Dass diese Maßnahme ein großes Echo auslösen wird, und nicht eben ein gutes, war klar. Fast alle Kunden mit Gas- und Stromlieferverträgen zu kündigen, ist ein ziemlich einzigartiges Vorgehen. Aber nachdem die Aufregung verraucht ist, kann man das ja mal ganz nüchtern betrachten. Und man stellt unweigerlich fest: Besser geht es in dieser Lage für Kunden kaum.
Halten wir die Kernpunkte fest:
- Bei den Verträgen mit Preisbindung galt diese zum 31.12.2022. Dass die Preise danach enorm steigen, muss jedem Kunden klar gewesen sein.
- Hätten die Stadtwerke nicht gekündigt, sondern nur den höheren Preis angeboten (auch das ist aktuell eine Option für jeden Kunden), hätten alle Kunden von sich aus kündigen dürfen.
- Indem die Stadtwerke von sich aus kündigen, schützen sie vor allem diejenigen, die sich aus eigenem Antrieb um keinen neuen, günstigeren Vertrag gekümmert hätten, indem sie das Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen in Anspruch genommen hätten. Und somit die, die von den höheren Preisen überrascht worden wären.
- Gleichzeitig bieten sie allen den günstigsten Tarif an: bei einem anderen Versorger, der alle Kunden aufnehmen muss.
- Damit verbunden und mit nur einer Unterschrift vereinbart: die automatische Rückkehr in einen günstigeren Tarif, wenn es ihn bei den Stadtwerken wieder gibt.
Jeder, der das nicht möchte, kann sich zu Verivox, Check24, zu anderen Vergleichs-Portalen oder Anbietern begeben. Dort wird vor allem eines Einzug halten: Ernüchterung. Denn die Stadtwerke sind nicht allein mit den hohen Preisen.
Keine Frage, sie waren immer etwas teurer als Mitbewerber. Aber wer nur die Preise betrachtet, bedient zwar eine Geiz-ist-geil-Mentalität, missachtet jedoch andere Faktoren: Die Stadtwerke engagieren sich in Castrop-Rauxel wie kein anderer Energielieferant. Sie unterstützen Aktionen und Feste, sie sind aktiv in Sachen Energiewende. Das E-Ladesäulen-Programm und manche Windkraftanlage hätte ohne die Stadtwerke weniger Allgemeinwohl-Anteil gehabt. Auch die Energiegenossenschaft Gemeinschaftsenergie profitiert davon.
Es gibt kritische Worte nach neun Jahren Stadtwerke, die sagen: Gebraucht hat sie in Wahrheit kein Mensch, weil sie in Krisenzeiten mit den Großen nicht mithalten könne. Die einstigen Reden Anfang der 2010er-Jahre, wie segensreich ein eigenes Stadtwerk sei, vorgetragen von Rot-Grün unter Bürgermeister Beisenherz, seien nun widerlegt.
Wer diesen Argumentationspfad ernsthaft legt, missachtet all die positiven Steuerungsfaktoren. Die kommen nicht unmittelbar beim Kunden an. Aber am Ende sind sie wichtiger, als wir heute ermessen können.
Die Stadtwerke-Aktion ist nicht der einzige Einschnitt vor Ort. Der nächste sind die jetzt anstehenden Energiespar-Anstrengungen. Dieser Winter wird ungemütlich. Auch das muss klar gewesen sein.
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