Rajko Kravanja (v.l.), Bert Wagener und Michael Breilmann sind Verwaltungsrats-Mitglieder. Daniel Molloisch (r.) ist sogar im Vorstand. Sie alle leben in Castrop-Rauxel.

© Tobias Weckenbrock

Verwaltungsrat zu Sparkassen-Schließungen: „Furcht kein guter Ratgeber“

rnAutomaten-Sprengungen

Die Sparkasse schließt in Castrop-Rauxel mehrere SB-Standorte. Begründung: die Sprengung von Geldautomaten. Im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzen auch Castrop-Rauxeler. Wie stehen sie dazu?

Castrop-Rauxel

, 23.02.2022, 11:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Erst hat die Sparkasse Vest 2021 den SB-Standort in Ickern-End geschlossen. Lange hieß es, man werde dort einen Wasserschaden reparieren. Aber nach monatelangem Abwägen entschied die Sparkasse Vest Recklinghausen: Wir machen dort nicht wieder auf. Zwei Gründe wurden damals angegeben: die Sprenger-Bande und die rückläufige Nutzung des am Stadtrand gelegenen Standorts.

Jetzt lesen

Mitte Februar teilte die Sparkasse überraschend mit, sie lege zwei weitere SB-Standorte in Castrop-Rauxel „vorübergehend“ still: einer in Obercastrop an der belebten Ecke Bochumer Straße / Cottenburgstraße und einer am eher ruhigen Bärenplatz in Deininghausen. Hier gab man an, man fürchte, dass eine Automatensprengung in diesen ebenfalls in den Obergeschossen bewohnten Gebäuden eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner darstellen könne.

Jetzt lesen

Ortstermin an einem Donnerstagnachmittag (17.2.) in Obercastrop: Beim Fotografieren der dortigen Geschäftsstelle, an der es zwar noch Kontoauszüge und das Überweisungsterminal, aber kein Bargeld mehr gibt, sind wir bloß vier Minuten vor Ort. Es mag Zufall sein oder der normale Betrieb, das wissen wir nicht.

Aber in dieser kurzen Zeit kommen drei Männer, gehen durch die Schiebetür in den Raum direkt zum Geldautomaten. Dabei übersehen sie das Plakat am Eingang, das auf das fehlende Bargeld hinweist. Das erkennen sie dann am Automaten, drehen um und sind nach 15 Sekunden wieder draußen. Ohne frisches Geld.

Jetzt lesen

Es herrscht also durchaus Betrieb hier. Aber dennoch entschied die Sparkasse sich für eine Schließung. Dabei ist Deutschlands größtes Geldautomatennetz bei vielen Menschen das Hauptkriterium und -argument, Kunde bei einer Sparkasse zu sein. Es ist ein öffentliches Geldinstitut, das einen gesetzlichen Versorgungsauftrag hat, Jahr für Jahr unter anderem Spenden an Vereine vor Ort ausschüttet und sich damit anders engagiert als zum Beispiel eine Deutsche Bank, eine Commerzbank oder eine Targo-Bank, die rein profitorientiert arbeiten.

Was sagen Mitentscheider aus Castrop-Rauxel zu diesem Vorgehen, Filialen aus Furcht vor weiteren Sprengungen (vorübergehend) zu schließen? Wir fragten die vier Verwaltungsratsmitglieder Daniel Molloisch (SPD/stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats), Bert Wagener (Grüne) und Michael Breilmann (CDU) sowie Bürgermeister Rajko Kravanja als beratendes Mitglied an. Die vier entschieden sich für eine gemeinsame Antwort.

Vorübergehend, heißt es auf einem Poster im Eingangsbereich in Obercastrop, gebe es aus Sicherheitsgründen hier kein Bargeld mehr.

Vorübergehend, heißt es auf einem Poster im Eingangsbereich in Obercastrop, gebe es aus Sicherheitsgründen hier kein Bargeld mehr. © Tobias Weckenbrock

? Wie stehen Sie zu den „vorübergehenden“ Schließungen, die irgendwie vermuten lassen, dass die Filialen (wie in Ickern-End) nie wieder öffnen werden?

Die Sparkasse hat uns gegenüber deutlich gemacht, dass nach ihrer Einschätzung die sofortige Schließung aus sicherheits- und möglicherweise sogar strafrechtlichen Aspekten alternativlos ist. Dieser ersten Einschätzung konnten wir uns nicht entgegenstellen. Ausdrücklich wurde aber eine temporäre Schließung beschlossen.

Jetzt lesen

? Was halten Sie von der öffentlichen Begründung, der „Furcht“ vor weiteren Sprengungen?

Furcht und Emotionen sind nie ein guter Ratgeber für tiefgreifende Entscheidungen. Gleichzeitig müssen neue Sicherheitslagen berücksichtigt werden. Die Verschärfung der Situation wurde insbesondere durch die brutale Sprengung der SB-Filiale Suderwicher Heide am 28.12.2021 deutlich. So hat auch Innenminister Reul in den letzten Tagen in der Presse die Situation als „zunehmend besorgniserregend“ bezeichnet. Daher ist eine fundierte Einschätzung und das Zusammenbinden der Einschätzung von Sicherheitsexperten unabdingbar.

Jetzt lesen

? Warum bevorzugt man nicht andere Sicherheitsvorkehrungen (Bsp.: Schließzeiten von 22 bis 5 Uhr, Rolltore außen, Geldabtransport jeden Abend um 18 Uhr…)?

Nächtliche Schließzeiten sämtlicher SB-Foyers hatte die Sparkasse bereits im letzten Jahr umgesetzt. Auch wurden an einzelnen Standorten bereits Stahlrolladen zusätzlich angebracht oder wie im Falle der Geschäftsstelle Suderwich (nicht Suderwicher Heide) die Trennung vom Wohngebäude durch einen externen Geldautomaten in einer Betonröhre umgesetzt. Seit Jahren investiert die Sparkasse fortlaufend in die Sicherheit der Standorte.
Nach Einschätzung der Sparkasse ist in diesen Fällen akut keine andere Maßnahme möglich als das sofortige Schließen der Geldautomaten. Mittelfristig soll ein Gesamtkonzept erstellt werden, um mögliche Sicherheitsvorkehrungen und mögliche alternative Standorte zu überprüfen, um die Sicherheitsvorkehrungen weiter zu optimieren. Eine Lösung könnte insbesondere die Aufstellung von Automaten außerhalb von Gebäuden sein.

Jetzt lesen

? Wofür setzen Sie sich mit Ihren zur Verfügung stehenden Mitteln im Verwaltungsrat ein?

Dafür, dass ein Konzept entwickelt wird, wie unter Berücksichtigung der verschärften Sicherheitslage künftig eine flächendeckende und sichere Bargeldversorgung gewährleistet werden kann. Dieses Konzept muss transparent dargestellt werden, nur so können wir die Akzeptanz für entsprechende Maßnahmen gewinnen.