Blick aus der Vogelperspektive auf den Schleusenpark Waltrop mit Neuem Schiffshebewerk, neuer Schleuse und den Alten Schachtschleuse. Vorn die Recklinghäuser Straße.

© LWL

Von Waltrop zum Dortmunder Hafen: Ein Computer lenkt Schiffe über den Kanal

rnPilotprojekt

Im kommenden Oktober wird zwischen der Waltroper Schleuse und dem Dortmunder Hafen die Teststrecke für autonome Binnenschiffe eröffnet: Prof. Dieter Schramm kündigte jetzt Einzelheiten an.

Waltrop

, 01.04.2022, 06:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein Stück Zukunft ist ab Herbst dieses Jahres auf dem Dortmund-Ems-Kanal zu erleben: Der Wasserweg zwischen der Schleuse in Waltrop und dem Dortmunder Hafen wird zur Teststrecke für die autonome Binnenschifffahrt. Das kündigte Prof. Dieter Schramm, Leiter des Lehrstuhls für Mechatronik an der Universität Duisburg-Essen, jetzt im LWL-Hebewerksmuseum in Waltrop an. Dort hielt er einen Vortrag im Zuge des Medienkunstfestivals FUTUR 21, das noch bis zum kommenden Samstag (2.4.) läuft.

Die Türme des alten Schiffshebewerks Henrichenburg werden abends farbig angestrahlt. Im Vordergrund: Besucher.

Noch bis Samstagabend (2.4.) können Besucher die Mappingshow junger Videokünstler an den Türmen des Hebewerks bestaunen. Sie läuft halbstündig zwischen 20.15 Uhr und 22 Uhr. © Thomas Bartel

Autonomes Fahren, also das Fahren ohne einen Schiffer am Steuerrad, bestimmt zunehmend auch das Transportwesen zu Wasser, erklärte der Fachmann. Schon wegen des gravierenden Fachkräftemangels – das Leben auf dem Schiff sei eben nicht gerade familienfreundlich – dränge die Binnenschifffahrtsbranche darauf, dass künftig vermehrt „Käpt’n Computer“ das Kommando übernimmt. Außerdem seien Güterschiffe bei den Unfallkosten und beim Energieverbrauch gegenüber den Transportmitteln Lkw und Eisenbahn unschlagbar günstig. Immerhin verfüge Deutschland über 7400 Kilometer Wasserstraßen.

Binnenschiffe sind als Transportmittel von Massengütern unschlagbar

Folgenden Vergleich stellte Prof. Schramm an: Die aktuell 108.000 Binnenschiffe, die jährlich 150 Millionen Tonnen Massengüter über den Rhein bei Emmerich in die Niederlande bringen, wären nur durch 3,8 Millionen Eisenbahnwaggons oder 7,5 Millionen Lastkraftwagen zu ersetzen. Allerdings, räumte er ein, müssten die Reedereien angehalten werden, in klimaschonende Antriebe zu investieren. Da gebe es wegen der langen Abschreibungszeiten der Schiffe noch einen erheblich Nachholbedarf.

Zwei Männer vor einer Videoleinwand in der Maschinenhalle des LWL-Museums Schiffshebewerk Henrichenburg.

Museumsleiter Dr. Arnulf Siebeneicker (r.) begrüßt Prof. Dieter Schramm in der Maschinenhalle des LWL-Industriemueums Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop. © Thomas Bartel

Das aktuelle EU-Forschungsvorhaben „AutoBin“ hat zum Ziel, ein autonom fahrendes Binnenschiff zu entwickeln und auf einer Teststrecke zu erproben. Hierzu wird eine Steuerung entwickelt, die in der Lage ist, ein Schiff ohne menschliches Eingreifen von einem Startpunkt (einschließlich Ablegen) zu einem Zielpunkt (einschließlich Anlegen) zu steuern. Geprobt wird dies in einem Simulator in Duisburg, der vom Land NRW gefördert und im Jahr 2020 eröffnet wurde. Dieser Simulator muss nicht nur die Physik der Fahrdynamik so realitätsnah wie möglich nachbilden, sondern auch die Teststrecke mit Ufer und Brückenbauwerken sowie die geltenden Verkehrsregeln berücksichtigen. Und vor allem dürfen seine Sensoren sowohl andere Schiffe als auch Sportboote wie Ruderboote und Kanus oder auch Schwimmer nicht übersehen.

„Niedersachsen 22“ wurde für den Praxistest bereits ausgewählt

Sobald im Fahrsimulator eine zufriedenstellende Zuverlässigkeit erreicht wird – dies ist für September geplant –, erfolgt die Erprobung mit einem realen Schiff. Ausgewählt wurde für den Praxistest bereits das Schiff „Niedersachsen 22“, ein 100 Meter langes und 10,5 Meter breites – also nicht zu großes - Güterschiff, das 2300 Tonnen laden kann. Ab Oktober 2022 wird der mit zahlreichen Sensoren bestückte Prototyp seine Testfahrten auf dem rund 15 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen der Schleuse Waltrop und auf dem Dortmunder Hafen aufnehmen. Prof. Schramm betont: „Da muss niemand Sorge haben. Eine Übernahme durch einen menschlichen Schiffsführer ist jederzeit möglich.“ Im März 2023 sollen die Testergebnisse präsentiert werden.

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Ein weiteres Pilotprojekt, kündigte Prof. Schramm, bereits mit Blick auf die Internationale Gartenausstellung IGA 2027 im Ruhrgebiet an. Hier arbeite man an einem Fahrgastschiff in Form eines Katamarans, der vollautomatisch navigieren kann und durch einen E-Motor mit Brennstoffzellen-Modul angetrieben werden soll. Mit diesem klimafreundlichen „Wassertaxi“ könnten dann die IGA-Besucher die Gartenattraktionen an der Ruhr und an den Revier-Kanälen ansteuern.