Zoff um 1000 Euro für die Stadtbibliothek Politik streitet über Bücherkauf aus LGBTIQ+-Spektrum

1000 Euro für die Stadtbibliothek: Steit über Bücherkauf aus LGBTIQ+-Spektrum
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Die Debatte verlief erst sachlich, dann hitzig, dann gab es sogar einen Ordnungsruf wegen eines persönlichen Angriffs aus den Reihen der SPD gegenüber einem CDU-Ratsherr. Und am Ende? Gab es eine Mehrheit für den Antrag der rot-grünen Koalition: Die Stadtbibliothek bekommt einen Zuschuss von 1000 Euro, um gezielt Bücher und andere Medien aus dem queeren Spektrum (LGBTQI+) einzukaufen.

Holger Schelte, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen, erläuterte den mit der SPD eingebrachten Antrag so: „So lange es in unserer Stadt Leute gibt, die fern davon sind, zu verstehen, dass es andere Lebensorientierungen in unserer Stadt gibt, braucht es solche Anträge.“ Er spielte dabei an auf einen Facebook-Beitrag der Stadt Castrop-Rauxel, der mit Hass und Häme kommentiert worden sei: Dabei sei es darin nur um das Hissen queerer Flaggen auf dem Forumsplatz gegangen.

Michael Fritsch (CDU) argumentierte im Stadtrat gegen eine politische Einmischung in deren Arbeit.
"Wir von der CDU haben volles Vertrauen in die Führung der Stadtbibliothek": Michael Fritsch argumentierte im Stadtrat gegen eine politische Einmischung in deren Arbeit. © Rats-TV / CAS-TV

Das Angebot an Medien und Büchern in der Stadtbibliothek aus diesem Bereich sei begrenzt, die Bücherei aber ein zentraler Ort der Bildung und Information. „Sie soll ein Ort sein, an dem Lebenswirklichkeiten aller Menschen repräsentiert sind und zugänglich gemacht werden“, so Schelte. Aufklärung sei wichtig, um Toleranz zu fördern, Vorurteile abzubauen und zum Verständnis beizutragen. Insbesondere jungen Erwachsenen könne Mut gemacht werden, sich mit ihrer sexuellen Identität auseinanderzusetzen und sie auszuleben.

Die AG Diversität könne die Büchereileitung bei der Auswahl der Medien unterstützen. „Lassen Sie uns zeigen, dass in unserer Gesellschaft alle einen Platz haben“, sagte Schelte. LGBTQ und Queersein sei keine rot-grüne politisch-ideologische Ansicht. Diverse Lebensformen seien heute ganz normal: Rund zehn Prozent der Menschen seien nicht heterosexuell orientiert.

Kritik kam gleich: Die Auswahl von Medien sei nicht Sache des Stadtrates, sondern allein der Büchereileitung, sagte BSW-Ratsfrau Margita Gudjons. Man müsse die Bücherei dazu befragen, meinte sie, und sich nicht einfach einmischen.

Michael Fritsch (CDU) sagte: „Ich gebe Frau Gudjons ja nur ungern recht, aber hier doch: Es geht um Ordnungspolitik. Politische Einmischungen verbieten sich. Es ist eine Bürger-Bibliothek, keine Polit-Bibliothek von Rot-Grün und nicht der Spielball der Parteien.“ Seines Wissens habe es einen solchen Antrag, der diese Entscheidungen der Leitung politisch beeinflussen will, noch nie gegeben. Sie sei stets verantwortungsbewusst mit dem Budget umgegangen und hätte auch ein offenes Ohr für Bürgerwünsche. Man öffne hier die „Büchse der Pandora“, so Fritsch.

SPD: Es geht um ein Zusatz-Budget

Das gehe schon, meinte Sebastian John (SPD): Die Stadtbücherei habe die Aufgabe, gesellschaftlich relevante Themen abzubilden, unabhängig von den Ausleihzahlen. „Geschlechtliche Vielfalt ist ein solches Thema.“ Es gehe hier nicht um das klassische Budget, sondern um einmalig zusätzliche 1000 Euro.

Fritsch behauptete, er streite die gesellschaftliche Relevanz des Themas nicht ab. „Natürlich bin ich für Vielfalt, sonst wäre ich längst nach Nordkorea gezogen“, sagte er. Es gebe aber viele gesellschaftlich relevante Themen. Diese Entscheidungen sollte die Bibliothek treffen.

Sabine Seibel (SPD) belehrte Michael Fritsch: Sie habe vor rund 30 Jahren beantragt, feministische Literatur anzuschaffen. „Dem Antrag wurde damals stattgegeben; so gilt unsere Stadtbibliothek bis heute als eine der besten in diesem Segment im Kreis Recklinghausen. Dass Sie an dieser Stelle ein Problem mit Schwulen und Lesben haben, ist nicht mein Problem.“ Bürgermeister Kravanja erteilte ihr dafür einen Ordnungsruf. „Wir unterstellen uns hier gegenseitig keine Dinge, die nicht gesagt worden sind“, so Rajko Kravanja.

Der Rat beschloss den Antrag: SPD, Grüne, FDP, Partei und FWI stimmten dafür, CDU und BSW dagegen. UBP und Notburga Henke enthielten sich.

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