„Ob der Verurteilte tanzen geht, entscheiden die Ärzte“ Minister Reul spricht über Terrorverdacht

Minister Reul beunruhigt: „Ob der Mann tanzen geht, entscheiden die Ärzte“
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Warum sind erst bei der zweiten Durchsuchung der Wohnung in Habinghorst verdächtige Substanzen gefunden worden? Welche Hinweise erbrachten die Ermittlungen zu Kontakten zur islamistischen Szene in Deutschland und im Ausland? Warum war der wegen versuchten Mordes verurteilte Iraner überhaupt noch in Deutschland? Gab es ein konkretes Anschlagsziel?

Die Politiker des Innenausschusses wollten vieles wissen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Der gab am Donnerstagnachmittag (19.1.) bei der Sitzung in Düsseldorf auch Antworten. Aber viele Details verriet er der Politik im nichtöffentlichen Teil. Was öffentlich gesagt wurde, haben wir zusammengetragen.

Warum wurde so oberflächlich durchsucht? Welche Stoffe waren im Rucksack, den man in der Wohnung fand? Waren die Täter Sunniten oder Schiiten und wie passt das zu den Vermutungen, sie hätten im Auftrag des „Islamischen Staates“ gehandelt? Die Abgeordneten wollten vieles wissen und konnten alle ihre Fragen vorbringen. Minister Reul ließ in einem Antwortenblock trotzdem einiges davon aus.

„Ich kann ich Ihnen im nichtöffentlichen Teil mehr erzählen, aber ich habe auch eine Verantwortung und später Ärger im Rücken, wenn ich an manch einer Stelle zu viel erzähle“, erläuterte Reul in der Sitzung, die im Internet live zu verfolgen war. „Es ist leider kompliziert. Sie sollen aber ein Gefühl für die Lage bekommen. Fest steht: Es ist kein Fehler passiert, das kann ich Ihnen versichern.“

In diesen Monturen suchten Ermittler in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar in der Dunkelheit in einer Wohnung nach gefährlichen Substanzen.
In diesen Monturen suchten Ermittler in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar in der Dunkelheit in einer Wohnung nach gefährlichen Substanzen. Sie wurden erst Tage später bei einer feineren Suche tagsüber fündig. © Christoph Reichwein/dpa/Archivbild

Täter wie dieser Mann, und dabei meinte Reul den 25-jährigen Jalal J., „da entscheidet der Richter, ob der in die JVA oder den Maßregelvollzug geht. Geht er in den Maßregelvollzug, ist nicht mehr das Innenministerium zuständig, sondern das Gesundheitsministerium. Ob er also wieder tanzen gehen darf, das entscheiden die Ärzte“, sagte Reul.

Ihn beunruhige „schon lange, dass wir viele psychisch kranke Täter haben“. Man habe versucht, in diesem Thema weiterzukommen und fahre das Periskop-Modell, „um solche Fälle zu verhindern“. Dabei handelt es sich um ein Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen, im Rahmen des rechtlich Möglichen, Informationen zwischen der Medizin und der Polizei auszutauschen.

Aber die datenschutzrechtlichen Fragen seien schwierig, es gebe richtig dicke Probleme zu lösen, und das nicht nur für die Landes-, sondern auch für die Bundesregierung. „Das Phänomen ist offensichtlich“, meinte Reul. Der jüngere Bruder der beiden Terrorverdächtigen war nach einem Urteil wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, war aber zuletzt in einer Entzugsklinik und hatte Wochenend-Freigang. Begründet wurde das mit dem Versuch der Resozialisierung.

„Wir sind faktisch blind“

Zur Frage Datenschutz gehört auch die Telekommunikationsüberwachung. „Zum Thema Infos aus anderen Ländern sage ich nichts mehr. Dazu ist schon viel gesagt worden“, so Reul vielsagend.

Sein Unionskollege Peter Golland ging vor ihm in der Fragerunde in die Tiefe: „Dramatisch ist, dass wieder mal und ausschließlich aufgrund eines befreundeten ausländischen Nachrichtendienstes dieser Zugriff gelingen konnte. Wir sind faktisch blind, können es nicht, haben mehrfach Anschläge nur verhindern können, weil wir Informationen aus dem Ausland erhalten haben“, so Golland im Innenausschuss.

„Dass wir immer wieder Glück haben, macht mir Sorge. Wer immer nur Informationen nimmt und nie welche gibt, der bekommt irgendwann keine mehr“, kritisierte Golland weiter. „Als wir es wussten, haben die Behörden reagiert und am Ende auch einen Anschlag verhindert, aber das Problem, dass wir mit unseren eigenen Instrumenten vieles nicht auf dem Radar haben, ist das eigentlich gefährliche.“

Zweite Durchsuchung: Feinbetrachtung

Zur Frage, warum die Ermittler erst keine, bei der zweiten Durchsuchung doch Substanzen fanden, erklärte Reul so: „Beim ersten Durchsuchen sind sie im Vollanzug in der Nacht reingegangen, das ist eine andere Art des Fühlens und der Präzision. Beim zweiten Mal waren Spezialisten und Hunde bei Tageslicht dabei, das war also eine Feinbetrachtung. So erkläre ich mir den Fund.“

Um Rizin habe es sich nicht gehandelt, mehr könne er aber zu den Stoffen kann nicht sagen, auch nicht, ob sie gefährlich waren und in welcher Weise. „Hier ermitteln BKA und Generalbundesanwalt. Dass ich es nicht weiß, ist auch klug. Es wird zu gegebener Zeit bekannt gegeben. Ob es große oder kleine Mengen waren, kann man aber schon anhand meiner Erläuterungen erkennen.“

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