Sie können mich sehen, morgens zwischen 5 vor und 10 nach 8. Nicht jeden Morgen, sondern vorerst nur einmal in der Woche. Aber dann richtig. Mit Weste und Kelle. Ich bin seit Freitag (11.08.2023) „Verkehrshelfer“. Einer von sechs, die an der Lindenschule neu auf diese kleine Aufgabe vorbereitet wurden. Aber was ist das? Was darf ich? Was soll ich leisten? Und wie überhaupt?
Es ist Mittwoch, der Tag nach der Einschulung für rund 700 junge Menschen in Castrop-Rauxel. Es ist zum ersten Mal richtiger Unterricht. Zum ersten Mal im Leben der Kinder so richtig Schule. Es ändert sich gefühlt alles: für die Kinder, die die behütete Kita-Welt verlassen, für die Familien, für das Schul-Umfeld. Denn es ändern sich auch die Wege.

Wir parken das Auto etwas vom Schultor entfernt am Ende der kleinen Kirchlinder Straße. Von dort geht es zu Fuß über den Zebrastreifen über die Merklinder Straße und dann den kleinen Hügel rauf zum Schulhof. In das Wohngebiet selbst fahren an diesem Morgen auch viele Autos. Einige bleiben direkt am Schultor stehen und werfen ihre Kinder raus, wenden und fahren wieder los. Direkt daneben gehen die Kinder, zum Teil mit ihren Eltern, zu Fuß. Irgendwie ist es eng. Irgendwie ist das vielleicht auch wild: für mich als Papa, für mein Kind auf dem Weg in die erste Klasse aber wohl erst recht.
Es geht alles gut. Wie fast immer. Alle Kinder kommen heil an. In der Unfallstatistik der Kreispolizeibehörde Recklinghausen steht 2, 3, 1, 1 und 2: Das sind die Schulwegunfälle in den Jahren 2018 bis 2022. Man könnte sagen: Es ist doch alles gut. Auf der anderen Seite denke ich: Diese neun Unfälle in fünf Jahren – sie könnten auch mich selbst und meine Familie betreffen.
(1) Fragen Sie in Ihrer Schule nach einem Schulwegplan. Darin haben sich Eltern, Lehrer, Polizisten und Verkehrsexperten Gedanken über den besten Weg zur Schule gemacht.
(2) Üben Sie den empfohlenen Weg mit Ihrem Kind und vergessen Sie nicht: Kinder lernen von ihren direkten Vorbildern. Vormachen und erklären, vormachen lassen und erklären lassen. Beobachten Sie Ihr Kind. Wer seinen Weg sicher und gelassen zurücklegt, kann den Weg auch ohne Mama oder Papa gehen.
(3) Kinder sammeln auf Schulwegen wichtige Sinneserfahrungen. Richtungshören, Abstandeinschätzungen, Geschwindigkeitseinschätzungen sind Fähigkeiten, die Kinder deutlich sicherer machen. So lernt man, sich räumlich in einer Stadt zurecht zu finden. Hat man das als Kind gelernt, findet auch der spätere Erwachsene sein Auto besser wieder, wenn er in einer fremden Stadt parkt.
(4) Sichtbare Kleidung wie Warnwesten und reflektierende Materialien helfen anderen Verkehrsteilnehmern, die Schulkinder zu erkennen. (Quelle: Polizei NRW)
Die Polizei ist in dieser Woche und der nächsten selbst sehr aktiv auf der Straße im Umfeld der Grund- und weiterführenden Schulen. Schulwegsicherheit, das ist jedes Jahr dasselbe, aber immer wieder ein hochwichtiges Thema. Darum setzt die Lindenschule – eine kleine, aber feine, zweizügige Grundschule im Castrop-Rauxeler Süden – auch auf Verkehrshelfer: Das sind praktisch Schülerlotsen, die den Schulweg sichern sollen. Elf Eltern von Erstklässlern meldeten ihre Bereitschaft bei Schulleiterin Isabell Schütz an. Am Freitag (11.08.2023) trafen sich sechs zu einer „Unterweisung“ mit der Polizeibeamtin Bianka Jendreiko um kurz nach 8 auf dem Schulhof.
„Wir freuen uns sehr über dieses Engagement“, sagt die Schulleiterin. Und der Hausmeister Karsten Schicke, der seit zehn Jahren hier an der Schule arbeitet, meint: „Ich gehe morgens nicht mehr vor den Schulhof. Ich kann das nicht mit ansehen, was da abgeht.“

- Der Autofahrer ist nicht der Feind, sondern Partner.
- Beobachten Sie die Verkehrslage und richten Sie Ihr Verhalten darauf ein.
- Rechnen Sie mit unvorhersehbaren Ereignissen wie plötzlich loslaufenden Kindern oder Gegenstände, die von Autos fallen.
- Sammeln Sie ankommende Schüler kurz an einer Stelle zu einer kleineren Gruppe, halten Kontakt und wenden Sie sich dann dem Verkehr zu.
- Suchen Sie Lücken und/oder senden Sie deutliche Zeichen an die Autofahrer.
- Gehen Sie als Erste auf die Straße, geben Sie sie dann für Kinder frei und verlassen Sie sie als Letzte.
So dramatisch, sagt die Bianka Jendreiko, Verkehrssicherheitsberaterin von der Polizei für alle Schulen in Castrop-Rauxel, sei die Lage hier nicht. Ja, es sei eng und nicht alle Autofahrer, und sie meint das berüchtigte hektische Elterntaxi, verhielten sich vorbildlich. Und ja, in NRW sei es im Jahr 2022 sogar zu einem tödlichen Unfall auf einem Schulweg gekommen. Aber an der Lindenschule mache sie sich nicht so große Sorgen. Eher anderswo, wo mehr Kinder mit wenig oder gar keiner Verkehrs-Vorerziehung unterwegs seien.
Wir werden also „eingewiesen“ von der Polizistin, bekommen Kellen und Warnwesten von der Schulleiterin und dürfen sie künftig tragen. Die Kelle aber nie nach oben in den Himmel recken, das darf nur die Polizei. Wir sollen aber doch recht deutlich „Stopp!“ anzeigen, die Kinder beim Weg über den Zebrastreifen absichern oder kurz die Kreuzung im Wohnviertel direkt am Schultor für eine Kleingruppe absperren. Durchaus bestimmt, aber immer freundlich. „Die brisantere Zeit kommt erst in einigen Wochen, wenn es morgens noch dunkel ist“, sagt Bianka Jendreiko und beantwortet bereitwillig die Fragen der neuen „Verkehrshelfer“. Bis dahin kann ich üben. Ab sofort. Jeden Mittwoch von 7.55 bis 8.10 Uhr.

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