Die Urne der verstorbenen Renate Michalzik kehrte nach der Trauermesse zurück ins Bestattungshaus - die gewünschte Grabstätte blieb ihr verwehrt. © Tobias Wurzel

Friedhofssatzung

Urne der Mutter darf nicht im Grab des Vaters beigesetzt werden

Am Totenbett hatte Yvonne Lütkefent ihrer Mutter versprochen, sie im Grab des Vaters beizusetzen. Doch das geht laut Friedhofssatzung nicht. Nun will die Trauernde die Stadt verklagen.

Pöppinghausen

, 16.08.2018 / Lesedauer: 4 min

Sanft erfüllen die Ukulelenklänge zu „Somewhere over the Rainbow“ die kleine Kirche von Pöppinghausen - mit einer Leichtigkeit, die Yvonne Lütkefent in ihrer Trauer verwehrt bleibt. Vor dem Altar steht die rote Urne mit der Asche ihrer verstorbenen Mutter, Renate Michalzik.

Beerdigung am Vortag abgesagt

Bis zuletzt hat Yvonne Lütkefent gehofft, dafür gekämpft, dass sie ihre Mutter mit im Grab des 2006 verstorbenen Vaters beerdigen kann, so deren letzter Wunsch. Das habe sie ihr noch am Totenbett versprochen. Doch dieser Wunsch bleibt unerfüllt: Die Bestattung der Mutter auf dem Sarg des Vaters sei nicht möglich, teilt die Stadt auf Anfrage mit.

Die Beerdigung hat Yvonne Lütkefent noch am Vortag abgesagt. Die Urne kommt zurück ins Bestattungshaus. „Ich bin gezwungen, nur die Trauerfeier abzuhalten, und nicht in der Lage, meine Mutter zu bestatten“, sagt sie mit gebrochener Stimme.

Liegezeiten aus Friedhofssatzung passen nicht überein

Dabei habe sie das Grab des Vaters auf dem städtischen Friedhof in Pöppinghausen einst unter der Bedingung erstanden, ihre Mutter dort zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls begraben zu können. Doch drei Jahre später änderte sich die Friedhofssatzung. Demnach habe das Reihengrab des Vaters eine Nutzungsdauer von 30 Jahren, also bis 2036, erklärt Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann.

„Würde jetzt eine Urne (Urnen haben eine Liegezeit von 20 Jahren) auf diesem Grab bestattet, würde die Ablaufzeit um zwei Jahre überschritten“, so Hilleringmann. Eine Verlängerung der Nutzungsdauer sei beim väterlichen Reihengrab - anders als bei Wahlgräbern - nicht möglich. Die Urnen-Liegezeit auf 18 Jahre zu verkürzen, würde eine Störung der Totenruhe bedeuten.

„Das ist einfach unmenschlich“

Das habe Yvonne Lütkefent jedoch erst nach dem Tod ihrer Mutter über das Bestattungshaus erfahren. „Die Stadt hätte mich doch informieren müssen“, klagt sie. „Das ist einfach unmenschlich.“ Als sie die Stadt daraufhin kontaktierte, hätte eine Mitarbeiterin des Bereichs Stadtgrün und Friedhofswesen zunächst Verständnis für ihr Anliegen gezeigt.

Schließlich wisse Yvonne Lütkefent von einem anderen Reihengrab, in dem 2012, also nach Änderung der Satzung, noch eine zusätzliche Urne bestatten worden sei. Die Stadt hätte das bedauert: Es sei ein Fehler unterlaufen. Im aktuellen Fall sei dies jedoch weiterhin nicht gestattet. Stadtsprecherin Maresa Hilleringmann korrigierte auf Nachfrage: In besagtem Nachbargrab seien zwei Urnen bestattet. „Da passt es mit den Ruhezeiten.“

Referenten des Bürgermeisters um Hilfe gebeten

Der Bereich Stadtgrün und Friedhofswesen sei stets bemüht, den Wünschen der Angehörigen gerecht zu werden. „Leider ist dies nicht immer möglich“, so die Stadtsprecherin. Die Enttäuschung der Tochter würde man verstehen. Yvonne Lütkefent hat dafür kein Verständnis, fühlt sich ungerecht behandelt. „Überall anders gibt es Ausnahmen“, ist sie sicher. Selbst Randsteine am Grab des Vaters seien ihr verboten worden, obwohl das drei Gräber weiter erlaubt wurde.

Schließlich habe sie auch den Bürgermeisterreferenten kontaktiert - ohne Erfolg. Noch am Vortag der Beerdigung kam der entscheidende Rückruf. Bis dahin hatte man damit gewartet, ein Grab auszuheben. Möglich sei eine Bestattung von Renate Michalzik neben deren Gatten „im unmittelbar danebenliegenden Rasenreihengrab“, heißt es von der Stadt.

Bestatter bewahrt Urne nach Trauerfeier auf

Doch das steht für die trauernde Tochter außer Frage. „Das sieht ganz usselig aus“, erzählt sie. Um die umliegenden Gräber würde sich niemand kümmern. Damit könne sie nicht abschließen, ihre Mutter würde sie aufsuchen. „Dann behalte ich sie eben“, sagt sie fest entschlossen. Doch das ist nicht möglich.

Bis zu sechs Wochen nach der Einäscherung könne er die Urne aufbewahren, erklärt Bestatter Conrad Konert. „Wenn das Ordnungsamt sagt, sie muss beigesetzt werden, kann ich nichts mehr machen.“ Nur in Ausnahmefällen sei eine Verlängerung möglich. Das sei etwa vorgekommen, als sich eine Angehörige noch in der Reha befand. Eine Trauerfeier ohne Beisetzung habe Konert aber noch nie erlebt.

Keine gewöhnliche Messe

So auch Propst Jürgen Quante, der die Trauerfeier in Pöppinghausen begleitet. „Das ist bitter für die Familie, aber die genauen Umstände kenne ich nicht“, erklärt er. Schließlich habe er erst kurz vor der Messe davon erfahren. Vom Glauben, dass der Tod nicht das Ende ist, spricht er, von Trost, Kraft und Heimkehr. Dazu Verse aus der Bibel wie bei gewöhnlichen Messen. Nach der Segnung der Urne dann: „Wir geben sie aus unseren Händen, geben sie zurück in die Erde.“

Stille. Dann schallt Herbert Grönemeyers „Stück vom Himmel“ kraftvoll durchs Gotteshaus. Schließlich richtet sich Yvonne Lütkefent an die Gemeinde mit der Mitteilung, es werde keine Beisetzung folgen. Sie kniet sich vor den Altar und nimmt Abschied. Gegen die Stadt will sie nun Klage einreichen.

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