Vor der Grundschule am Hügel ist die Meinung der Eltern klar, aber das Lob für die Schule ist groß.

© Nora Varga

Viele Castrop-Rauxeler Eltern lehnen die Öffnung der Grundschulen ab

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Zum ersten Mal sind Castrop-Rauxels Grundschulkinder am Montag wieder in voller Klassenstärke unterrichtet worden. Die Schüler selbst finden das gut - ihre Eltern sind ganz anderer Ansicht.

von Nora Varga, Marian von Hatzfeld

Castrop-Rauxel

, 15.06.2020, 15:38 Uhr / Lesedauer: 3 min

Michael Hermes steht vor der Castrop-Rauxeler Grundschule „Am Hügel“. Er will an diesem Montagmittag seinen Sohn abholen. Dass die Grundschulen von heute an bis zu den Sommerferien komplett öffnen, ist für ihn das ganz falsche Signal: „Das ist ein Belastungstest an den Schwächsten“, erklärt er.

Und er fügt hinzu: „Wenn 20.000 krank werden und einige Vorerkrankungen haben, dann wird man sagen, es ist ein Kollateralschaden.“ Sein Sohn Ben-Lucas freut sich dennoch morgen wieder in die Schule zu gehen.

Das Risiko ist zu hoch

Michael Hermes’ Meinung zufolge hätten eher die älteren Kinder und Jugendlichen in die Schule gehen können, die die Situation schon besser verstehen. Noch besser wäre es gewesen, das NRW-Schulministerium hätte die Ferien abgewartet.

Ins selbe Horn stoßen Sabrina K. und Jan R, die ihre Nachnamen nicht in der Öffentlichkeit lesen möchten. In ihren Augen ist der Schulstart „nicht so gut, das Risiko ist zu hoch“. Sie fürchten, dass die Corona-Infizierten-Zahlen wieder steigen. Besser wäre es ihrer Ansicht nach gewesen, die Sommerferien zu kürzen.

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Sie trauern dem „rollierenden System“ der vergangenen Wochen nach, bei dem an jedem Wochentag nur ein Teil der Kinder in die Schule gegangen ist. Das habe gut funktioniert, auch der Austausch der Aufgaben per Mail habe an der Grundschule „Am Hügel“ gut funktioniert.

Die Aufgaben des Wochenplans seien zwar manchmal „eher zu wenig als zu viel“ gewesen, aber auch sie haben den Eindruck, die Kinder sollen mit der Öffnung zu Versuchskaninchen werden.

„Man muss sich halt Zeit nehmen“, erklären sie zu den Aufgaben der Eltern beim Home-Schooling. Die Materialien für die Heimarbeit wären für die letzten Tage „völlig ausreichend“ gewesen.

Eltern sind keine Lehrer

Selçuk Bastürk findet, die Schulöffnung „muss nicht sein“. Die Verteilung der Aufgaben für das Home-Schooling habe über eine App gut funktioniert und die Aufgaben seien korrigiert worden.

Eine weitere Mutter hat eine zwiegespaltene Meinung, wenn sie auf den ersten Schultag blickt. Auf der einen Seite seien Eltern keine Lehrer und könnten den Kindern nicht alles beibringen. Auf der anderen Seite ist das Risiko für sie immer noch allgegenwärtig.

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„Wir sind Eltern und haben nicht Lehramt studiert“, findet auch Una Jakupovic. Sie hätte gerne gesehen, dass mit den Kindern Online-Unterricht gemacht wird. Corona sei ja nicht einfach verschwunden und vielleicht komme eine 2. Welle. Sie fragt sich: „Was will man damit bezwecken?“

Ein halbes Jahr verloren

„Die Kinder haben ein halbes Jahr verloren“, urteilt Stefan Krüger. Für ihn hätte man sich die Öffnung jetzt dennoch sparen können. Die Kommunikation der Schule sei gut gewesen und die Verteilung der Aufgaben für zu Hause hat gut geklappt.

Seinen Tochter Sophie Schneider kommt gerade aus dem Unterricht der 3. Klasse. Sie fand den Unterricht „gut und auch sehr aufregend“. Die Kinder hätten Klassenfotos gemacht und an Themen in Mathe und Deutsch weitergearbeitet, die schon im Home-Schooling vermittelt wurden. Trotz aller Umstände ist Sophie fröhlich und freut sich auf ihren nächsten Schultag.

Alle Eltern loben ausdrücklich den Einsatz der Lehrer und der Grundschule am Hügel. Sie hätten das beste aus der Situation gemacht und sich bemüht, alle Kinder mitzunehmen.

Schüler hatten teilweise Angst

Auch die Lindenschule nahm am Montag den „normalen“ Schulbetrieb wieder auf. „Eigentlich ist alles gut gelaufen“, sagt der Hausmeister der Grundschule. Er fügt jedoch hinzu: „Für viele war es kein Problem, aber es sind immer zwei oder drei dabei, die etwas Angst haben.“ „Manche Kinder haben Bedenken, dass sie ihre Großeltern anstecken“, erläutert er.

Angelika Prengel, die am Montag ihren Enkel abholt, sieht sich keiner großen Gefahr ausgesetzt. Weder sie noch ihre Tochter hätten ein „mulmiges Gefühl“ dabei gehabt, ihren Enkel in die Schule zu schicken. „Für die Kinder ist es das Wichtigste, soziale Kontakte zu haben“, sagt Angelika Prengel. Dennoch findet auch sie: „Die zwei Wochen hätte man sich sparen können.“

Halten sich Kinder an Auflagen?

Uneinig sind sich die Beteiligten darüber, ob die Kinder die Auflagen einhalten können. „Meine Enkel kamen lange nicht zu Besuch, und beim ersten Treffen haben sie mich und meinen Mann direkt auf den Abstand hingewiesen“, sagt Oma Prengel.

Die Schüler der Lindenschule können nun wieder gemeinsam im Klassenverband auf dem Schulhof spielen.

Die Schüler der Lindenschule können nun wieder gemeinsam im Klassenverband auf dem Schulhof spielen. © Tobias Weckenbrock

Etwas anders sieht es Anka Hurmuz, die am Montag ihren Sohn von der Schule abholt. „Wie sollen die Kinder beim Spielen Abstand halten?“, fragt sich die Mutter. Ihr Sohn hat jedoch kein Problem mit den Auflagen. Laut dem Drittklässler würden sich alle Schüler daran halten. „Manche haben nur Ärger bekommen, weil sie reingequatscht haben“, erläutert er grinsend.

Altersunterschied macht sich bemerkbar

Einen kurzen Überblick über die Auflagen an der Schule gibt der Hausmeister aus Frohlinde. „Jede Klasse hat ihr eigenes Klo, und die Kinder müssen sich ordentlich die Hände waschen.“ Eine Kollegin fügt hinzu: „Im Klassenverband darf miteinander gespielt werden, nur nicht klassenübergreifend.“

Einen Mundschutz müssen die Kinder nur im Flur der Schule tragen. „An der frischen Luft brauchen sie das nicht“ erklärt sie. „Heute klappt das alles sehr gut“, sagt sie und fügt hinzu: „Nur der Altersunterschied macht sich bemerkbar, für die Erstklässler ist es deutlich schwieriger.“

Trotz der Bedenken vieler Eltern: Die Kinder spielen wie vor der Pandemie lautstark auf den Schulhöfen von Castrop-Rauxel.