Die Stimmung im Rathaus ist gedrückt, als die beiden ukrainischen Familien von ihren letzten zwölf Monaten erzählen. Fast ein Jahr ist es her, seit Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat. Viel ist seitdem für die Geflüchteten passiert.
Der zehnjährige Yevhen hätte niemals gedacht, dass seine Familie einmal in einem Lager leben müsste. Seit dem 21. Juli 2022 ist er mit seinen Eltern Inna und Andrii Uhrynchuk und seiner Schwester Emiliia in einer städtischen Unterkunft in Castrop-Rauxel untergebracht. In der Ukraine hatte die Familie ein eigenes Haus mit Garten. Aber die Hauptsache ist, dass alle am Leben und in Sicherheit sind, sagen sie.
Seit fast einem Jahr war die Familie nicht mehr in ihrer Heimat, in der Ukraine. Sie sind im Juli 2022 nach Castrop-Rauxel gekommen. Yevhen geht hier zur Schule und spricht schon ziemlich gut Deutsch. Emiliia lernt von ihrem großen Bruder, aber es sei schwer, einen Kitaplatz für die Vierjährige zu finden.
„Für junge Leute ist es leichter, eine neue Sprache zu lernen“, sagt die ukrainische Dolmetscherin Liudmyla Svitelska. Sie ist im Sommer aus der Ukraine geflohen. Sie hat die Sprache schon davor von einem Freund in Deutschland gelernt. Jetzt arbeitet sie bei der Stadt als Dolmetscherin.
Für andere ist es schwieriger, eine neue Sprache zu lernen. Nataliia Khomiachkova versucht seit Wochen einen Platz in einem Sprachkurs zu bekommen. Sie wohnt seit drei Monaten mit ihrem Mann und ihrer Mutter Olga Mishenko in Castrop-Rauxel. Knapp einen Monat hat ihre Flucht aus der Ukraine gedauert.
Nataliia Khomiachkova zeigt Bilder vom Nachbarhaus in ihrer Heimat in Saporischja, es wurde von Raketen zerstört. „Das war der Tag, an dem wir beschlossen haben zu fliehen“, sagt die 53-Jährige. Ihre Mutter ist dement, auch ihr Mann hat gesundheitliche Probleme. Für die Familie war es eine lange, anstrengende Reise.
Mit einem Evakuierungs-Bus fuhren die drei nach Warschau, mit einem anderen Bus weiter nach Berlin. Bei der Infostelle am Berliner Hauptbahnhof halfen Freiwillige Nataliia Khomiachkova und ihrer Familie. Es ging weiter nach Köln, dort übernachtete die Familie in einer Lagerunterkunft.
Über Bochum kam die Familie in eine Unterkunft in Haltern am See. „Dort konnte ich zum ersten Mal wieder richtig schlafen und Ruhe finden“, sagt Nataliia Khomiachkova. Trotzdem ist es nicht immer leicht. Laute Knallgeräusche wie Feuerwerke für sind für die Ukrainerin noch immer traumatisch.

Am 8. November 2022 kam die Familie schließlich in Castrop-Rauxel an. Die drei hatten Glück und bekamen schnell eine Wohnung. 758 Plätze bietet Castrop-Rauxel in städtischen Unterkünften an. 754 davon sind aktuell belegt, gut zwei Drittel von Geflüchteten aus der Ukraine. Eine Wohnung zu finden, ist besonders schwer. Das Quartiersbüro an der Langen Straße organisiert Treffen, um den Geflüchteten vor Ort zu helfen.
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