weiblichen Ratsmitglieder seien über verschiedene Wege eingeladen worden.
Der politische Stammtisch entwickelte sich auf Wunsch der Teilnehmerinnen aus einem 2019 gestarteten Projekt heraus. Als Referenten für verschiedene Module habe die VHS in der Vergangenheit Anne Krüger (FDP), Michael Schneider (CDU) und Malte Fercke (SPD) gewinnen können. Für den neuen Termin, der erste offenbar, der wieder in Präsenz geplant ist, sei aber keine Öffentlichkeit hergestellt worden, so Kravanja. „(Deshalb) halte ich eine gemeinsame Einladung der VHS sowie der Gleichstellungsstelle und Frau Kapteinat für vertretbar“.
Er wolle nun aber dafür sorgen, dass diese Frage im Ältestenrat der Stadt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung komme. Nach dem Stammtisch-Treffen. CDU und FDP genügt das nicht. Sie fordern Kravanja auf, die Veranstaltung abzusagen.
Die SPD wies am Dienstagabend die Vorwürfe von CDU und FDP zurück: Ihr Sprecher Daniel Djan sagte unserer Redaktion, er finde es schade für die Frauen, die an dem Programm teilnähmen und den Wunsch geäußert hatten, mal einen hochkarätigen Gast aus der Politik kennenzulernen. Schließlich gehe es nicht um eine öffentliche Veranstaltung. Schon allein deshalb könne es sich nicht um echten Wahlkampf handeln.
Gebürtiger Münsterländer, Jahrgang 1979. Redakteur bei Lensing Media seit 2007. Fußballfreund und fasziniert von den Entwicklungen in der Medienwelt seit dem Jahrtausendwechsel.
