Der Juli war weltweit der heißeste Monat aller Zeiten. Auch im Ruhrgebiet zeigt sich der Klimawandel. Ihm zu begegnen, ist eine Herausforderung bei der Städteplanung. Der urbane Hitzeinseleffekt sorgt dafür, dass sich Gebäude und versiegelte Flächen besonders aufheizen. Laut Deutschem Wetterdienst kann der Unterschied zwischen Stadt und Umland bis zu 10 Grad betragen. Prognosen sagen: Es wird in künftigen Sommern mehr heiße Tage, mehr tropische Nächte geben. Und Hitzeperioden sollen länger andauern.
Das Mikroklima im Wohngebiet und damit die Lebensqualität der Bewohner positiv zu beeinflussen, ist eine Herausforderung, der sich auch die Entwickler neuer Quartiere stellen müssen. Das Beerenbruch-Viertel in Ickern ist dafür ein gutes Beispiel.
Es ist das größte Wohngebiet, das in Castrop-Rauxel seit Jahrzehnten realisiert wird. In der Nähe des Naturschutzgebiets Beerenbruch und der Stadtgrenze zu Dortmund baut die Dornieden Gruppe aus Mönchengladbach auf rund 85.000 Quadratmetern rund 180 Doppel- und Reihenhäuser. Die ersten Familien sind schon eingezogen.
Klimaanlagen sind keine Lösung
Noch sind nicht alle Häuser gebaut, noch gibt es Baustraßen, noch fehlen Gärten mit Bäumen und Pflanzen. Von den angekündigten Quartiersflächen und Spielplätzen ist auch noch nichts zu sehen. Wie es also in Zukunft aussehen wird in dem als „grün und nachhaltig“ beschriebenen Quartier, muss sich noch zeigen. Das Mikroklima aber habe man im Blick gehabt, so das Unternehmen. Anhand seines Beispiels lassen sich allgemeine Erkenntnisse darstellen.
Prof. Dr. Maximilian Schwalm ist Entwicklungs- und Innovationsexperte der Dornieden-Gruppe. Gerade bei neu geplanten Quartieren gelte es, die planerischen Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, erklärt er. Heute weiß man, dass sich Asphalt, Beton, Stahl und Glas an heißen Sommertagen naturgemäß stark aufheizen. Nachts geben sie die Wärme nur langsam wieder ab, was „tropische Nächte“ in Wohngebieten mit viel versiegelter Fläche begünstige.
Bislang seien Klimaanlagen oft als Lösung gesehen worden. Doch, so Maximilian Schwalm, sie sind zum einen sehr energiezehrend. Er zitiert die Internationale Energieagentur (IEA), die in der Raum- und Gebäudekühlung bereits den künftigen Haupttreiber des Stromverbrauchs sieht. Die Stadt Castrop-Rauxel sieht es ähnlich. In ihrem Klimaanpassungskonzept heißt es: „Ein verstärkter Einsatz herkömmlicher Klimaanlagen läuft durch den hohen Strombedarf mit entsprechenden Kosten und die Wärmeabgabe im Außenraum jedoch den Zielen des Klimaschutzes zuwider.“

„Außerhalb der Gebäude hilft keine Klimaanlage gegen die Hitze“, so Schwalm weiter. „Hier braucht es andere Lösungen.“ Und die seien zum Teil relativ einfach umzusetzen. Ausreichende Grünbereiche und Frischluftschneisen im Quartier nennt der Experte als Erstes. Eine Verminderung der Lufttemperatur in Wohngebieten sei besonders effektiv durch eine Vergrößerung des Grünflächenanteils zu erreichen. „Insbesondere nachts können begrünte Flächen die Luft sehr wirksam kühlen“, so Schwalm.
Straßenasphalt heizt sich auf
Bei einer Lufttemperatur von 20 Grad Celsius liege die Temperatur von Rasen bei etwa 17,8 Grad, die von Straßenasphalt jedoch bei bis zu 35 Grad. An heißeren Tagen mit stärkerer Sonneneinstrahlung könnten sich mit Beton oder Bodenplatten versiegelte Flächen auch auf weit mehr als 40 Grad Celsius aufheizen.
Und wenn es regnet? Die Verdunstung von Regenwasser über Erdböden und Pflanzen wirke wie eine natürliche Klimaanlage, so Maximilian Schwalm, denn der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf verbrauche Wärmeenergie und erzeuge auf diese Weise Verdunstungskühlung.

Was bedeuten die Erkenntnisse konkret für das Beerenbruch-Viertel? Auf Anfrage unserer Redaktion nennt die Dornieden Gruppe zuerst „eine großzügige Grünfläche mit Frei- und Spielplätzen“. Sie stellen gleichzeitig eine Verbindungsachse zum nahen Naturschutzgebiet Beerenbruch mit seinem Brunosee her, ein echtes klimatisches Pfund. Weiter heißt es: „Einander zugewandte Gärten schaffen weitere grüne Freiräume, die die Luftzirkulation fördern.“
Albedo-Erhöhung bringt viel
Wichtig ist die Erhöhung der Albedo, also des Rückstrahlvermögens einer Oberfläche. Kurz gesagt: Helle Oberflächen reflektieren das Sonnenlicht besser als dunkle Flächen, sie heizen sich also weniger stark auf. Der Deutsche Wetterdienst betont beispielsweise in seiner Publikation „Urbane Räume nachhaltig gestalten“ die Bedeutung von Materialien und Anstrichen mit hoher Albedo bei Dächern.
Aber auch die richtige Wandfarbe ist wichtig. Jeder kennt Bilder aus dem Mittelmeerraum mit malerischen weißen Dörfern. Auch im Beerenbruch-Viertel wird wegen des Albedo-Effekts deshalb die Fassadengestaltung vornehmlich mit hellen Farben erfolgen, so der Projektentwickler Dornieden.

Außerdem: Die Häuser mit Flachdächern, die es im Beerenbruch-Viertel gibt, werden begrünt, ebenso alle Garagendächer. Zum Hintergrund erläutert der Entwicklungsexperte: „Wenn wir Flachdächer bepflanzen, trägt dies neben dem positiven Effekt auf das Mikroklima auch zu einer höheren Biodiversität und zu einer besseren Luftqualität im Quartier bei.“
Darüber hinaus verbesserten Grünflächen und begrünte Dächer durch ihre Schwammstruktur den Wasserrückhalt, was bei Starkregenereignissen die städtische Kanalisation entlasten und Überschwemmungen verhindern könne. Hier gibt es noch viel Potenzial, sagt auch Prof. Dr. Stefan Dech, Direktor des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums des DLR. Luft- und Satellitenbilder würden zeigen, dass der Anteil begrünter Dächer in Deutschland meist im Bereich von zwei bis acht Prozent liegt.

Zur „hitzeangepassten Quartiersplanung“ gehört zudem ein geringerer Versiegelungsgrad zwischen den Gebäuden. Im Beerenbruch-Viertel werden bei Flächen wie den Garagenzufahrten Rasenwaben- und Fugensteine verwendet. „Auch hier kann Regenwasser dann besser versickern“, sagt Schwalm.
Wenn dies so im neuen Wohnquartier passiert, passt es in die Bestrebungen der Stadt Castrop-Rauxel, zu einer Schwammstadt zu werden. Stadtplanung und -entwicklung, EUV Stadtbetrieb und das städtische Immobilienmanagement ziehen hier an einem Strang. Verschiedene Maßnahmen der Regenwasserversickerung sollen zugleich die Folgen von Starkregenereignissen abfedern. Auch bei allen neuen Planverfahren bei Baugebieten wie dem Beerenbruch-Viertel oder „Wohnen an der Emscher“, so die Stadt, gibt es entsprechende Vorgaben. Beide Neubaugebiete haben Retentionsbecken und unterirdische Regenrückhaltungen.
Niederschlag in Zisternen sammeln
Was noch helfen kann: Sinnvoll ist es, Niederschlagswasser im Quartier in Zisternen zu sammeln, um damit im Sommer regelmäßig Grünflächen zu bewässern und über die Verdunstungsleistung eine Luftabkühlung in Bodennähe zu erzielen, so Schwalm. Möglich sei es auch, das Regenwasser für den Betrieb von Wasseranlagen wie Brunnen oder zur Bewässerung von öffentlichen Grünflächen zu nutzen.
Maximilian Schwalms Fazit: „Wenn wir in modernen Quartieren möglichst viele Maßnahmen umsetzen, die den Grünraum und damit die Kühlwirkung im Wohngebiet erhöhen, in der Planung zudem auf eine ausreichende Luftstromzirkulation zwischen den Gebäuden achten und möglichst wenig wärmeleitfähige Baumaterialien verwenden, können wir unnötig hohe Temperaturen im Sommer vermeiden. Der Unterschied gegenüber urbanen Hitzeinseln macht dann viele Grad Celsius aus.“
Ursprünglich wurde dieser Text am 27.8.2023 veröffentlicht.
- Auf 85.000 Quadratmetern abgehend von der Recklinghauser Straße, werden 180 Häuser gebaut. Die Dornieden-Häuser sind bereits ausverkauft und im Bau oder auch schon fertiggestellt.
- In der Vermarktung sind zurzeit die Vista-Häuser. Diese Doppel- und Reihenhäuser in verschiedenen Varianten und Grundstücksgrößen sind alles Massivhäuser. Die Preisspanne reicht von 361.500 bis 457.500 Euro.
- Sie sollen bis Ende 2024 fertiggestellt sein.
Beerenbruchviertel aus der Luft im Video: Hier entsteht Castrop-Rauxels größtes Baugebiet
Beerenbruchviertel in Ickern: Erste Familien ziehen ein, dritter Bauabschnitt in der Vermarktung
Castrop-Rauxel setzt auf ein simples Prinzip: Es hilft bei Starkregen und gegen Hitzewellen